Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. September 2007 über die Entschädigung des Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft aufgehoben. Eine Entschädigung für die in dieser Sache erlittene Untersuchungshaft wird nicht gewährt.

2. Die Kosten des Rechtsmittels hat der Angeklagte zu tragen.

 

Gründe

Rz. 1

In dem freisprechenden Urteil vom 19. September 2007 hat das Landgericht Frankfurt am Main entschieden, der Angeklagte sei für die in dieser Sache vom 22. Februar bis 9. Dezember 2005 erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft war die Entscheidung über die Entschädigung aufzuheben und gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG zu entscheiden, dass eine Entschädigung nicht gewährt wird.

Rz. 2

Es liegt, wie die Staatsanwaltschaft mit der sofortigen Beschwerde zutreffend dargelegt hat, ein Ausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG vor. Es kann dahinstehen, ob ein Fall grob fahrlässiger Verursachung der Strafverfolgungsmaßnahme schon darin gesehen werden könnte, dass der Angeklagte durch eine unzureichende Organisation und Kontrolle des Geschäftsablaufs in seiner Praxis Möglichkeiten für manipulatives Verhalten und für Fälschungen durch Angehörige des Praxispersonals und Dritte schuf und begünstigte.

Rz. 3

Jedenfalls die Einlassungen des Angeklagten bei seiner Vernehmung am 1. März 2005 in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt, wonach er in 604 Fällen die Unterschrift unter ihm in Kopie vorgelegte inhaltlich falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen „als von ihm stammend anerkannt” hat, sind als grob fahrlässige Verursachung der Strafverfolgungsmaßnahme anzusehen. Es lag auf der Hand, dass ein solches „Anerkenntnis”, auch wenn der Angeklagte im Weiteren erklärte, zum Zustandekommen der Bescheinigungen nichts weiter sagen zu können, ein gravierender Anhaltspunkt für eine Tatbeteiligung des Angeklagten war. Irgendwelche Relativierungen, wie sie etwa der in gleicher Weise vernommene Praxisvertreter Dr. R. vorgenommen hat, hat der Angeklagte nicht erklärt. Ein solches Aussageverhalten, das sich auch durch die vom Landgericht erörterte Haft- und Vernehmungssituation allein nicht erklären lässt, ließ in ungewöhnlichem Maß die Sorgfalt außer Acht, die ein verständiger Mensch in dieser Lage anwenden würde, um sich vor Schaden durch die Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, und ist daher als grob fahrlässig im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG anzusehen (vgl. Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 5 StrEG Rdn. 9, 11 m.w.N.). Eine Entschädigung war aus diesem Grund ausgeschlossen.

 

Unterschriften

Rissing-van Saan, Rothfuß, Fischer, Appl, Cierniak

 

Fundstellen

Haufe-Index 2564547

StraFo 2008, 352

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