Verfahrensgang

Brandenburgisches OLG (Urteil vom 29.05.2002; Aktenzeichen 7 U 221/01)

LG Potsdam (Urteil vom 08.12.1999)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem durch Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. Mai 2002 teilweise bestätigten Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 8. Dezember 1999 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte hat mit der VE EHB (HO) Gaststätten Potsdam einen Nutzungsvertrag über eine Gaststätte abgeschlossen. Das Landgericht hat die Beklagte in zwei selbständigen Verfahren zur Zahlung von rückständigem Mietzins und Nebenkosten und zur Räumung und Herausgabe der Gaststättenräume verurteilt. Es hat das Räumungsurteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und der Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte hat gegen beide Urteile Berufung eingelegt und jeweils Klagabweisung beantragt. Sie hat weiter beantragt, das Räumungsurteil des Landgerichts hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit dahin abzuändern, daß es für nicht vorläufig vollstreckbar erklärt wird, hilfsweise es im Rahmen der Vollstreckung auf die in § 720 a Abs. 1, 2 ZPO bezeichneten Maßregeln zu beschränken und weiter hilfsweise ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden. Das Oberlandesgericht hat hierauf die Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil des Landgerichts gegen Sicherheitsleistung der Beklagten von 42.000 DM eingestellt.

Mit Urteil vom 29. Mai 2002 hat das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gewendet hat; im übrigen hat es der Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen. Es hat das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt und bezüglich des Kostenerstattungsanspruchs den Parteien eine gegenseitige Abwendungsbefugnis durch Sicherheitsleistung gestattet. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen.

Die Beklagte hat Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Klägerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem für vorläufig vollstreckbar erklärten Räumungsurteil. Die Beklagte beantragt, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung des Senats in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Einstellungsantrag der Beklagten ist unbegründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zulässig und begründet ist und ob, wenn der Senat ihr stattgeben würde, die Revision der Beklagten Aussicht auf Erfolg hätte. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die besonderen Voraussetzungen für eine solche Einstellung (§ 719 Abs. 2 ZPO) nicht gegeben sind.

Für den Fall, daß gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Revision eingelegt wird, sieht das Gesetz in § 719 Abs. 2 ZPO eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur vor, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ein letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners angesehen, dem regelmäßig der Erfolg zu versagen ist, wenn der Schuldner es versäumt hat, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre (st. Rspr. vgl. Senatsbeschluß vom 3. Juli 1991 – XII ZR 262/90 – NJW-RR 1991, 1216). Das gilt auch dann, wenn die Vollstreckung die Gefahr des Existenzverlustes eines Gaststättenbetreibers zur Folge hat (vgl. Senatsbeschluß vom 7. September 1999 – XII ZR 237/99 – BGHR ZPO § 719 Abs. 2 Einstellungsgründe 3). An dieser Voraussetzung für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung fehlt es hier.

Die Beklagte hat im Berufungsrechtszug zwar einen Vollstreckungsschutzantrag dahin gestellt, den Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Urteil des Landgerichts abzuändern, dem das Berufungsgericht durch einstweilige Einstellung gegen Sicherheitsleistung der Beklagten gemäß §§ 707, 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO entsprochen hat. Dieser Antrag ersetzt jedoch nicht den erforderlichen Antrag nach §§ 712, 714 ZPO dahin, daß das Berufungsgericht ihr auch bei seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren solle (BGH Beschlüsse vom 3. Oktober 1989 – VI ZR 277/89 – VersR 1990, 994, vom 3. Februar 1993 – IV ZR 229/92 – BGHR ZPO § 719 Abs. 2 Nachteil 3). Einen solchen Antrag hat die Beklagte nicht gestellt. Nur ein solcher Antrag hätte aber den oben dargelegten Anforderungen genügt.

Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, daß es ihr im Berufungsrechtszug aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, einen entsprechenden Schutzantrag zu stellen (Senatsbeschluß vom 3. Juli 1991 aaO).

 

Unterschriften

Hahne, Wagenitz, Fuchs, Ahlt, Vézina

 

Fundstellen

Haufe-Index 846695

NJW-RR 2002, 1650

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