Leitsatz (amtlich)

Eine Zulassung der Berufung muss nicht zwingend im Tenor des amtsgerichtlichen Urteils ausgesprochen sein. Es genügt, wenn sie lediglich in den Gründen des Urteils enthalten ist (Anschluss an BGH, Urt. v. 8.3.1956 - III ZR 265/54, BGHZ 20, 188, 189 [Zulassung der Revision]).

 

Normenkette

ZPO § 511

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 02.11.2015; Aktenzeichen 57 S 164/15)

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Entscheidung vom 25.06.2015; Aktenzeichen 14 C 409/14)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss der Zivilkammer 57 des LG Berlin vom 2.11.2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Wert des Beschwerdeverfahrens: Wertstufe bis 500 EUR.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Die Parteien streiten um den Bestand von Ansprüchen aus einem Stromlieferungsvertrag sowie die Rückgewähr von Überzahlungen. Das AG, das den Streitwert auf insgesamt 531,07 EUR festgesetzt hat, hat die Klage abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es vor der erteilten Rechtsmittelbelehrung ausgeführt:

"Die Berufung ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung besitzt bzw. die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO."

Rz. 2

Die hiergegen vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht unter Festsetzung eines Streitwerts für die Berufungsinstanz auf bis zu 500 EUR als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR nicht übersteigt. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Rz. 3

1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch nach § 574 Abs. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Unrecht nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Indem es dabei dem Beklagten den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise versagt hat, hat es zugleich dessen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) in zulassungsrelevanter Weise verletzt (st.Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 8.4.2014 - VIII ZB 30/13, WuM 2014, 427 Rz. 7; v. 4.6.2014 - IV ZB 2/14, NJW-RR 2014, 1102 Rz. 7; jeweils m.w.N.).

Rz. 4

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Rz. 5

Die Rechtsbeschwerde weist mit Recht darauf hin, dass es im Streitfall für die Statthaftigkeit der Berufung auf den Wert des Beschwerdegegenstandes nicht ankommt. Die Berufung ist vielmehr gem. § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil das Gericht des ersten Rechtszuges - mit Bindungswirkung für das Berufungsgericht - die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen hat. Diese Zulassung, die nicht zwingend im Tenor des amtsgerichtlichen Urteils ausgesprochen sein musste, sondern - wie hier - lediglich in den Gründen enthalten zu sein brauchte (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.1956 - III ZR 265/54, BGHZ 20, 188, 189 [zur Zulassung der Revision]; vgl. auch BGH, Beschl. v. 15.6.2011 - II ZB 20/10, WM 2011, 1335 Rz. 1), hat das Berufungsgericht nicht zur Kenntnis genommen und dadurch dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise vereitelt.

Rz. 6

3. Die Sache ist danach unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO), welches dem Berufungsverfahren mit den sodann zu treffenden Entscheidungen Fortgang zu geben hat.

Rz. 7

4. Die Entscheidung über die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 9176822

NJW 2016, 1179

FA 2016, 138

WM 2016, 1853

JZ 2016, 314

MDR 2016, 476

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