Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Stellt bei Abzahlungsverkäufen der verkaufende Händler für die einzelnen Abzahlungsbeträge, die die Finanzierungskosten mit einschließen, Wechsel aus, die er von dem Käufer der Ware mit Annahmeerklärung versehen läßt und sodann einem Finanzierungsinstitut aushändigt, so ist ein Leistungsaustausch zwischen Verkäufer und Käufer auch hinsichtlich der Finanzierungskosten zu bejahen.

 

Normenkette

UStG § 1 Abs. 1, § 10/1/2

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige handelt mit Kraftfahrzeugen. In den Jahren 1952 bis 1956 hat er Kraftfahrzeuge auf Abzahlung verkauft. Zur Finanzierung dieser Verkäufe beantragten der Steuerpflichtige und der jeweilige Abzahlungskäufer gemeinsam als Gesamtschuldner bei einer Sparkasse ein Darlehen. Der Darlehnsbetrag wurde in der Weise berechnet, daß vom Kaufpreise die Anzahlung abgesetzt wurde und dem verbleibenden Restkaufpreise die Versicherungsprämie, die Finanzierungskosten, die Einzugsgebühren und die Auslagen des Verkäufers (Steuerpflichtigen) zugerechnet wurden. Dieser Darlehnsbetrag war dann später in monatlichen Teilbeträgen an die Sparkasse zurückzuzahlen. Der Steuerpflichtige übergab hierfür der Sparkasse zahlungshalber von ihm ausgestellte und girierte und von dem jeweiligen Käufer angenommene und gestempelte Wechsel, die auf die einzelnen Teilzahlungsbeträge lauteten und an den angegebenen Zeitpunkten zur Zahlung fällig waren. Die Darlehnsnehmer verzichteten der Sparkasse gegenüber auf den Einwand bzw. den Ersatzanspruch aus der Unterlassung einer Präsentation, Protesterhebung oder Notifikation der Wechsel. Das Eigentum an dem Kraftfahrzeug ging mit Abschluß des Darlehnsvertrages von dem Steuerpflichtigen auf die Sparkasse über. Der Steuerpflichtige blieb aber leihweise Besitzer des Kraftfahrzeuges und war berechtigt, es dem Käufer zur Benutzung weiterzugeben. Die gesamte Darlehnsforderung der Sparkasse sollte ohne Rücksicht auf die Laufzeit der Teilbetragswechsel u. a. sofort fällig werden, wenn der Käufer mit seinen Zahlungsverpflichtungen durch Nichteinlösung von zwei aufeinanderfolgenden Tilgungsbeträgen in Verzug geriet. Die Sparkasse verpflichtete sich, nach vollständiger Tilgung des Darlehens nebst Zinsen, Gebühren, Auslagen und Kosten das Eigentum an dem Fahrzeug auf den Steuerpflichtigen zu übertragen, der es sodann auf den Käufer zu übertragen hatte, sofern und sobald dessen Verpflichtungen gegenüber dem Steuerpflichtigen restlos erfüllt waren. Den Darlehnsantrag unterschrieben der Steuerpflichtige und der Käufer des Kraftfahrzeugs.

Das Finanzamt hat den Steuerpflichtigen u. a. auch hinsichtlich der Finanzierungskosten zur Umsatzsteuer herangezogen. Das Finanzgericht hat den Steuerpflichtigen auf dessen Sprungberufung hin insoweit von der Umsatzsteuer freigestellt, weil der Käufer in erster Linie als Annehmer der Wechsel nach Art. 28 und 43 des Wechselgesetzes (WG) und zufolge der Darlehnsbedingungen, wonach der gesamte noch rückständige Darlehnsbetrag sofort fällig werden solle, wenn der Käufer mit zwei aufeinanderfolgenden Tilgungsbeträgen in Verzug gerate, in Anspruch genommen werden könne, also vor dem Steuerpflichtigen als Aussteller der Wechsel. Es liege somit kein echtes Gesamtschuldverhältnis vor; der Steuerpflichtige sei nur mit dem Delkredere belastet. Zufolge des Urteils des Bundesfinanzhofs V 86/56 S vom 30. Oktober 1958 (BStBl 1958 III S. 455, Slg. Bd. 67 S. 478) entfalle sonach die Umsatzsteuer hinsichtlich der Finanzierungskosten.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen das Urteil des Finanzgerichts erhobene Rb. des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.

Der Bundesfinanzhof hat mit dem genannten Urteil V 86/56 S vom 30. Oktober 1958 ausgesprochen, daß immer dann, wenn der Verkäufer in irgendeiner Weise anläßlich der - Teilzahlungszuschläge mit sich bringenden - Kreditgewährung zugunsten des Käufers ein Wagnis eingeht, ein Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Leistungsaustausches auch hinsichtlich der Teilzahlungszuschläge erblickt werden kann, daß dieses Beweisanzeichen für sich allein aber nicht ausreicht, um einen Leistungsaustausch für gegeben zu erachten; es müßten schon noch andere Umstände hinzutreten, vor allem der darauf gerichtete Wille der Beteiligten, um das Vorliegen eines Leistungsaustausches bejahen zu können. Im Falle des Urteils V 86/56 S war kein weiteres Beweisanzeichen festzustellen gewesen, vor allem ergaben aber die Darlehnsbedingungen, daß es sich um kein wirkliches Gesamtschuldverhältnis gehandelt hatte.

Im vorliegenden Falle bildet jedoch die Ausstellung der Wechsel durch den Steuerpflichtigen als Verkäufer ein weiteres Beweisanzeichen, auf Grund dessen ein Leistungsaustausch als zwischen ihm und seinem Kunden auch hinsichtlich der Teilzahlungszuschläge gewollt bejaht werden muß. Hierzu kommt, daß ein echtes, auch die Teilzahlungszuschläge miteinschließendes Gesamtschuldverhältnis des Steuerpflichtigen mit dem Abzahlungskunden festzustellen ist. Dieses Gesamtschuldverhältnis beruht auf den besonderen Vorschriften des WG, die schärfer sind als die insoweit bestehenden Vorschriften des BGB. Das Finanzgericht hat sich für seine Ansicht auf die Art. 28 und 43 WG bezogen. Art. 28 ist unter die Vorschriften über die Annahme eines Wechsels eingereiht und erwähnte dabei die wechselrechtliche Haftung des Abnehmers. Diese Haftung ist aber eine gesamtschuldnerische neben der Haftung der anderen Rückgriffsschuldner. Auch nach Art. 43 WG haften alle Rückgriffsschuldner als Gesamtschuldner, der Inhaber eines Wechsels kann also beliebig einen der Wechselverpflichteten heranziehen. Die ausschlaggebende Bestimmung trifft jedoch Art. 47 WG, wonach alle, die einen Wechsel ausgestellt, angenommen, indossiert oder mit einer Bürgschaftserklärung versehen haben, dem Inhaber als Gesamtschuldner haften. Art. 47 Abs. 2 WG bestimmt ausdrücklich, daß der Inhaber jeden einzelnen oder mehrere oder alle zusammen in Anspruch nehmen kann, ohne an die Reihenfolge gebunden zu sein, in der sie sich verpflichtet haben. Wenn dazu in den Kommentaren zum WG (z. B. Baumbach-Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 5. Aufl. 1957, S. 170 Anm. 1 B) ausgeführt wird, daß die Gesamtschuld eine unechte sei, weil die Wechselverpflichteten nicht auf einer Stufe ständen, insbesondere nicht in einem Ausgleichsverhältnis nach § 26 BGB, so bezieht sich das nur darauf, daß die Leistung eines Wechselverpflichteten nur seinen Nachmännern, nicht aber seinen Vormännern zugute kommt; es handelt sich hierbei also um das Verhältnis der Wechselverpflichteten untereinander, nicht aber um ihr wechselrechtliches Verhältnis gegenüber dem Wechselinhaber, der nach seiner Wahl jeden der Wechselverpflichteten auf Grund des Gesamtschuldverhältnisses in Anspruch nehmen kann.

Im vorliegenden Falle haftete somit der Steuerpflichtige nach Wechselrecht als echter Gesamtschuldner auch für die Teilzahlungszuschläge neben dem jeweiligen Käufer. Die Bedingung für die Darlehnsgewährung, daß der noch rückständige Darlehnsbetrag sofort fällig werden solle, wenn der Käufer mit zwei aufeinanderfolgenden Tilgungsbeträgen in Verzug gerate, gilt für den Steuerpflichtigen ebenso wie für den Käufer und bedeutet nicht, daß sich die Sparkasse zuerst an den Käufer halten müsse. Gerade daraus geht hervor, daß jede Zahlung des Käufers an die Sparkasse den Steuerpflichtigen von seiner Verpflichtung, die auch er gegenüber der Sparkasse für den die Finanzierungskosten einschließenden Darlehnsbetrag hatte, in derselben Höhe befreite. Wirtschaftlich kann das Verhalten des Steuerpflichtigen dem Falle gleich, in dem ein Kraftfahrzeughändler seinem Kunden von sich aus einen Kredit unter Vereinbarung von Finanzierungszuschlägen gewährt, also das Kaufgeschäft selbst finanziert. Es lagen mithin echte Kreditkäufe vor, bei denen jeweils Kauf- und Kreditgeschäft eine Einheit bildeten.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 74

BFHE 1962, 197

BFHE 74, 197

StRK, UStG:1/1 R 191

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