Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Liegen die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung im Sinne des § 26 Abs. 1 EStG 1957 vor und stirbt ein Ehegatte nach dem 30. April, so sind für das Todesjahr der verstorbene und der überlebende Ehegatte gemäß § 26 a EStG 1957 getrennt zu veranlagen, sofern nicht der überlebende Ehegatte beantragt, gemäß § 26 b EStG 1957 mit dem verstorbenen Ehegatten zusammen veranlagt zu werden.

Der überlebende Ehegatte kann nicht verlangen, für die Zeit vom Beginn des Veranlagungszeitraums bis zum Todestag mit dem verstorbenen Ehegatten zusammen und für die Zeit vom Todestag bis zum Ende des Veranlagungszeitraums allein veranlagt zu werden.

 

Normenkette

EStG § 25 Abs. 1, § 26 Abs. 1, § 26a/1, § 26b

 

Tatbestand

Die Eheleute A. lebten bis zum Tode des Ehemanns am 9. September 1956 zusammen; der Ehemann wurde von seiner Ehefrau, der Bfin., beerbt. Für das Streitjahr 1956 gab die Bfin. zwei Steuererklärungen ab. In der ersten gab sie die von ihrem verstorbenen Ehemann vom 1. Januar bis 9. September 1956 bezogenen Einkünfte - sie selbst hatte in dieser Zeit keine Einkünfte - aus selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung an; sie machte Sonderausgaben von 8.860 DM geltend und verlangte eine Steuerermäßigung wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin sowie den Altersfreibetrag; sie beantragte ferner, mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen veranlagt zu werden. In der zweiten Steuererklärung gab sie ihre aus dem ererbten Vermögen gezogenen Einkünfte in der Zeit vom 10. September bis 31. Dezember 1956 aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung an; sie setzte die Sonderausgaben in dieser Zeit mit 1.067 DM an; sie beantragte für sich einen Altersfreibetrag sowie eine Steuerermäßigung wegen Beschäftigung einer Hausgehilfin.

Das Finanzamt nahm nur eine Veranlagung vor, und zwar veranlagte es die Bfin. und ihren verstorbenen Ehemann für das ganze Kalenderjahr 1956 zusammen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht trat der Auffassung des Finanzamts bei, daß für 1956 nur eine Veranlagung vorzunehmen sei; es veranlagte aber die Bfin. und ihren verstorbenen Ehemann unter Anwendung der Steuerklasse I getrennt.

Es begründete seine Entscheidung wie folgt: Grundsätzlich werde nach § 25 Abs. 1 EStG jeder Steuerpflichtige nur einmal für jeden Veranlagungszeitraum veranlagt. Außer bei während eines Teils des Veranlagungszeitraums beschränkt Steuerpflichtigen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 377/37 vom 21. Juli 1937, RStBl 1937 S. 1008) könnten für einen Steuerpflichtigen nicht zwei Einkommensteuerveranlagungen für das Einkommen eines Veranlagungszeitraums (in der Regel: Kalenderjahr) gemacht werden. Die Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 26 ff. EStG 1957) führten nicht zu einem anderen Ergebnis. Ehegatten würden entweder getrennt oder auf Antrag unbeschränkt oder eingeschränkt zusammen veranlagt (§§ 26 b, 26 d EStG 1957). Lägen die Voraussetzungen einer Ehegattenveranlagung im Sinne des § 26 EStG 1957 vor, so seien außer den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften alle Einkünfte in die Ehegattenveranlagung einzubeziehen, also auch voreheliche oder nacheheliche Einkünfte der Ehegatten. Der Tod eines Ehegatten könne nicht dazu führen, daß neben der Ehegattenveranlagung der überlebende Ehegatte noch einmal allein veranlagt werde (vgl. Hartmann-Böttcher, Anmerkung 1 a und 1 e zu § 26 EStG 1958). Der abweichenden Ansicht von Herrmann-Heuer (Anmerkung 33 zu § 25 EStG) sei nicht zuzustimmen. Aus § 25 Abs. 2 EStG folge nicht, wie Herrmann-Heuer meinten, daß in solchen Fällen zwei Veranlagungsabschnitte entstünden. Zu Unrecht beriefen sich Herrmann-Heuer auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 2044/29 vom 8. Januar 1930 (RStBl 1930 S. 109); dieses Urteil sei zu dem anders lautenden § 22 EStG 1925 ergangen. Das Finanzamt habe demnach zu Recht eine "Alleinbesteuerung" der Bfin. mit ihren in der Zeit vom 10. September bis 31. Dezember 1956 erzielten Einkünften abgelehnt. Zu Unrecht habe es aber die Eheleute zusammen veranlagt. Im Ergebnis habe die Bfin. je eine Veranlagung für sich und ihren Ehemann, also eine getrennte Veranlagung nach § 26 a EStG 1957, verlangt, die für sie auch günstiger sei.

Mit der Rb. verlangt die Bfin. weiterhin, sie für die Zeit vom 1. Januar bis 9. September 1956 mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen und für die Zeit vom 10. September bis 31. Dezember 1956 allein zu veranlagen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung im Sinne der §§ 26 ff. EStG 1957 liegen vor, da die Bfin. mit ihrem Ehemann im Streitjahr mehr als vier Monate zusammengelebt hat. Der Auffassung der Bfin., daß, wenn ein Ehegatte im Laufe des Veranlagungszeitraums stirbt, die nach dem Tode der Ehegatten erzielten Einkünfte des überlebenden Ehegatten nur durch eine Alleinveranlagung des überlebenden Ehegatten erfaßt werden könnten, ist nicht zuzustimmen. Mit Recht hat das Finanzgericht den § 25 EStG dahin ausgelegt, daß bei Ehegattenveranlagungen (§§ 26 ff. EStG 1957) das Einkommen des Veranlagungszeitraums, der sich fast immer mit dem Kalenderjahr deckt, einheitlich erfaßt und besteuert werden muß; der Sonderfall der Behandlung beschränkt steuerpflichtiger Einkünfte kann hier außer Betracht bleiben.

Stirbt ein Ehegatte vor dem 1. Mai des Kalenderjahrs, so kann eine Ehegattenveranlagung nicht vorgenommen werden, weil die Ehegatten nicht mehr als vier Monate im Kalenderjahr zusammengelebt haben: es wird deshalb jeder Ehegatte mit seinen Einkünften veranlagt, und zwar der verstorbene Ehegatte mit den Einkünften, die er vom Beginn des Kalenderjahres bis zum Todestag, und der überlebende Ehegatte mit den Einkünften, die er im ganzen Kalenderjahr erzielt hat; beide Ehegatten werden nach der familiengerechten Steuerklasse besteuert (ß 32 EStG). Die Behandlung dieser Fälle ist durch die Neuregelung der Ehegattenbesteuerung im EStG 1957 nicht berührt worden; es gelten dieselben Grundsätze wie nach § 26 EStG a. F.

Haben die Ehegatten mehr als vier Monate im Kalenderjahr zusammengelebt und sind deshalb die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung gegeben, so können sie nur nach den Vorschriften der §§ 26 ff. EStG 1957 besteuert werden. Sie werden also grundsätzlich mit ihren Einkünften getrennt und nur, wenn sie es beantragen, zusammen veranlagt. Ist ein Ehegatte nach dem 30. April verstorben, so ist also im Todesjahr wie folgt zu verfahren:

Stellt der überlebende Ehegatte keinen Antrag auf Zusammenveranlagung, so ist er mit seinen eigenen Einkünften getrennt zu veranlagen, und zwar mit den Einkünften für das ganze Kalenderjahr; der verstorbene Ehegatte ist mit den Einkünften bis zum Todestag getrennt zu veranlagen; hinsichtlich der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ist nach § 26 a Abs. 2 und 3 EStG 1957, hinsichtlich des Altersfreibetrags nach § 32 c EStG 1957 und hinsichtlich der Steuerklasse nach § 32 a EStG 1957 zu verfahren.

Beantragt der überlebende Ehegatte die Zusammenveranlagung, so sind alle Einkünfte des verstorbenen und des überlebenden Ehegatten, die innerhalb des Kalenderjahres erzielt wurden, zusammenzurechnen und einheitlich zu besteuern; die Veranlagung wird ebenso durchgeführt, als wenn beide Ehegatten während des ganzen Kalenderjahres gelebt und Zusammenveranlagung beantragt hätten.

Das Finanzgericht ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat die Bfin., weil das für sie günstiger war, getrennt veranlagt; die Bfin. erhebt dagegen keine Einwendungen. Die sachlichen Einwendungen der Bfin. greifen nicht durch. Den im Anschluß an Herrmann-Heuer gemachten Hinweis der Bfin. auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 377/37 (a. a. O.) hat das Finanzgericht mit Recht deswegen für unbeachtlich gehalten, weil das erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs zu der anders gefaßten Vorschrift des § 22 EStG 1925 ergangen ist. Vor allem aber hat das Finanzgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß die Streitfrage in erster Linie nach den neuen Vorschriften über die Ehegattenbesteuerung (§§ 26 ff. EStG 1957) beurteilt werden muß. Danach ist aber für die von der Bfin. erstrebte Doppelveranlagung innerhalb des Veranlagungszeitraums 1956 kein Raum.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409775

BStBl III 1960, 407

BFHE 1961, 422

BFHE 71, 422

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