Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaßsache

 

Leitsatz (amtlich)

a) Für die erbrechtlichen Verhältnisse an Grundstücken in der früheren DDR bleibt das Zivilgesetzbuch auch dann maßgebend, wenn der Erblasser (nach dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1976, aber) vor der Vereinigung Deutschlands mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt im Westen verstorben ist und daher im übrigen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch beerbt wird (Nachlaßspaltung).

b) Ansprüche aus dem Vermögensgesetz sind nicht geeignet, eine Nachlaßspaltung herbeizuführen; die erbrechtlichen Verhältnisse richten sich insoweit nach dem allgemein für den Erblasser geltenden Erbstatut.

 

Normenkette

EGBGB 1986 Art. 3 Abs. 3; RpflAnpG § 25 Abs. 2; VermG §§ 3 ff.

 

Verfahrensgang

OLG Hamm

LG Paderborn

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) werden die Beschlüsse der 5. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 31. August 1994 und des Amtsgerichts – Nachlaßgericht – Paderborn vom 5. Juli 1994 aufgehoben.

Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – wird angewiesen, den der Beteiligten zu 1) erteilten Erbschein vom 19. März 1993 einzuziehen.

 

Gründe

I.

Der am 2. März 1985 in Paderborn verstorbene Erblasser bewirtschaftete zusammen mit seiner ersten Ehefrau und seinen Söhnen, den Beteiligten zu 2) und 3), bis in das Jahr 1960 in der ehemaligen DDR zwei in seinem Eigentum stehende Bauernhöfe. Dann siedelte er wegen der Kollektivierung der Landwirtschaft nach Westdeutschland über und baute sich dort als Landwirt eine neue Existenz auf. Die in Ostdeutschland gelegenen Hofgrundstücke wurden zunächst unter Staatliche Treuhandverwaltung gestellt und im Jahre 1969 in Volkseigentum überführt. Außer diesen Grundstücken hatte der Erblasser kein Grundvermögen in der ehemaligen DDR. Nach dem Tode seiner ersten Ehefrau heiratete er die Beteiligte zu 1). Mit dieser schloß er am 6. September 1978 einen Erbvertrag, in dem es unter anderem heißt:

㤠1

Wir setzen uns hiermit erbvertraglich für den Fall unseres jeweiligen Todes gegenseitig zu Alleinerben unseres jeweiligen Vermögens ein mit der Maßgabe, daß der Erstversterbende von uns vom Überlebenden allein beerbt wird. Wir nehmen diese gegenseitigem erbvertraglichen Einsetzungen hiermit jeweils an.

§ 2

Zu unserem beiderseitigen Vermögen gehört insbesondere das Hausgrundstück D., … Flurstück 60 … hinsichtlich dessen der Erschienene zu 1) [= Erblasser] der Erschienenen zu 2) [= Beteiligte zu 1)] durch notariellen Vertrag vom heutigen Tage … das Miteigentum zu 1/2 … Anteil, das im Grundbuch noch auf die Erschienene zu 2) umgeschrieben wird, übertragen hat.

§ 3

Zu dem der Erschienenen zu 2) im Falle des Vorversterbens des Erschienenen zu 1) zufallenden Nachlaß des Erschienenen zu 1) gehört entsprechend der im § 1 erfolgten Erbeinsetzung der Erschienenen zu 2) durch den Erschienenen zu 1) auch derjenige Teil seines Vermögens, der ihm außer seinem Miteigentum zu 1/2 an dem vorgenannten Hausgrundstück zusteht, unter anderem eventuell Bank- und Sparkassenguthaben sowie die Hausratsgegenstände des Erschienenen zu 1) .”

Unter Berufung auf diesen Erbvertrag beantragte die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines auf das Grundvermögen des Erblassers in der ehemaligen DDR beschränkten Erbscheins. Das Nachlaßgericht entsprach dem Antrag und erteilte ihr einen Erbschein „beschränkt auf das in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik belegene unbewegliche Vermögen”. Darüber hinaus weist der Erbschein aus, daß die Beteiligte zu 1) ihren Ehemann „unter Anwendung des Erbrechts der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik” beerbt habe.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt, diesen Erbschein einzuziehen. Sie meinen, der Erblasser und die Beteiligte zu 1) hätten bei Abschluß des Erbvertrages im Jahre 1978 nicht an etwaiges Vermögen in der ehemaligen DDR gedacht. Deshalb könne sich die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) auf solche Vermögenswerte nicht beziehen. Insoweit sei vielmehr gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Das Nachlaßgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 2) und 3) durch Beschluß vom 5. Juli 1994 zurückgewiesen. Dagegen haben die Beteiligten zu 2) und 3) Beschwerde und nach deren Zurückweisung weitere Beschwerde eingelegt.

Das Oberlandesgericht möchte der weiteren Beschwerde stattgeben und das Nachlaßgericht anweisen, den Erbschein wegen Unrichtigkeit einzuziehen. Es sieht sich hieran jedoch durch den Beschluß des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 20. Juli 1992 (3 W 172/91, FamRZ 1992, 1474) gehindert und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG zur Entscheidung vorgelegt (ZEV 1995, 252).

II.

Die Voraussetzungen für die Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG sind gegeben.

1. Das vorlegende Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht davon aus, daß der Erblasser bei seinem Tode nicht Eigentümer von Grundstücken in der ehemaligen DDR gewesen sei, diese vielmehr ausnahmslos bereits vorher in Volkseigentum überführt worden seien. Zum Nachlaß hätten weder Eigentumsrechte noch andere Rechte an in der DDR gelegenen Grundstücken oder Gebäuden gehört. Aus diesem Grunde sei es nicht nach Art. 28 EGBGB a.F. (inhaltsgleich mit Art. 3 Abs. 3 EGBGB n.F.) i.V. mit § 25 Abs. 2 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR (DDR-RAG) zur Nachlaßspaltung gekommen. Die hier allein in Betracht kommenden Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüche nach §§ 3 ff. des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) könnten den in § 25 Abs. 2 DDR-RAG genannten grundstücksbezogenen Rechten nicht gleichgestellt werden und rechtfertigten daher eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung dieser Vorschrift nicht. Fehle es aber an unbeweglichem Vermögen im Gebiet der ehemaligen DDR, sei der der Beteiligten zu 1) erteilte Erbschein unrichtig, und zwar selbst dann, wenn man – wie das Landgericht – rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangen die Beteiligte zu 1) habe den Erblasser allein beerbt. Das Vorhandensein von unbeweglichem Vermögen in der früheren DDR sei nämlich materiell-rechtliche Voraussetzung für den Eintritt der Nachlaßspaltung und damit für die Erteilung eines auf solches Vermögen gegenständlich beschränkten Erbscheins.

2. Mit Recht sieht sich das vorlegende Oberlandesgericht gehindert, in diesem Sinne zu entscheiden, weil das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken in seinem Beschluß vom 20. Juli 1992 (aaO) die Auffassung vertreten hat, für die Erteilung eines auf in der ehemaligen DDR gelegenen Grundbesitz beschränkten Erbscheins reiche aus, „daß ein Recht möglicherweise als „unbewegliches Vermögen” i. S. des § 25 Abs. 2 RAG einzuordnen” sei. Im Erbscheinsverfahren sei nicht abschließend darüber zu befinden, ob zum Nachlaß unbewegliches Vermögen gehöre und ob Ansprüche nach dem Vermögensgesetz zu den in § 25 Abs. 2 DDR-RAG genannten grundstücksgebundenen Rechten zählten. Für die Erteilung eines gegenständlich beschränkten Erbscheines genüge in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit, daß Grundbesitz zum Nachlaß gehöre, und in rechtlicher Hinsicht, daß Ansprüche nach dem Vermögensgesetz möglicherweise als unbewegliches Vermögen im Sinne von § 25 Abs. 2 DDR-RAG zu qualifizieren seien. Nur so könne sich der Antragsteller bei den erforderlichen Ermittlungen, ob der entzogene Grundbesitz noch zum Nachlaß gehöre oder entsprechende Rückübertragungs- oder Entschädigungsansprüche bestanden legitimieren.

Diese Ansicht würde im vorliegenden Fall – anders als die Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts – zur Zurückweisung der weiteren Beschwerde als unbegründet führen. Die Vorlage ist daher zulässig.

III.

Auch in der Sache teilt der Senat die Rechtsansicht des vorlegenden Gerichts weshalb sich die – zulässige weitere Beschwerde als begründet erweist.

1. Zutreffend gehen die Vorinstanzen davon aus, daß für die erbrechtlichen Verhältnisse an Grundstücken in der früheren DDR das Zivilgesetzbuch auch dann maßgebend ist, wenn der Erblasser (nach dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1976, aber) vor der Vereinigung Deutschlands mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt im Westen verstorben ist und daher im übrigen nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches beerbt wird (Senat, Beschluß vom 30.11.1994 – IV ZR 49/94 ZEV 1995, 32).

a) Nach Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB bleibt für erbrechtliche Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts gestorben ist. Welches Sachrecht danach anzuwenden ist, bestimmen die interlokalen Kollisionsregeln, die bereits vor der deutschen Einigung in der Bundesrepublik Deutschland gegolten haben und deren Fortgeltung als einziges interlokales Privatrecht der Einigungsvertrag voraussetzt (BGHZ 124, 270, 272; 127, 368, 370; BGH, Urteil vom 17.11.1994 – III ZR 70/93 – WM 1995, 124 = MDR 1995, 427 unter II 1, für BGHZ vorgesehen).

b) Danach ist der Erblasser entsprechend Art. 24 Abs. 1, 25 EGBGB a.F. nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches beerbt worden, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Westdeutschland hatte (vgl. BGH, Beschluß vom 6.7.1977 – IV ZB 63/75 – FamRZ 1977, 786, 787 unter III 2). Hätten zu seinem Nachlaß auch Grundstücke im Gebiet der ehemaligen DDR gehört, so wären insoweit in entsprechender Anwendung von Art. 28 EGBGB a.F.,(= Art. 3 Abs. 3 EGBGB n.F.) die dort geltenden „besonderen Vorschriften”, insbesondere § 25 Abs. 2 DDR-RAG, zur Anwendung gekommen. Nach dieser Norm bestimmten sich „die erbrechtlichen Verhältnisse in bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich in der Deutschen Demokratischen Republik befinden”, nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik, also für Erbfälle nach dem 1.1.1976 nach dem Zivilgesetzbuch. An einer auf diese Weise eingetretenen Nachlaßspaltung hat sich durch die Vereinigung Deutschlands nichts geändert.

2. Im vorliegenden Fall umfaßt der Nachlaß jedoch keine in der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücke. Insoweit kommen allenfalls Rückübertragungs- oder Entschädigungsansprüche nach §§ 3 ff. VermG in Betracht. Zu einer Nachlaßspaltung – mit der Folge, daß der Beteiligten zu 1) ein gegenständlich beschränkter Erbschein zu erteilen wäre könnte es nur gekommen sein, wenn auf die genannten Ansprüche § 25 Abs. 2 DDR-RAG unmittelbar oder entsprechend anzuwenden wäre. Das hat das vorlegende Oberlandesgericht aber zutreffend verneint.

a) Im Schrifttum ist umstritten, ob Ansprüche nach dem Vermögensgesetz in den Anwendungsbereich von § 25 Abs. 2 DDR-RAG fallen und deshalb zur Nachlaßspaltung führen (bejahend: Trittel, DNotZ 1992, 450, 452; Casimir, DtZ 1993, 362, 364; Lorenz, DStR 1993, 1224, 1227; Dieckmann, ZEV 1994, 198, 199; Rauscher, JR 1994, 485, 486f.;verneinend: Schotten/Johnen, DtZ 1991, 257, 260; Heldrich, Das Interlokale Privatrecht Deutschlands nach dem Einigungsvertrag, 1992 S. 23; Bestelmeyer, Rpfleger 1992, 229, 230; Märker, VIZ 1992, 174, 177; Bader, DtZ 1994, 22; Faßbender, DNotZ 1994, 359, 363; MünchKomm/Leipold, ErgBd. 3. Aufl., Art. 235 § 1 EGBGB Rdn. 18). Auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte werden beide Ansichten vertreten, allerdings sind die Unterschiede hier nicht so ausgeprägt. Während die Oberlandesgerichte Celle (DtZ 1992, 355 und OLG-Report 1994, 285, 286) und Oldenburg (Nds.Rpfl. 1992, 179, 180) sowie das vorlegende Oberlandesgericht Ham (ZEV 1995, 252) der Auffassung sind, Ansprüche nach dem Vermögensgesetz führten nicht zur Nachlaßspaltung, halten das Kammergericht (OLGZ 1992, 279, 284) und das Oberlandesgericht Zweibrücken (FamRZ 1992, 1474, 1475) immerhin für möglich, daß § 25 DDR-RAG auf Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüche anwendbar sei. Diese rechtlich mögliche Beurteilung reiche im Erbscheinsverfahren aus, um bei entsprechendem Antrag einen gegenständlich beschränkten Erbschein zu erteilen (ebenso: Schotten/Johnen, DtZ 1991, 257, 260; Bestelmeyer, Rpfleger 1992, 229, 230).

b) Die Anwendung des Rechts der Deutschen Demokratischen Republik als Recht der belegenen Sache würde voraussetzen, daß Vermögenswerte im Sinne von § 25 Abs. 2 DDR-RAG zum Nachlaß gehörten. Im Nachlaß des 1985 verstorbenen Erblassers befanden sich aber weder in der DDR gelegene Grundstücke noch Ansprüche nach dem Vermögensgesetz. Letztere entstehen vielmehr, wenn der Berechtigte nicht mehr lebt, originär in der Person seines Rechtsnachfolgers, also des Erben (Heldrich, aaO S. 22; Wasmuth in: Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Bd. II – Stand Nov. 1994 –, B 100 § 2 VermG Rdn. 24; Säcker/Hummert, Vermögensrecht 1. Aufl. 1995 § 2 VermG Rdn. 15). Schon daran scheitert eine – unmittelbare – Anwendung von § 25 Abs. 2 DDR-RAG (so zutreffend: Heldrich, aaO S. 23; Lorenz, DStR 1993, 1224, 1226).

c) Überdies stellen die Ansprüche nach dem Vermögensgesetz ihrer Rechtsnatur nach keine „anderen Rechte an Grundstücken” im Sinne von § 25 Abs. 2 DDR-RAG dar. Bei der Auslegung dieser Norm ist auf die Rechtspraxis der Deutschen Demokratischen Republik abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 27.1.1993 – XII ZR 178/91 – BGHR DDR-FGB § 41 Vertretungsbefugnis 1; Senat, BGHZ 124, 270, 276f.). Neben dinglichen Grundstücksrechten wurden unter „Rechten an einem Grundstück” auch mit dem Grundstück verbundene, gegen den Eigentümer gerichtete Forderungen (Steuern, Abgaben, Versicherungsbeiträge) verstanden sowie Guthaben, die aus Haus- oder Grundstückserträgnissen entstanden waren und objektgebunden den devisenrechtlichen Bestimmungen der DDR unterlagen (Kommentar des Ministeriums der Justiz zum Rechtsanwendungsgesetz 1. Aufl. 1989 § 25 RAG Anm. 2.2). Derartige Rechte können Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüchen nach §§ 3 ff. VermG nicht gleichgestellt werden. Bei ihnen handelt es sich um obligatorische, öffentlich-rechtlich ausgestattete und gegen den Staat gerichtete Ansprüche (BGHZ 118, 34, 36). Sie sind nicht an das Grundstückseigentum gebunden, sondern treten an dessen Stelle (vgl. Senat, BGHZ 123, 76, 79).

d) Gerade der letztgenannte Gesichtspunkt wird allerdings im Schrifttum herangezogen, um eineentsprechende Anwendung von § 25 Abs. 2 DDR-RAG auf Ansprüche nach dem Vermögensgesetz zu begründen. Dieckmann meint, „der Grundsatz der ‚Nachlaßspaltung’ (sei) entsprechend anzuwenden …, weil der ‚Ersatz’ für das Grundstück schwerlich anders behandelt werden (könne) als das Grundstück selbst” (ZEV 1994, 198, 199; ähnlich Lorenz, DStR 1993, 1224, 1226f.; Casimir, DtZ 1993, 369, 364). Der Senat teilt diese Auffassung nicht.

aa) Gegen eine Ausweitung innerdeutscher Fälle von Nachlaßspaltung spricht schon, daß es an der für eine Analogie erforderlichen Gesetzeslücke fehlt. Greift § 25 Abs. 2 DDR-RAG nicht ein, wird der Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Westdeutschland einheitlich nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches beerbt. Umgekehrt wird der Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Ostdeutschland, wenn er nach dem 1. Januar 1976 und vor dem 3. Oktober 1990 gestorben ist, nach dem Zivilgesetzbuch beerbt, das auch für die Frage zugrunde zu legen ist, wem Ansprüche aus dem Vermögensgesetz nach dem Tod des Enteigneten zustehen. Die erbrechtliche Teilhabe an Ansprüchen aus dem Vermögensgesetz folgt also denselben Regeln, die für die Aufteilung des Nachlasses im übrigen gelten, soweit es nicht zu einer Nachlaßspaltung kommt.

bb) Eine nachträgliche, nämlich erst mit der Entstehung der Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüche eintretende Nachlaßspaltung würde Sinn und Zweck von Art. 28 EGBGB a.F. (oder Art. 3 Abs. 3 EGBGB n.F.) widersprechen. Dem dort angeordneten Vorrang des Belegenheitsstatuts vor dem erbrechtlichen Gesamtstatut liegt das Interesse an der Vermeidung undurchsetzbarer Rechtslagen sowie die Auffassung zugrunde, die größere Sachnähe spreche für den Vorrang des Einzelstatuts (BT-Drucks. 10/504, S. 36f.; vgl. MünchKomm/Sonnenberger, BGB Bd. 7, 2. Aufl., Art. 3 EGBGB Rdn. 14; Staudinger/Graue, Einführungsgesetz zum BGB Teil 5, 12. Aufl., Art. 28 EGBGB a.F. Rdn. 1). Durchsetzungsschwierigkeiten sind aber nach der Vereinigung Deutschlands bei Ansprüchen aus dem Vermögensgesetz nicht mehr zu befürchten. Der Normzweck des § 25 Abs. 2 DDR-RAG, nämlich für Eigentums- und Nutzungsverhältnisse an Grundstücken und Gebäuden in der früheren DDR deren „untrennbaren Zusammenhang mit der ökonomischen und sozialen Entwicklung” zu gewährleisten (Kommentar des Ministeriums der Justiz zum RAG, 1. Aufl. 1989, Vorbem. zu §§ 25, 26 Anm. 2), ist entfallen. Die Rückübertragungs- und Entschädigungsansprüche des Vermögensgesetzes sind vielmehr eigens dafür geschaffen worden, die durch die politischen Verhältnisse in der früheren DDR bedingten Eigentumsänderungen zu korrigieren oder auszugleichen.

cc) Mit der Vereinigung Deutschlands hat die Nachlaßspaltung in bezug auf Grundvermögen in der ehemaligen DDR ihren Sinn verloren. Sie wird nur aufrechterhalten aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (BVerfGE 88, 70, 75; Heldrich, aaO S. 21). Abgeschlossene Vorgänge sollten – wie sich aus Art. 235 § 1 Abs. 1 und Art. 236 § 1 EGBGB ergibt – nicht nachträglich anderen rechtlichen Regelungen unterstellt werden. In diesem Sinne stellen aber Ansprüche, die das Vermögensgesetz eröffnet, keine abgeschlossenen und daher schutzbedürftigen Vorgänge dar, auch wenn das Vermögensgesetz als Teil des Einigungsvertrages (Anl. II Kap. III Sachgeb. B Abschn. I Nr. 5) in der früheren Deutschen Demokratischen Republik bereits am 29. September 1990, also wenige Tage vor dem Wirksamwerden des Beitritts, in Kraft getreten ist (vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Einigungsvertrages, DDR-GBl. 1990 I S. 1988). Solche Ansprüche sind vielmehr erst durch die Überwindung der deutschen Teilung möglich geworden. Der Senat hat deshalb, schon bevor er sich zur Bestimmung des gemäß Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen „bisherigen” Rechts für das interlokale Kollisionsrecht der Bundesrepublik Deutschland entschieden hatte (dazu BGHZ 124, 270, 272), die Anwendung des Kollisionsrechts der früheren Deutschen Demokratischen Republik (also auch des § 25 Abs. 2 DDR-RAG) jedenfalls insoweit ausgeschlossen, wie (Pflichtteils-)Ansprüche in Frage stehen, die überhaupt erst durch das Vermögensgesetz und seine Umsetzung ausgelöst werden (BGHZ 123, 76, 81). Freilich wäre es ein Mißverständnis, daraus verallgemeinernd zu entnehmen, daß erbrechtliche Folgen, die erst durch das Vermögensgesetz hervorgerufen werden, in jedem Fall nur nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu beurteilen sind und von der Aufteilung des Nachlasses, die der Erbfall als in der Vergangenheit abgeschlossener Vorgang nach sich gezogen hat, nicht berührt werden könnten (vgl. oben III 2 d aa).

3. Zu Recht ist das vorlegende Oberlandesgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, es könne im Erbscheinsverfahren nicht dahinstehen, ob diese Ansprüche als unbewegliches Vermögen im Sinne von § 25 Abs. 2 DDR-RAG zu behandeln und deshalb die erbrechtlichen Verhältnisse insoweit nach dem Recht der früheren DDR zu beurteilen seien. Die rechtliche Einordnung der Ansprüche nach dem Vermögensgesetz ist vielmehr im Erbscheinsverfahren abschließend zu klären, weil von ihr das anzuwendende Sachrecht abhängt. Sie betrifft eine materiell-rechtliche Voraussetzung des von der Beteiligten zu 1) in Anspruch genommenen und durch den Erbschein bezeugten Erbrechts. Daß die Rechtsfrage nicht offen bleiben kann, wird besonders in denjenigen Fällen deutlich, in denen sich nach dem Recht der früheren DDR eine andere Erbquote ergäbe als bei Anwendung des Bürgerlichen Rechts. Wenngleich dieser Gesichtspunkt hier keine Bedeutung erlangt, weil die Beteiligte zu 1) den Erblasser nach der vom Oberlandesgericht zugrunde gelegten Auslegung des Erbvertrages in jedem Falle – also bei Geltung des Zivilgesetzbuches wie des Bürgerlichen Gesetzbuches – allein beerbt hätte, erweist sich der Erbschein als unrichtig. Er ist daher einzuziehen (§ 2361 Abs. 1 BGB).

a) Der der Beteiligten zu 1) erteilte Erbschein bezeugt – gegenständlich beschränkt – die Geltung eines vom allgemeinen Erbstatut abweichenden Sachrechts (Henrich, FamRZ 1991, 1362; Müller-Rottach, BWNotZ 1991, 119, 120; OLG Zweibrücken, FamRZ 1992, 1474, 1476). Damit beschreibt er die materiell-rechtliche Stellung der Beteiligten zu 1) unzutreffend. Deren Rechtsstellung ist nämlich nicht allein dadurch gekennzeichnet, daß sie Alleinerbin geworden ist, sondern wird auch in anderer Hinsicht, etwa was das Pflichtteilsrecht oder die Erbenhaftung anbetrifft, durch das jeweilige Sachrecht bestimmt. Gerade die genannten beiden Bereiche sind aber im Zivilgesetzbuch und im Bürgerlichen Recht unterschiedlich geregelt (vgl. dazu Westen/Schleider, Zivilrecht im Systemvergleich, 1984, S. 787ff., insbesondere S. 817f., 826). Der der Beteiligten zu 1) erteilte Erbschein ist daher einzuziehen (ebenso wie ein Fremdrechtserbschein im Sinne von § 2369 Abs. 1 BGB, der das maßgebliche Recht unrichtig bezeichnet, vgl. dazu BayObLGZ 1961, 4, 22; KG, Rpfleger 1977, 307; MünchKomm/Promberger, BGB 2. Aufl. § 2361 Rdn. 3; Soergel/Damrau, BGB 12. Aufl. § 2361 Rdn. 5d).

b) Da sich die erbrechtlichen Verhältnisse – wie dargelegt – einheitlich nach Bürgerlichem Recht richten, ist der Erbschein auch unrichtig, soweit er in seinem Geltungsbereich beschränkt ist und dadurch auf eine eingetretene Nachlaßspaltung hinweist. Diese Unrichtigkeit rechtfertigt ebenfalls seine Einziehung (MünchKomm/Promberger, aaO).

4. Die Einziehung des Erbscheins hindert die Beteiligte zu 1) nicht, sich bei der Geltendmachung etwaiger Ansprüche nach dem Vermögensgesetz als Rechtsnachfolgerin des Erblassers zu legitimieren. Ist es zur Nachlaßspaltung nicht gekommen, reicht ein unbeschränkter Eigenrechtserbschein im Sinne von § 2353 BGB zur Legitimation aus.

5. Eine Entscheidung über die Kostenerstattung war nicht veranlaßt (§ 13a Abs. 1 Satz 1 FGG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 604896

BGHZ, 22

NJW 1996, 932

ZIP 1995, 1775

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