Normenkette

§ 3 Abs. 2 S. 1 WEG, § 7 Abs. 4 Nr. 2 WEG, § 2 RsprEinhG, § 11 RsprEinhG, Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen vom 19. 3. 1974, Einigungsvertrag

 

Kommentar

Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes muss nunmehr die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt werden, ob Wohnungen und sonstige Räume in bestehenden Gebäuden nur dann im Sinne von § 3 Abs. 2 S. 1 WEG in sich abgeschlossen sind, wenn die Trennwände und Trenndecken den Anforderungen entsprechen, die das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes an Neubauten stellt.

Das OLG Stuttgart hatte diese Frage aufgrund Abweichung zur Rechtsprechung des BayObLG dem BGH vorgelegt. Grundlage der Streitfrage waren die Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. 5. 1989 (NJW-RR 1990, 27) und des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. 7. 1989 (NJW 1990, 848), die baubehördliche Verweigerungen der Erteilung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen bei Umwandlungen von Altbauten in Wohnungseigentum dann als rechtens bestätigten, wenn nach Bauordnungs-Landesrecht Schall-, Wärme- und Brandschutzanforderungen an Trenndecken und Trennwänden nicht ausreichend seien, um störungsfreies Wohnen sicherzustellen.

Der BGH widerspricht jetzt dieser restriktiven Meinung der Verwaltungsgerichte, dass das Bauordnungsrecht Maßstab für das im WEG aufgestellte Erfordernis der Abgeschlossenheit sei, setzte das Verfahren aus und legte die Rechtsfrage zur Entscheidung dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vor (§§ 2, 11 RsprEinhG). Das Abgeschlossenheitsbescheinigungserfordernis bezwecke nur die eindeutige Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche, wie sich dies schon aus der Entstehungsgeschichte des Wohnungseigentumsgesetzes ergebe; hingewiesen wird hier auf den Regierungsentwurf des WEG. Das Abgeschlossenheitserfordernis solle primär zur Vermeidung aller jener Streitigkeiten beitragen, die auf unklaren tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen beruhten und seinerzeit das Stockwerkseigentum alter Art in Verruf gebracht hätten. Ein im bauordnungsrechtlichen Sinne störungsfreies Wohnen zu fordern, würde den Schutzzweck der Abgeschlossenheit überspannen. Bauordnungsrechtliche Prämissen seien nicht vom Sinn des § 3 Abs. 2 WEG abgedeckt; die Abgeschlossenheitsbescheinigung bestätigte nur die bauliche Abgrenzung der Sondereigentumsbereiche. Bei Erlass des WEG im Jahr 1951 war der Begriff der Abgeschlossenheit auch kein schon allgemein im Bauordnungsrecht vorgegebener Begriff. Im Übrigen hätten die Verwaltungsgerichte verkannt, dass in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Ausstellung von Bescheinigungen vom 19. 3. 1974 ein Unterschied gemacht sei zwischen bestehenden und erst noch zu errichtenden Gebäuden. Aus Nr. 8 dieser Verwaltungsvorschrift sei der Umkehrschluss zu ziehen, dass jedenfalls bei schon bestehenden Gebäuden die Erteilung der Bescheinigung nicht von einer bauordnungsrechtlichen Abgeschlossenheit abhänge (vgl. ebenso Trendel, Baurecht 1984, 215, 220; Schmidt, DNotZ 1990, 251, 254 und auch Deckert, ZfBR 1990, 109).

Der BGH sehe auch nicht ein, warum im Fall vermieteter zur Umwandlung anstehender Wohnungen aus wohnungseigentumsrechtlichen Gründen die faktisch unverändert fortbestehenden Wohnverhältnisse unter dem Gesichtspunkt störungsfreien Wohnens plötzlich - im Fall der Umwandlung - nicht mehr hinnehmbar sein sollten. Bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte könnten also - wenn überhaupt - nur für die Abgeschlossenheit erst zu errichtender Bauten herangezogen werden. Würde anderes gelten, käme im Übrigen dem bundesrechtlichen Abgeschlossenheitsbegriff des WEG eine uneinheitliche Ausformung durch nicht notwendig uniformes Landesrecht zu, eine Konformität zwischen WEG und Landesbauordnungen wäre hinsichtlich der Anforderungen an den Wohnungsabschluss nicht gegeben (ebenso Bub, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 69, 80). Jede andere Regelung würde zu unerwünschten anderen Modellen der Umwandlung führen (vgl. zum Bruchteilsmodell, Deckert, WE 1990, 75 und ZfBR 1990, 109; Mutschler, WE 1990, 167; Pause, NJW 90, 3178). Auch mietpolitische Erwägungen (gegen eine Erschwerung der Umwandlung von Miet- und Wohnungseigentum aus wohnungswirtschaftlicher Sicht allerdings z. B. Voelskow, Festschrift für Bärmann und Weitnauer, 1990, S. 685, 695) würden kein anderes Ergebnis rechtfertigen, da das WEG als Flankenschutz des sozialen Mietrechts und des Mietwohnungsbaus weder gedacht gewesen noch geeignet sei; das WEG dürfe dafür nicht eingesetzt werden, solange nicht der Gesetzgeber selbst anderes entscheidet.

Altbauten würden keine Sonderstellung einnehmen, die Veranlassung geben müssten, insoweit die Begründung von Wohnungseigentum zu erschweren. Für die baupolitisch wichtige Erhaltung, Instandsetzung und Modernisierung älterer Wohn- und Gewerbegebäude könne oft das dazu notwendige Privatkapital nach wie vor nur durch die Schaffung von Wohnungseigentum gewonnen werden (Liquiditätsfreisetzung ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge