Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

über die steuerliche Auswirkung der vorübergehenden Verwendung des Fahrzeugs für nicht steuerbegünstigte Zwecke.

 

Normenkette

KraftStG § 3

 

Tatbestand

Dem Beschwerdeführer (Bf.) zu 2 als Körperbehindertem war die Kraftfahrzeugsteuer für seinen Personenkraftwagen, der für ihn ab 24. Januar 1956 zugelassen war, gemäß § 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1955 unter Erteilung einer Bescheinigung über das steuerbefreite Halten dieses Fahrzeugs mit Gültigkeitsdauer vom 24. Januar 1956 bis 23. Januar 1957 vom Finanzamt erlassen worden. Am 5. Mai 1956 gab der Bf. zu 2 die Bescheinigung an das Finanzamt zurück und versteuerte gleichzeitig das Fahrzeug für die Zeit vom 5. Mai bis 4. August 1956. Er gab dazu an, daß er sich auswärts einer Kur unterziehen müsse, wobei er das Fahrzeug für seine Person nicht gebrauche, und daß er seiner Ehefrau die Möglichkeit geben wolle, den Personenkraftwagen während der Zeit seiner Kur zu benutzen. Mit Schreiben vom 14. Juni 1956 stellte er beim Finanzamt Antrag auf erneuten Steuererlaß nach § 3 KraftStG 1955 und auf Erstattung des Teils der entrichteten Steuer, der in entsprechender Anwendung des § 16 KraftStG 1955 erstattet werden müsse, da er das Fahrzeug wieder ausschließlich zu dem im § 3 Abs. 1 KraftStG 1955 begünstigten Zweck benutze. Das Finanzamt lehnte nicht nur die gestellten Anträge mit Bescheid vom 11. September 1956 ab, sondern forderte darüber hinaus mit Bescheid vom 12. September 1956 die Steuer für die Zeit vom 24. Januar 1956 bis zum 4. Mai 1956 nach. Es bezog sich dabei auf § 3 Abs. 3 KraftStG 1955, wonach die Steuerbefreiung bei mißbräuchlicher Benutzung des Fahrzeugs zu widerrufen ist. Der Bf. zu 2 hatte inzwischen für ein weiteres Vierteljahr (5. August bis 4. November 1956) die Steuer vorbehaltlich der Entscheidung über seinen Antrag entrichtet.

Mit dem Einspruch begehrte der Bf. zu 2 die Aufhebung der Steuernachforderung und den Erlaß der Steuer für die Zeit ab der erneuten Antragstellung bis 23. Januar 1957.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Auf die Berufung des Bf. zu 2 hob das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung und die Bescheide des Finanzamts vom 11. und 12. September 1956 auf und stellte den Bf. zu 2 für die Zeit vom 5. August 1956 bis zum 23. Januar 1957 von der Steuer frei. Es lehnte also die Erstattung eines Teiles der für die Zeit vom 5. Mai 1956 bis 4. August 1956 entrichteten Steuer ab.

Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts legten sowohl der Vorsteher des Finanzamts (Bf. zu 1) als auch der Bf. zu 2 Rechtsbeschwerde (Rb.) ein.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der beiden Rbn. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.

Der Bf. zu 2 ist Schwerbeschädigter im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (ß 29 Abs. 2), da seine Erwerbsfähigkeit nach den Akten um 70 v. H., also um mindestens 50 v. H. gemindert ist. Er fällt daher unter den im § 3 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1955 aufgeführten Personenkreis. Bei Angehörigen dieses Personenkreises kann das Finanzamt die Steuer für ein Personenkraftfahrzeug von nicht mehr als 2.400 Kubikzentimetern Hubraum - das Fahrzeug des Bf. zu 2 hat 1.184 Kubikzentimeter Hubraum - auf Antrag des Körperbehinderten, der sich das Fahrzeug infolge seiner Körperbehinderung hält, erlassen. Hiernach stellt nicht die Vorschrift des § 3 a. a. O. den Körperbehinderten von der Kraftfahrzeugsteuer frei, sondern eine auf Grund dieser Vorschrift zu erlassende Verfügung des Finanzamts.

Für die Entscheidung ist von Bedeutung, in welchem Sinn die einleitenden Worte der Vorschrift zu verstehen sind, nämlich daß "Körperbehinderten, die sich infolge ihrer Körperbehinderung ein Personenkraftfahrzeug halten", die Steuer erlassen werden kann. Der Senat trägt keine Bedenken, die Vorschrift dahin auszulegen, daß Körperbehinderten die Steuer erlassen werden kann, solange sie sich ein Personenkraftfahrzeug infolge ihrer Körperbehinderung halten. Er folgt dabei der Auslegung, die er - im Ergebnis - der Befreiungsvorschrift des Kontrollratgesetzes Nr. 51 Art. I Ziff. 2 gegeben hat, nach der Zugmaschinen ohne Güterladeraum, die ausschließlich auf Bauernhöfen oder Landgütern gebraucht werden, von der Kraftfahrzeugsteuer befreit sind. Auf das bereits vom Finanzgericht angeführte Urteil des Senats II 77/52 U vom 15. Oktober 1952 (Slg. Bd. 56 S. 813 = Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 311 = Steuerrechtsprechung in Karteiform, Durchführungsbestimmungen zum Kraftfahrzeugsteuergesetz § 55 Rechtsspruch 4) wird insoweit Bezug genommen. Es liegt kein innerer Grund für die Annahme vor, daß der Gesetzgeber bei der Vorschrift des § 3 KraftStG 1955 - unbeschadet der Sondervorschrift des § 3 Abs. 3 KraftStG 1955 - eine in dieser Beziehung grundsätzlich andere Regelung gewollt hat, als sie im § 2 a. a. O. in den dort unter Nr. 1, 2, 4 und 5 angeführten Fällen getroffen ist. Dort ist gesagt, daß das Halten der angeführten Kraftfahrzeuge und Anhänger von der Steuer befreit ist, solange die Kraftfahrzeuge ausschließlich zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet bzw. die Anhänger ausschließlich hinter steuerbefreiten Kraftfahrzeugen für deren Zwecke mitgeführt werden.

Aus dieser Auffassung des Senats ergibt sich, daß ein Körperbehinderter sehr wohl sein Fahrzeug zeitweise lediglich infolge seiner Körperbehinderung und zeitweise auch für nicht steuerbegünstigte Zwecke halten kann, ohne daß dadurch die Anwendbarkeit der Vergünstigungsvorschrift für die Zeit ausgeschlossen wird, in der er das Fahrzeug lediglich infolge seiner Körperbehinderung hält. Eine mißbräuchliche Benutzung des Fahrzeugs im Sinne des Abs. 3 der Vergünstigungsvorschrift - und nur auf den Fall der mißbräuchlichen Benutzung des Fahrzeugs beziehen sich die Ausführungen bei Egly, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, S. 97 unter d, mit denen der Vorsteher des Finanzamts unter anderem die Rb. begründen zu können glaubt - kann demgemäß nur gegeben sein, wenn der Körperbehinderte, dem das Finanzamt die Steuer für einen bestimmten Zeitraum unter Ausstellung einer Bescheinigung über die Steuerbefreiung erlassen hat, während dieses Zeitraums das Fahrzeug für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet, ohne seiner Verpflichtung nach § 36 Abs. 5 der Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStDV) 1955 nachgekommen zu sein, wonach er den Wegfall der Voraussetzungen für die Steuervergünstigung dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen hat. Da der Bf. zu 2 dieser Verpflichtung unter gleichzeitiger Versteuerung des Fahrzeugs nachgekommen ist, ist für einen Widerruf der Steuervergünstigung für die Zeit vom 24. Januar 1956 bis zum 4. Mai 1956 kein Raum.

Aus der Auffassung des Senat ergibt sich weiter, daß die zeitweise - nicht mißbräuchliche - Verwendung des Fahrzeugs für nicht steuerbegünstigte Zwecke kein Hinderungsgrund ist, nach dem Wegfall der nicht steuerbegünstigten Verwendung des Fahrzeugs auf Antrag erneut die Steuervergünstigung zu gewähren, wenn deren Voraussetzungen gegeben sind. Der Umstand, daß das Fahrzeug im Zeitpunkt des Antrages bereits für einen gewissen Zeitraum versteuert ist, kann die Anwendung der Befreiungsvorschrift ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit nicht ausschließen. Der Erlaß der Steuer ab diesem Zeitpunkt hat notwendigerweise die Erstattung etwa entrichteter Steuer zur Folge. Allerdings ist hinsichtlich des Ausmaßes der infolge des Erlasses zur Erstattung kommenden Steuer die Vorschrift des § 16 KraftStG 1955 entsprechend anzuwenden. Diese Vorschrift bezieht sich zwar auf den hier nicht vorliegenden Fall der Beendigung der Steuerpflicht. Da aber in der steuerlichen Auswirkung der Erlaß der Steuer der Beendigung der Steuerpflicht gleichsteht, bestehen um so weniger Bedenken gegen eine entsprechende Anwendung der Vorschrift, als deren entsprechende Anwendung auch im § 39 Abs. 3 KraftStDV 1955 für den Fall vorgesehen ist, daß ein versteuertes Fahrzeug während des Steuerzeitraums zu einem im § 2 Nr. 1 KraftStG 1955 bezeichneten steuerbegünstigten Zweck verwendet wird. Daß die KraftStDV 1955 eine derartige Regelung nur für diesen Fall vorgesehen hat, schließt nach Ansicht des Senats eine entsprechende Anwendung des § 16 KraftStG 1955 im Fall der Anwendbarkeit des § 3 KraftStG 1955 nicht aus.

Zu Unrecht jedoch fühlt sich der Bf. zu 2 durch den Zeitraum beschwert, für den das Finanzgericht den Erlaß der Steuer gewährt hat. Die Vorschrift des § 36 Abs. 2 KraftStDV 1955 schreibt nur eine Höchstdauer vor, für die der Erlaß auszusprechen ist. Es bleibt dem Finanzamt grundsätzlich unbenommen, auch für eine kürzere Zeit den Erlaß zu gewähren. Eine Beschwer für einen Körperbehinderten, der die Vergünstigung in Anspruch nimmt, tritt erst dann ein, wenn das Finanzamt nach Ablauf des Zeitraums, für den die Steuervergünstigung gewährt ist, einen erneuten Antrag auf Steuervergünstigung ablehnt. übrigens hatte, wie aus den Akten hervorgeht, der Bf. zu 2 selbst die erneute Ausstellung der Bescheinigung nur bis zum 23. Januar 1957 beantragt.

Hiernach waren die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die noch nicht spruchreife Sache - noch nicht spruchreif deshalb, weil noch zu prüfen ist, von wann ab die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach dem 5. Mai 1956 wieder als gegeben anerkannt werden können - zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408997

BStBl III 1958, 150

BFHE 1958, 389

BFHE 66, 389

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