Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Ehepartner auf Scheidung der Ehe

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob Versorgungsansprüche eines Ehegatten, die durch ein Leibgedinge begründet werden, in den Versorgungsausgleich fallen

 

Normenkette

BGB § 1587 Abs. 1, § 1587a Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5; 1. EheRG Art. 12; BGB § 1587c

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 31. Mai 1979 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der weiteren Beschwerde.

Beschwerdewert: 1.000,- DM.

 

Gründe

I.

Der im Jahre 1915 geborene Ehemann (Antragsteller) und die 1918 geborene Ehefrau (Antragsgegnerin) haben am 3. Februar 1942 die Ehe geschlossen, aus der zwei inzwischen verheiratete Töchter hervorgegangen sind. Seit dem 27. August 1957 leben die Parteien getrennt. Eine vom Ehemann im Jahre 1961 erhobene Scheidungsklage blieb unter anderem deshalb ohne Erfolg, weil die Ehefrau der Scheidung widersprochen hatte. Mit dem am 2. Februar 1978 zugestellten Antrag hat der Ehemann erneut die Scheidung der Ehe begehrt.

Die Parteien leben im Güterstand der Gütertrennung. Der Ehemann ist Eigentümer eines etwa 12 ha großen landwirtschaftlichen Anwesens, das er verpachtet hat. Die Ehefrau lebt seit ihrer Trennung auf dem zunächst ihren Eltern gehörenden etwa 36 ha großen landwirtschaftlichen Anwesen. Dieses übertrugen ihre Eltern mit notariellem Vertrag vom 20. Dezember 1965 auf die jüngere Tochter der Parteien und ließen sich ein Leibgedinge einräumen. Auch die Ehefrau wurde in dem Übergabevertrag bedacht: Für sie wurde bis zum Ablauf des Jahres 1972 ein Nießbrauchsrecht an dem Anwesen eingeräumt. Für die Zeit danach wurde zu ihren Gunsten ebenfalls ein Leibgedinge bestellt, das folgende Leistungen vorsieht: freie Kost und Wohnung sowie Wart und Pflege einschließlich Bekleidung in alten und kranken Tagen, Taschengeld von zunächst 100,- DM, ab Bezug der landwirtschaftlichen Altershilfe 50,- DM, ferner vom alljährlichen anfallenden Kirschenertrag den fünften sowie vom übrigen Obstertrag den dritten Teil. Anstelle der Tischkost und der freien Heizung sind in dem Vertrag Sachleistungen in Form von Nahrungsmitteln und Heizmaterial vereinbart, im Falle des Wegzuges Vergütungen zu marktüblichen Preisen sowie ein Geldbetrag für eine standesgemäße Miete ausbedungen. Zur Sicherung des Leibgedinges ist eine Reallast im Grundbuch eingetragen worden.

Mit Urteil vom 17. November 1978 hat das Familiengericht die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich dahin durchgeführt, daß es vom Versicherungskonto des Ehemannes bei der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken (LVA - weitere Beteiligte zu 1) Rentenanwartschaften von 66,09 DM monatlich, bezogen auf den 31. Januar 1978, auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA - weitere Beteiligte zu 2) übertragen hat. Dabei hat es gemäß Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Satz 3 und 4 des 1. EheRG eine Kürzung des Ausgleichsbetrages in Höhe von 2,56 DM vorgenommen. Das der Ehefrau zustehende Leibgedinge hat es nicht berücksichtigt. Gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich hat der Ehemann Beschwerde eingelegt, die das Oberlandesgericht mit der in FamRZ 1980, 168 abgedruckten Entscheidung zurückgewiesen hat. Hiergegen hat der Ehemann (zugelassene) weitere Beschwerde eingelegt, mit der er die Einbeziehung des Leibgedinges in den Versorgungsausgleich erstrebt. Ferner vertritt er den Standpunkt, daß die Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Parteien, insbesondere der beiderseitigen für die Versorgung einsetzbaren Vermögenswerte dazu führen müsse, daß ein Versorgungsausgleich nach § 1587 c BGB nicht stattfinde.

II.

Die weitere Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1.

Das Beschwerdegericht hat die Ansicht des Familiengerichts bestätigt, daß das Leibgedinge der Ehefrau nicht dem Versorgungsausgleich unterfalle. Es hat sich einer im Schrifttum verfochtenen Auffassung angeschlossen, wonach Leibgedinge und Altenteile nicht in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind (vgl. Ambrock, Ehe und Ehescheidung § 1587 Anm. IV S. 260; Gernhuber, Familienrecht 3. Aufl. § 28 III 1 = S. 330; Maier, DAngVers 1976, 435, 439 Fn. 52; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts Rdn. 483, 485). Demgegenüber macht sich der Ehemann mit der weiteren Beschwerde die gegenteilige Meinung zu eigen, die derartige Versorgungsrechte grundsätzlich in den Versorgungsausgleich einbezogen sehen möchte (vgl. OLG Nürnberg MittBayNot 1980, 28; von Maydell FamRZ 1977, 172, 176 Fn. 38; Palandt/Diederichsen, BGB 41. Aufl. § 1587 Anm. 2 a ff, 2 b a.E.; Rolland, 1. EheRG § 1587 BGB Rdn. 12; Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich und steuerliche Folgen der Ehescheidung Rdn. 67 unter Aufgabe seiner gegenteiligen Auffassung in NJW 1976, 1713, 1716; Winkler, AgrarR 1978, 239, 241 ff.).

Zur Begründung seiner Auffassung hat das Beschwerdegericht ausgeführt, das Leibgedinge zähle nicht zu den in § 1587 a Abs. 2 BGB aufgeführten Versorgungsarten. In dieser Bestimmung seien die für den Versorgungausgleich heranzuziehenden Anrechte abschließend aufgezählt. Dabei handele es sich um institutionalisierte Altersversorgungen, die im wesentlichen an den spezifischen Daten der Alters und Invaliditätsversorgung orientiert seien, rechnerisch genau erfaßt und für die beim Versorgungsausgleich wesentlichen Zeiträume bestimmt werden könnten und auch hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für ihre Entstehung klar abgrenzbar seien. In diesen Rahmen könne das Leibgedinge nicht eingeordnet werden. Dieses könne nur als Vollrecht entstehen. Vor seiner Bestellung gebe es keine rechtlich gesicherte Anwartschaft. Je nachdem ob es vor dem Ehezeitende eingeräumt werde oder erst danach, käme nur seine völlige Einbeziehung in den Versorgungsausgleich oder sein vollständiger Ausschluß in Betracht. Die Naturalzuwendungen, die den wesentlichen Inhalt des Leibgedinges bildeten, ließen sich rechnerisch ungleich schwerer erfassen als die Altersversorgungen im eigentlichen Sinne. In der Regel fehle bei einem Leibgedinge der Bezug zur Arbeitsleistung des begünstigten Teils. Seine Bestellung erfolge üblicherweise nicht als Gegenleistung für den Einsatz der Arbeitskraft, sondern, wie gerade der vorliegende Fall deutlich mache, aufgrund von familien- und erbrechtlichen Überlegungen.

2.

Anders als das Beschwerdegericht hält es der Senat nicht für grundsätzlich ausgeschlossen, daß Versorgungsansprüche, die durch ein Leibgedinge begründet werden, in den Versorgungsausgleich einbezogen werden können. Letztlich braucht er diese Frage indessen hier nicht zu entscheiden, weil sich die Außerachtlassung des Leibgedinges aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles als gerechtfertigt erweist.

In dem Meinungsstreit um die Einbeziehung eines Leibgedinges oder eines Altenteils in den Versorgungsausgleich wird verschiedentlich die Ansicht vertreten, die Rechte aus derartigen Verträgen blieben nach § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB außer Betracht, weil sie weder mit Hilfe des Vermögens noch durch Arbeit der Ehegatten begründet würden, sondern die unentgeltliche Zuwendung eines Dritten darstellten (vgl. Ambrock, aaO; Ermann/Ronke, aaO; Maier, aaO; Ruland NJW 1976, 1713, 1716). Gegen eine derartige generelle Beurteilung bestehen Bedenken. Jedenfalls im Zusammenhang mit Hofübergabeverträgen werden derartige Rechte regelmäßig als Gegenleistung des Hofübernehmers für die Einräumung der Möglichkeit begründet, den Hof bereits vor dem Ableben des Übergebers (vor dem Erbfall) zu bewirtschaften. Diese Bewirtschaftungsmöglichkeit ist indessen Bestandteil des bisherigen Vermögens des Hofübergebers und das Leibgedinge oder das Altenteil somit in diesen Fällen im Sinne von § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB mit Hilfe des Vermögens dieses Ehegatten begründet (ebenso AK-BGB/Höhler/Troje, § 1587 Rdn. 20; vgl. auch Rolland, a.a.O. § 1587 Rdn. 12; Ruland/Tiemann aaO; Winkler, a.a.O. S. 242).

Anders dagegen im vorliegenden Fall, in dem das Leibgedinge im Zuge der Übergabe des Hofes von den Eltern der Ehefrau auf deren Tochter eingeräumt worden ist. Wie das Oberlandesgericht ausgeführt hat, war dafür ausschlaggebend, daß die Ehefrau unter Verzicht auf mögliche Erbansprüche nach dem Tode ihrer Eltern der Übertragung des elterlichen Anwesens auf die Tochter zugestimmt hat. Damit handelt es sich um eine von den Eltern an ihre Tochter gemachte Zuwendung in Form einer Altersversorgung, ähnlich einer von den Eltern finanzierten privaten Rentenversicherung, Versorgungsansprüche aus derartigen Zuwendungen bleiben nach § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB beim Versorgungsausgleich außer Betracht, da sie weder durch Arbeit der Ehegatten noch (insbesondere) mit Hilfe des Vermögens begründet oder aufrechterhalten worden sind. Dem steht nicht entgegen, daß die Ehefrau die Zuwendung erhalten hat, weil sie auf ihr künftiges Erbrecht verzichtet und der Übertragung des elterlichen Anwesens auf ihre Tochter zugestimmt hat. Insoweit kann nichts anderes gelten als im Rahmen der § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB vergleichbaren güterrechtlichen Regelung des § 1374 Abs. 2 BGB (vgl. Gernhuber, a.a.O. § 28 III 2 = S. 331; Rolland, a.a.O. Rdn. 20), wo anerkannt ist, daß es den Charakter des unentgeltlichen Vermögenserwerbs nicht beeinträchtigt, wenn der Ehegatte, der mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht Vermögen erwirbt, als Gegenleistung auf sein künftiges Erbrecht verzichtet (vgl. etwa MünchKomm./Gernhuber, § 1374 Rdn. 20; Palandt/Diederichsen, a.a.O. § 1374 Anm. 3 b). Ebenso ist auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß die durch das Leibgedinge begründete Altersversorgung der Ehefrau unentgeltlich zugewandt worden ist. Derartige unentgeltliche Leistungen Dritter werden durch § 1587 Abs. 1 Satz 2 BGB vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen (vgl. 2. Bericht und Antrag des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 7/4361 S. 36).

Hiernach hat das Beschwerdegericht die Versorgungsansprüche der Ehefrau aus dem Leibgedinge jedenfalls im Ergebnis zu Recht nicht in den Versorgungausgleich einbezogen (für die Außerachtlassung von Leibgedinge und Altenteil in einem derartigen Fall ebenfalls AK-BGB/Höhler/Troje, aaO; Winkler, a.a.O. S. 242).

3.

Ohne Erfolg wendet sich der Ehemann auch dagegen, daß das Oberlandesgericht - neben der durchgeführten Herabsetzung nach Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 und 4 des 1. EheRG - die Härteregelung des § 1587 c BGB nicht hat eingreifen lassen.

a)

Bei der Erörterung von Nr. 1 dieser Vorschrift hat das Oberlandesgericht insbesondere auch dem Umstand Rechnung getragen, daß die Versorgung der Ehefrau durch das Leibgedinge beträchtlich verbessert wird. Gleichwohl hat es eine grobe Unbilligkeit verneint. Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, daß die Härteklausel des § 1587 c Nr. 1 BGB dann in Betracht kommt, wenn die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Wertausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Zwar ist die Ausgleichspflicht grundsätzlich von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage der Ehegatten unabhängig und die Bedürftigkeit des Ausgleichsberechtigten nicht Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs. Indessen kann es eine grobe Unbilligkeit im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB begründen, wenn die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit beider Ehegatten beiträgt, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führt. Dazu reicht es indessen nicht aus, daß der Ausgleichsberechtigte wirtschaftlich besser gestellt ist als der Ausgleichsverpflichtete. Eine Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen wirtschaftlichen Ungleichgewichts kommt, wie der Senat mit Beschluß vom 16. Dezember 1981 (IVb ZB 555/80 - FamRZ 1982, 258, 259) ausgeführt hat, in Betracht, wenn der Berechtigte bereits eine ausreichende Versorgung hat, während der Verpflichtete auf seine Anrechte dringend angewiesen ist. Insoweit ist das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Ehemann auch nach Durchführung des Versorgungsausgleichs eine ausreichende Versorgung verbleibt. Es hat ausgeführt, der Ehemann verfüge danach noch über Rentenbezüge von insgesamt 704,59 DM. Hinzu komme, daß er im eigenen Anwesen mietfrei wohne und die Möglichkeit habe, Grundnahrungsmittel preiswert einzukaufen. Er sei Eigentümer eines landwirtschaftlichen Anwesens und könne mit diesem Vermögenswert zur Verbesserung seiner Versorgungslage beitragen. Wenn das Oberlandesgericht unter diesen, von der weiteren Beschwerde nicht in Zweifel gezogenen Umständen die Durchführung des Versorgungsausgleichs für nicht grob unbillig erachtet hat, so ist diese weitgehend in der Verantwortung des Tatrichters liegende Würdigung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b)

Die Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 2 BGB hat das Oberlandesgericht schon deshalb für nicht gegeben erachtet, weil der Ehemann selbst seiner Ehefrau nicht den Vorwurf gemacht habe, in Erwartung der Scheidung den möglichen Erwerb von Anwartschaften unterlassen zu haben. Nunmehr hat der Ehemann im Zuge des weiteren Beschwerdeverfahrens vorgetragen, die Ehefrau habe die Absicht verfolgt, ihn in der Unterhaltsfrage wirtschaftlich zu belasten. Nachdem sie im Jahre 1972 die Bewirtschaftung des elterlichen Betriebes aufgegeben habe, habe sie bis 1978 keine Tätigkeit mehr aufgenommen, um ihn mit ihren Versorgungsansprüchen zu belasten. Sie habe Möglichkeiten ausgeschlagen, ein Pflichtarbeitsverhältnis aufzunehmen oder sich freiwillig zu versichern.

Ob ein solcher nachträglicher Vortrag überhaupt noch im weiteren Beschwerdeverfahren Berücksichtigung finden kann, mag dahinstehen. Jedenfalls ist er offensichtlich nicht geeignet, dem Rechtsmittel zum Erfolg zu verhelfen. Die Anwendung des § 1587 c Nr. 2 BGB ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn ein Handeln oder Unterlassen in Erwartung der Scheidung vorliegt. Ein dahingehender Vorwurf ist indessen auch in dem neuen Vortrag nicht enthalten.

4.

Da die angefochtene Entscheidung auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Ehemannes erkennen läßt, war die weitere Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Lohmann

Seidl

Blumenröhr

Macke

Nonnenkamp

 

Fundstellen

Haufe-Index 1456104

NJW 1982, 2557

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