Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltung der Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Eintritt der Rechtskraft eines streitentscheidenden Beschlusses gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Wiederaufnahme des Verfahrens für das Insolvenzverfahren entsprechend.

 

Normenkette

InsO § 4; ZPO § 578 ff.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 29.10.2004; Aktenzeichen 1 T 390/04)

AG Köln (Entscheidung vom 15.09.2003; Aktenzeichen 72 IN 494/03)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Köln vom 29.10.2004 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.

Die Anträge der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Bestellung eines Notanwalts werden zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das Insolvenzgericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin als unzulässig abgewiesen. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin führte vorläufig zum Erfolg; das LG hat die angefochtene Entscheidung mit Beschluss vom 20.4.2004 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Schuldnerin hat der Senat mit Beschluss vom 16.7.2004 als unzulässig verworfen. Gegenvorstellungen der Schuldnerin hat das LG mit Beschluss vom 5.7.2004 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 27.9.2004 hat die Schuldnerin Restitutionsklage gem. § 580 Nr. 7b ZPO zum LG erhoben. Diesen Rechtsbehelf hat das LG als sofortige Beschwerde gegen seinen Beschluss vom 20.4.2004 gewertet und diese als unzulässig verworfen. Hiergegen hat die Schuldnerin Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit den Anträgen verbunden, ihr für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Notanwalt zu bestellen.

II.

Die Rechtsbeschwerde und die weiteren Anträge der Schuldnerin bleiben erfolglos.

1. Die unbedingt eingelegte Rechtsbeschwerde ist schon deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet ist (§ 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO; vgl. BGH, Beschl. v. 21.3.2002 - IX ZB 18/02, BGHReport 2002, 849 = MDR 2002, 962 = WM 2002, 1512).

2. Der Antrag der Schuldnerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Auch eine erneut beim BGH durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegende Rechtsbeschwerde müsste als unzulässig verworfen werden. Ein solches Rechtsmittel würde nicht die in § 575 Abs. 1 ZPO vorgesehene, nicht verlängerbare Einlegungsfrist wahren. Zwar kann der mittellosen Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Einlegungsfrist gewährt werden, wenn sie innerhalb der Frist ein ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch einreicht (vgl. BGH, Beschl. v. 21.2.2002 - IX ZA 10/01, BGHReport 2002, 570 = MDR 2002, 774 = NJW 2002, 2180; v. 9.10.2003 - IX ZA 8/03, n.v.). Daran fehlt es jedoch:

Die Schuldnerin hat zwar innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Diesem Antrag lag jedoch entgegen § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO keine Erklärung der Schuldnerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei. Ferner fehlte eine Darlegung zu den Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Es ist nicht erkennbar, dass die Schuldnerin ohne ihr Verschulden gehindert war, einen ordnungsgemäß begründeten Prozesskostenhilfeantrag innerhalb der Einlegungsfrist des § 575 Abs. 1 ZPO zu stellen (vgl. BGH, Beschl. v. 21.2.2002 - IX ZA 10/01, BGHReport 2002, 570 = MDR 2002, 774 = NJW 2002, 2180; v. 9.10.2003 - IX ZA 8/03, n.v.); die Gerichte treffen insoweit keine besonderen Hinweispflichten (BFH v. 1.7.2002 - VII B 98/02, BFH/NV 2002, 1337; Beschl. v. 9.12.2004 - VII S 21/04, n.v.). Hieran ändert die am letzten Tag der Einlegungsfrist beim BGH eingegangene Bitte der Schuldnerin "um entsprechende Unterweisung des Gerichtes und Übersendung der entsprechenden Vordrucke" nichts. Es ist nach dem Vortrag der Schuldnerin und nach der Aktenlage nicht erkennbar, wieso sie die erforderlichen Angaben, deren Notwendigkeit ihr ersichtlich bekannt ist, nicht innerhalb der Notfrist des § 575 Abs. 1 ZPO gemacht hat.

3. Da aus den zuvor genannten Gründen die Rechtsverfolgung durch die Schuldnerin aussichtslos erscheint, war ihr auch ein Notanwalt gem. § 78b ZPO nicht beizuordnen, zumal sie nicht dargelegt hat, dass sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt, der beim BGH zugelassen ist, nicht gefunden hat.

4. Zu der Begründung des LG, das Rechtsinstitut der Restitutionsklage sei im Insolvenzverfahren "unsinnig", bemerkt der Senat ergänzend: In der neueren Rechtsprechung und Literatur wird übereinstimmend vertreten, dass aufgrund der Verweisung in § 4 InsO auch die §§ 578 ff. ZPO über die Wiederaufnahme des Verfahrens im Insolvenzverfahren grundsätzlich anwendbar sind; über das Wiederaufnahmegesuch ist im Beschlussverfahren zu entscheiden (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1965, 1023 [1024]; LG Münster NZI 2001, 485 f.; Ganter in MünchKomm/InsO, § 4 Rz. 90; HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl., § 4 Rz. 17; Henckel/Gerhardt, InsO § 4 Rz. 53; Uhlenbruck, InsO 12. Aufl., § 4 Rz. 38; Kübler/Prütting, InsO § 4 Rz. 23; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., vor § 578 Rz. 40; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 158 Rz. 17). Insoweit wird ein Wiederaufnahmegesuch gegen urteilsvertretende Beschlüsse als statthaft erachtet (Braun in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 578 Rz. 19 f., 23; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., vor § 578 Rz. 40); im früheren Konkursverfahren wurde für eine Wiederaufnahme vorausgesetzt, dass ein rechtskräftiger Beschluss ergangen ist, der die bürgerlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen am Verfahren beteiligten Personen mit materieller Rechtskraft festlegt (OLG Karlsruhe NJW 1965, 1023 [1024]). Hier liegt aber kein urteilsvertretender Beschluss vor, so dass der Restitutionsantrag der Schuldnerin auch bei richtiger verfahrensrechtlicher Behandlung keinen Erfolg gehabt hätte. Denn eine die Rechtsbeziehungen zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin verbindlich regelnde, rechtskräftige Entscheidung ist in dem Beschluss des LG vom 20.4.2004 nicht getroffen worden. Das Beschwerdegericht hat lediglich die Auffassung des AG beanstandet, die Gläubigerin habe die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht glaubhaft gemacht, und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Zulässigkeit des Eröffnungsantrags zurückverwiesen. Selbst zu der vom LG angenommenen Glaubhaftmachung des Eröffnungsgrundes steht es der Schuldnerin frei, in dem weiteren Verfahren der vom LG bejahten Glaubhaftmachung der Zahlungsunfähigkeit (§§ 14 Abs. 1, 17 InsO) durch Gegenglaubhaftmachung neuer Tatsachen entgegenzutreten (§ 582 ZPO).

 

Fundstellen

NJW 2006, 2410

BGHR 2006, 669

FamRZ 2006, 552

NJW-RR 2006, 912

ZIP 2006, 587

DZWir 2006, 297

MDR 2006, 1008

NZI 2006, 234

NZI 2007, 6

ZInsO 2006, 259

ZVI 2006, 117

ZVI 2006, 35

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