Leitsatz (amtlich)

Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen Arbeitsgericht und ordentlichem Gericht hat dasjenige obere Bundesgericht den Zuständigkeitsstreit zu entscheiden, das zuerst darum angegangen wird. (Ergänzung zu BGHZ 17, 185 und BGH NJW 1964, 1416)

 

Normenkette

ZPO § 36 Nr. 6

 

Tenor

Das Arbeitsgericht in Saarlouis wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt (§ 36 Nr. 6 ZPO).

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

Der Kläger hat durch Urkunden-Zahlungsbefehl des Amtsgerichts Saarlouis gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1.700,– DM wegen Rückforderung eines Darlehens geltend gemacht. Nach Widerspruch der Beklagten hat auf Antrag des Klägers das Amtsgericht sich für unzuständig erklärt und die Sache an das Landgericht in Saarbrücken als an das nach seiner Auffassung sachlich und örtlich zuständige Gericht verwiesen. Danach hat der Kläger vom Urkundenprozeß Abstand genommen. Einer sodann durchgeführten Beweisaufnahme hat das Landgericht entnommen, daß es sich um einen Anspruch wegen rückständiger Gehaltsforderung des Klägers handele. Nachdem hierauf die Beklagten die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gerügt und sodann der Kläger die Verweisung an das Arbeitsgericht Saarlouis beantragt hatte, erklärte sich das Landgericht für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Saarlouis. In der mündlichen Verhandlung vor diesem beantragte der Kläger Zurückverweisung an das Landgericht Saarbrücken; die Beklagten widersprachen dem nicht. Nunmehr erklärte sich das Arbeitsgericht Saarlouis für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Saarbrücken. Dieses hat die Parteien durch Beschluß darauf hingewiesen, daß es an seinem früheren Beschluß festhalte, mit dem es sich für sachlich unzuständig erklärt habe.

Der Kläger beantragt die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den Bundesgerichtshofs unter Hinweis auf § 36 Nr. 6 ZPO.

I. Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 36 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits zwischen dem Landgericht Saarbrücken und dem Arbeitsgericht Saarlouis, die sich beide für unzuständig erklärt haben, befugt. Zwar bezieht sich diese Gesetzesbestimmung unmittelbar nur auf einen Zuständigkeitsstreit zwischen ordentlichen Gerichten. Wie der Bundesgerichtshof bereits ausgesprochen hat (BGHZ 17, 169 f), ist die Vorschrift jedoch im Interesse einer möglichst schnellen Beendigung eines solchen Streits auch im Verhältnis zwischen Arbeitsgericht und ordentlichem Gericht heranzuziehen, weil in § 48 Abs. 1 ArbGG die entsprechende Anwendung der § 11, 276 ZPO bestimmt ist und somit auch zwischen diesen Gerichten Zuständigkeitsstreitigkeiten durch die Entschließung des zunächst angerufenen Gerichts in einer das andere Gericht bindenden Weise beseitigt werden können. Angesichts des Fehlens eines den streitenden Gerichten dieser Gerichtszweige gemeinsam übergeordneten Gerichts hat der Bundesgerichtshof seine Zuständigkeit zur Entscheidung eines Kompetenzkonflikts zwischen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten bereits bejaht, wenn ein Arbeitsgericht an ein ordentliches Gericht verwiesen und dieses sodann an das Arbeitsgericht zurückverwiesen hat (BGH a.a.O.), oder wenn ein Arbeitsgericht, das an ein ordentliches Gericht zurückverwiesen hat, dem Bundesgerichtshof die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts zugeleitet hat (BGH NJW 1964, 1416 f). Darüber hinaus erscheint in Anlehnung an den die Regelung des Verweisungsrechts beherrschenden Grundsatz, die Ausweitung von Zuständigkeitsstreitigkeiten tunlichst zu vermeiden, die Folgerung geboten, auch Zuständigkeitsstreitigkeiten im Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten möglichst schnell zu erledigen (BGHZ 17, 169) und zwar in der Weise, daß jeweils das um die Entscheidung des Konflikts angegangene obere Bundesgericht entscheidet. Hierfür spricht überdies die entsprechende Regelung des Rechtsweges in § 17 GVG und in § 48 a ArbGG, derzufolge das Gericht des jeweils zuerst beschrittenen Rechtsweges bindend entscheidet (vgl. Jonas-Pohle 19. Aufl. Vorbemerkung IV 5 c zu § 1 ZPO; Baumbach-Lauterbach 28. Aufl. § 17 GVG Anm. 2 A). Angesichts der Tatsache, daß die sich auf die ordentlichen Gerichte und auf die Arbeitsgerichte beziehenden Gesetzesbestimmungen der §§ 276 ZPO, 48 ArbGG einerseits und der §§ 17 GVG, 48 a ArbGG andererseits sich inhaltlich entsprechen, bestehen auch im Verhältnis zwischen den oberen Bundesgerichten dieser Gerichtszweige keine Bedenken dagegen, daß das zuerst angegangene Gericht den Kompetenzkonflikt entscheidet. Dies erscheint vielmehr im Interesse der Rechtssicherheit und Beschleunigung geboten.

II. Das Arbeitsgericht Saarlouis war als das zuständige Gericht zu bestimmen.

Die Weiter- und Rückverweisung eines Rechtsstreits ist zulässig, wenn nach der Verweisung die Klage geändert wird und für den neuen Antrag ein anderes als das auf Grund der Verweisung mit der Sache befaßte Gericht ausschließlich zuständig ist (BGH NJW 1962,1819). Daher schließt eine wegen der Höhe des Streitwerts erfolgte Verweisung vom Amtsgericht an das Landgericht eine Weiterverweisung an das Arbeitsgericht nicht aus (BGH NJW 1964, 1417). Das verkennt auch das Arbeitsgericht Saarlouis nicht. Es meint jedoch unter Bezugnahme auf den Beschluß des Senats NJW 1964, 46, im vorliegenden Falle sei der Wille des erstverweisenden Gerichts (des Amtsgerichts Saarlouis) nicht eindeutig erkennbar gewesen, nur wegen der Höhe des Streitwerts die sachliche Verweisung an das Landgericht auszusprechen. Da nämlich das Amtsgericht die Verweisung damit begründet habe, das Landgericht sei sachlich und örtlich zuständig, sei nicht festzustellen, ob es dem Landgericht die Möglichkeit habe offen halten wollen, den Rechtsstreit wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts an dieses weiter zu verweisen. Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu. Der Sachverhalt ist im Streitfall ein anderer als in dem letztgenannten Beschluß des erkennenden Senats, Während dort der Kläger den für die arbeitsrechtliche Beurteilung erforderlichen Sachverhalt schon in der Klage vorgetragen hatte, findet sich im vorliegenden Fall ein Hinweis auf einen solchen Sachverhalt erst in dem an das Landgericht gerichteten Schriftsatz der Beklagten vom 12. September 1963. Bei seiner Vernehmung als Partei hat der Kläger sodann bekundet, daß die Forderung rückständige Gehaltsansprüche aus der Zeit seiner Beschäftigung bei den Beklagten betreffe. In der sich an die Beweisaufnahme vor dem Landgericht unmittelbar anschließenden mündlichen Verhandlung hat – nach Rüge der sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts durch die Beklagten – der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Verweisung an das Arbeitsgericht Saarlouis beantragt. Berücksichtigt man, daß nach dem vorangegangenen Beweisbeschluß unter anderem auch über die Behauptung der Beklagten Beweis erhoben werden sollte, der Kläger habe geltend gemacht, daß ihm die streitige Forderung aus rückständigem Gehalt zustehe, so läßt das dargelegte Verhalten des Klägers im Anschluß an die Beweisaufnahme entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nur den eindeutigen Schluß zu, daß der Kläger den neuen Tatsachenstoff sowohl zur Begründung seines Anspruchs herangezogen als auch zur Grundlage seines nunmehrigen prozessualen Handelns gemacht hat. Anders als im Falle NJW 1964, 46 handelt es sich daher im Streitfall um ein verändertes Klagevorbringen, welches das Amtsgericht mangels Kenntnis bei seinem Verweisungsbeschluß noch gar nicht hatte berücksichtigen können. Demnach ist das Landgericht Saarbrücken zur Weiterverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Saarlouis befugt gewesen. Durch diesen Verweisungsbeschluß ist das Arbeitsgericht gebunden (§ 48 ArbGG i.V.m. § 276 ZPO).

Da das Arbeitsgericht den Rechtsstreit nicht mehr wirksam an das Landgericht zurückverweisen konnte, war das Arbeitsgericht Saarlouis als das zuständige Gericht zu bestimmen.

 

Unterschriften

Krüger-Nieland, Jungbluth, Pehle, Sprenkmann, Mösl

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502346

BGHZ, 14

NJW 1965, 1596

Nachschlagewerk BGH

JZ 1965, 579

MDR 1965, 725

ZZP 1966, 146

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