Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Ermittlung des Schadensbetrages von Kriegssachschäden im Rahmen der Veranlagung zur Vermögensabgabe gemäß § 42 Abs. 1 LAG ist § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes anzuwenden.

 

Normenkette

LAG § 42 Abs. 1; FeststG § 8 Abs. 2 Ziff. 4

 

Tatbestand

Die Abgabepflichtige erlitt in den Jahren 1943 und 1945 Kriegssachschäden. Der Verlust des Jahres 1943 in Höhe von rund 106.000 RM wurde ihr nach der Kriegssachschädenverordnung teils zu 100 % teils zu weit über 50 % ersetzt. Für die Verluste aus dem Jahre 1945 in Höhe von rund 57.000 RM wurde noch keine Entschädigungsleistung gewährt. Der für die Ermäßigung der Vermögensabgabe maßgebende Schadensbetrag wurde gemäß § 46 der Zehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (10. AbgabenDV-LA = VA-VeranlDV) einheitlich und gesondert auf insgesamt 56.875 DM festgestellt. Die Verluste aus dem Jahre 1945 wurden anerkannt, die Berücksichtigung der Verluste aus dem Jahre 1943 jedoch gemäß § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden (Feststellungsgesetz) in der Fassung vom 14. August 1952 (BGBl I S. 534 ff.) versagt. Hiergegen erhob die Abgabepflichtige Einspruch mit der Begründung, § 8 des Feststellungsgesetzes sei für die Festsetzung der Vermögensabgabe bedeutungslos, da diese Vorschrift lediglich die Schadensermittlung für die Ausgleichsleistungen regele. Die Abgabepflichtige beantragte, den Schaden gemäß § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes nach dem Einheitswertunterschied des Betriebsvermögens vom 1. Januar 1940 zum 21. Juni 1948, der einen Mehrbetrag in Höhe von 201.600 RM aufweise, festzusetzen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung beantragte die Abgabepflichtige, die in RM erhaltenen Entschädigungszahlungen bei der Berechnung der Ermäßigung der Vermögensabgabe unberücksichtigt zu lassen.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und führte aus: Nach § 41 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) seien Kriegssachschäden im Sinne des § 39 Abs. 1 Ziff. 1 LAG nach den Vorschriften des Feststellungsgesetzes zu berechnen. Die Vorschriften über die Schadensberechnung seien aber im Feststellungsgesetz erst in den §§ 13 ff. und nicht schon im § 8 enthalten. Dieser zweite Abschnitt des Feststellungsgesetzes, der mit dem § 12 beginne, trage auch ausdrücklich die überschrift "Schadensberechnung". Der erste Abschnitt des Feststellungsgesetzes (§§ 1 bis 11) enthalte lediglich Bestimmungen über die feststellbaren Vermögensverluste und die antragsberechtigten Personen. Er sei für die Minderung der Vermögensabgabeschuld nicht von Bedeutung. Das Finanzgericht ist der Ansicht, daß dieser wortgetreuen Anwendung des § 41 LAG der Vorzug zu geben ist; es meint, wenn man sich der vom Finanzamt vertretenen Ansicht anschließe, würde das eine Anwendung der genannten Vorschrift gegen ihren Wortlaut und eine Einengung der Vergünstigungsvorschrift des § 41 LAG bedeuten. Die Tatsache, daß für die Verluste im Jahre 1943 Entschädigungszahlungen in RM geleistet worden sind, werde für die Berechnung der Abgabeschuld schon hinreichend dadurch berücksichtigt, daß das Vermögen am maßgebenden Stichtage (21. Juni 1948) entsprechend höher war, als es ohne diese Entschädigungsleistungen gewesen wäre. Der in den Jahren 1943 und 1945 in Höhe von 164.999 RM tatsächlich entstandene Schaden liege unter dem Einheitswertunterschied, der einen Mehrbetrag in Höhe von 201.600 RM / DM ergebe. In einem solchen Falle könne als Schadensbetrag nur der tatsächlich erlittene Kriegsschaden anerkannt werden.

Der Vorsteher des Finanzamts ist in seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) der Ansicht, § 8 des Feststellungsgesetzes sei auch bei der Vermögensabgabe anzuwenden.

Der Bundesminister der Finanzen ist gemäß § 287 Ziff. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) dem Verfahren beigetreten und hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:

Die Anwendung des § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes bei der Vermögensabgabe lasse sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut herleiten. Das Wort "berechnen" in § 41 LAG habe die gleiche Bedeutung wie in § 238 LAG mit gleichem Wortlaut, beziehe sich also nur auf die Berechnung nach dem Feststellungsgesetz feststellbarer Schäden. Im zweiten Abschnitt des Feststellungsgesetzes (§§ 12 bis 22) sei jeweils nur von solchen Schäden die Rede, die "festzustellen" seien. Die Wortfassung des § 41 Abs. 1 LAG beschränke sich aber keineswegs auf die §§ 12 bis 22 des Feststellungsgesetzes, sondern beziehe sich auf das Feststellungsgesetz schlechthin.

Nach § 33 Abs. 4 Satz 1 des Feststellungsgesetzes sei die vom Finanzamt bei der Veranlagung der Vermögensabgabe getroffene Schadensberechnung für die Feststellung eines Kriegssachschadens bindend, soweit die Schadensberechnung für die Höhe der Vermögensabgabe von Bedeutung sei. Diese mit der Aufgabenteilung zwischen Finanzbehörden und Ausgleichsbehörden in engstem Zusammenhang stehende und daher erst durch das LAG eingefügte Vorschrift habe ihr Gegenstück in § 43 Abs. 1 LAG. Die wechselseitige Bindung könne nicht erreicht werden, wenn für die Schadensberücksichtigung verschiedenartige materielle Vorschriften gelten würden. Werde § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes bei der Vermögensabgabe im Rahmen des § 41 LAG nicht angewendet, so würden nach § 33 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes, der die Bindung mit Wirkung "für die Feststellung" vorschreibe, auch solche Kriegssachschäden festzustellen und damit durch Entschädigungsleistungen abzugelten sein, die durch § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes ausdrücklich von der Feststellung ausgenommen seien. Es würde dann lediglich von der Zuständigkeit für die Schadensberechnung (Finanzamt oder Ausgleichsamt) abhängen, ob bei im übrigen gleichliegenden Schadenstatbeständen ein Anspruch auf Entschädigungsleistungen bestehe oder entfalle. Das müsse aber zu völlig sinnwidrigen Ergebnissen führen und könne daher vom Gesetzgeber nicht gewollt sein.

Die Anwendung des § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes sei aus sachlichen Gründen zur Vermeidung sinnwidriger Ergebnisse geboten. Das Feststellungsgesetz enthalte die Grundlagen und Maßstäbe für die Berücksichtigung der durch Gewährung von Ausgleichsleistungen oder durch Ermäßigung der Vermögensabgabe abzugeltenden Kriegsschäden. Aus dieser Zielsetzung sei zu folgern, daß - soweit nicht im LAG Abweichendes bestimmt worden sei - der gesamte materielle Inhalt des Feststellungsgesetzes einheitlich sowohl für die Leistungsseite als auch für die Abgabenseite des Lastenausgleichs gelte. Würde § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes auf der Abgabenseite nicht angewendet werden, so würden sich nahezu unlösbare Probleme bei der Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 249 Abs. 3 LAG ergeben. Danach sei der Grundbetrag der Hauptentschädigung um den Betrag zu kürzen, um den die Vermögensabgabe des Geschädigten "wegen der bei der Berechnung des Schadensbetrages berücksichtigten Schäden" nach §§ 39 bis 47 a LAG ermäßigt worden sei. Würden durch Ermäßigung der Vermögensabgabe neben Schäden, die begrifflich nicht unter § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes fallen, auch Kriegssachschäden zu berücksichtigen sein, auf die die Merkmale des § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes zuträfen, so müßte beim Zusammentreffen beider Arten von Schäden für Zwecke der Kürzung des Grundbetrages nach § 249 Abs. 3 LAG der Vermögensabgabeermäßigungsbetrag in einen kürzungspflichtigen und einen kürzungsfreien Teil aufgeteilt werden. Eine solche "Aufteilung" der Vermögensabgabeermäßigung würde auch gegen die Vorschrift in § 2 Abs. 1 der Neunten Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz (9. LeistungsDV-LA) verstoßen, wonach im Falle der Ziff. 1 die einem Abgabepflichtigen als unmittelbar Geschädigten gewährte Vermögensabgabeermäßigung stets voll vom Grundbetrage der Hauptentschädigung abzusetzen sei. Auch diese Vorschrift bestätigte die Auffassung, daß es in der Anwendung des § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes keinen Unterschied zwischen Abgaben- und Entschädigungsseite geben könne.

Die in § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes vorgeschriebene Vergleichsrechnung könne nur in der Weise vorgenommen werden, daß die an einer wirtschaftlichen Einheit insgesamt entstandenen Kriegssachschäden den insgesamt gewährten Entschädigungszahlungen gegenübergestellt würden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Mit dem Finanzgericht ist davon auszugehen, daß gemäß § 41 Abs. 1 LAG Kriegssachschäden nach den Vorschriften des Feststellungsgesetzes zu berechnen sind. Es kann der Vorinstanz aber nicht darin gefolgt werden, daß nach dieser Fassung nur die Vorschriften des zweiten Abschnitts des Feststellungsgesetzes (§§ 12 ff.) gemeint seien, der erste Abschnitt, in dem auch der § 8 stehe, für die Minderung der Vermögensabgabeschuld ohne Bedeutung sei. Im Gesetz sind - teils im ersten (ß 8) und teils im zweiten Abschnitt (§§ 13 Abs. 2, 14) - Schadenstatbestände aufgeführt, die nicht durch Ermäßigung der Vermögensabgabe berücksichtigt werden können. Dem Bundesminister der Finanzen ist darin zuzustimmen, daß eine Berechnung nur für solche Schäden zum Zuge kommt, deren Feststellung vom Gesetz nicht ausdrücklich ausgenommen ist. Es kann dabei keine materielle Folgerung daraus gezogen werden, ob diese Ausnahme im ersten oder im zweiten Abschnitt steht; aus der Art der Eingruppierung allein können jedoch die schwerwiegenden, sich aus der Vorentscheidung ergebenden materiellen Folgerungen nicht hergeleitet werden.

Da § 8 des Feststellungsgesetzes die dort genannten Vermögensverluste aus sachlichen Gründen von der Schadensberücksichtigung ausschließt, kann es keinen Unterschied machen, ob die Schadensfeststellung im Rahmen des § 42 LAG vom Finanzamt oder aber vom Ausgleichsamt erfolgt. Der materiell-rechtliche Inhalt des Feststellungsgesetzes soll für den gesamten Lastenausgleich gelten; geht man aber davon aus, darf sich keine unterschiedliche Behandlung je nachdem ergeben, in welchem Verfahren der Schaden festgestellt wird. § 8 Abs. 2 Ziff. 4 des Feststellungsgesetzes kommt gemäß § 43 Abs. 1 LAG ohne Zweifel zur Anwendung, wenn es sich um Vertreibungsschäden natürlicher Personen handelt, weil in diesen Fällen die Schadensfeststellung durch das Ausgleichsamt Voraussetzung für die Berücksichtigung ist. Auch die durch § 43 Abs. 1 LAG und § 33 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes angeordnete gegenseitige Bindung der getroffenen Feststellungen ist nur sinnvoll, wenn die Vorschriften darüber, ob ein abgeltungsfähiger Tatbestand vorliegt, in beiden Verfahren gleichmäßig angewandt werden. Schließlich ist dem Bundesminister der Finanzen auch darin beizutreten, daß die enge Verzahnung der Abgaben mit der Leistungsseite des LAG eine gleiche Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften des Feststellungsgesetzes für beide Seiten bedingt.

Diese Auslegung ist mit dem Wortlaut des § 41 Abs. 1 LAG vereinbar und nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes geboten; das Wort "berechnen" will nicht nur die Art der Schadensberechnung, sondern auch den Umfang der hierbei zu berücksichtigenden Schäden im Sinne des Feststellungsgesetzes zum Ausdruck bringen.

Aber auch die Einspruchsentscheidung des Finanzamts ist aufzuheben, weil sie auf der gesonderten Behandlung der verschiedenen Schadensereignisse beruht; nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 325/57 S vom 20. März 1959 (BStBl 1959 III S. 313) ist der an einer wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens während der Dauer des Krieges insgesamt entstandene Schaden der Summe der Entschädigungszahlungen gegenüberzustellen, die zur Abgeltung der Schäden an dieser wirtschaftlichen Einheit geleistet worden sind.

Wie sich die Zusammenrechnung der Kriegssachschäden in den Entschädigungszahlungen auswirkt, ist bisher nicht geklärt, zumal der Inhalt der Akten erkennen läßt, daß aus Entschädigungszahlungen wiederbeschaffte Wirtschaftsgüter durch spätere Schadensereignisse erneut verlorengegangen sind (ß 8 Abs. 2 Ziff. 4 letzter Halbsatz LAG). Diese Fragen müssen geprüft werden, da ihre Beantwortung auf die Höhe des festzustellenden Schadens von Einfluß ist. Die Sache geht daher an das Finanzamt zurück mit der Weisung, die Kriegssachschäden unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen neu zu berechnen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409453

BStBl III 1959, 399

BFHE 1960, 372

BFHE 69, 372

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