Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Inwieweit ist die Höhe der Steuerermäßigung des § 33 EStG von den Sätzen des § 32 EStG abhängig?

 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, § 32; EStDV § 51

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) hat seinen Eltern im zweiten Halbjahr 1948 und im Jahre 1949 zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts monatlich 200 DM gezahlt. Er beantragt hierfür die Steuervergünstigung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sein Vater ist im Jahre 1874, seine Mutter im Jahre 1881 geboren. Sie beziehen eine Invalidenrente von monatlich 63,40 DM. Sie führen einen eigenen Haushalt.

Das Finanzamt hat entsprechend Abschn. 210 Abs. 1 Ziff. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) II/1948 und 1949 als außergewöhnliche Belastung nur einen Betrag von monatlich 160 DM anerkannt und die Vergünstigung unter Berücksichtigung der Mehrbelastungsgrenze des § 51 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sowie der eigenen Einkünfte der Eltern festgesetzt.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat in freier Beweiswürdigung unter Berücksichtigung des Preisgefüges in den Veranlagungszeiträumen II/1948 und 1949 die angemessenen monatlichen Unterhaltsleistungen auf 225 DM festgesetzt und diesen Betrag um die Invalidenrente von 63,40 DM sowie um die nach § 51 EStDV anzurechnenden Beträge (Mindestbelastungsgrenze) gekürzt. Das Finanzgericht hat es abgelehnt, dem Urteil des erkennenden Senats IV 271/52 U vom 10. April 1953 (Slg. Bd. 57 S. 436 = Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 170) zu folgen, da es die Bindung der Steuervergünstigung des § 33 EStG an die Sätze des § 32 EStG für ungesetzlich hält. Die vom Bundesfinanzhof hervorgehobene Schwierigkeit der Nachprüfung, ob die von dem Stpfl. behaupteten Unterhaltsleistungen auch tatsächlich getätigt sind, sei eine Frage der Beweiswürdigung und könne daher nicht ausschlaggebend für die Entscheidung einer Rechtsfrage sein.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.

Nach der Entscheidung des erkennenden Senats IV 167/52 U vom 27. November 1952 (Slg. Bd. 57 S. 97, BStBl. 1953 III S. 38) ist die Frage der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit auch bezüglich der Höhe der nach § 33 Abs. 1 EStG anzuerkennenden Aufwendungen durch die Steuergerichte zu prüfen. Dabei besteht weder eine Bindung an die Sätze der Einkommen- und Lohnsteuer-Richtlinien, noch an die tatsächlichen Aufwendungen des Stpfl. Vielmehr ist unter Beachtung der steuerlichen Gleichmäßigkeit und der sozialen Gerechtigkeit, sowie der gesamten Verhältnisse des Stpfl. zu prüfen, ob die Aufwendungen im einzelnen Falle notwendig und angemessen sind. Soweit in früheren Urteilen eine andere Auffassung zum Ausdruck kommen sollte, wird an ihr nicht mehr festgehalten.

Der in dem Urteil IV 167/52 vertretenen und von dem erkennenden Senat gebilligten Rechtsauffassung stehen die Rechtsgrundsätze des oben angegebenen Urteils IV 271/52 U nicht entgegen. Hier ist betont, daß die Sätze des § 32 EStG nicht ohne weiteres auf den § 33 EStG zu übertragen sind. Es ist nur gefordert, daß die Ermäßigung nach § 33 EStG gegenüber den Sätzen des § 32 EStG noch vertretbar sein soll. Hat also z. B. ein Steuerpflichtiger einem mittellosen Angehörigen eine zwar seiner persönlichen wirtschaftlichen Lage entsprechende, im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen aber ungewöhnlich hohe Unterstützung zukommen lassen, so können die Steuergerichte prüfen, ob die hierfür beantragte Steuervergünstigung gegenüber der Vergünstigung des § 32 EStG noch vertretbar ist. Auch die Rechtsgrundsätze des Urteils IV 271/52 U lassen somit den Steuergerichten einen sehr weiten und freien Spielraum für die individuelle Beurteilung des Einzelfalls. Es ist weiterhin zu berücksichtigen, daß für die nach § 33 zu gewährenden Ermäßigungen die Mindestbelastungsgrenze des § 51 EStDV gilt.

Die Beurteilung der Höhe der anzuerkennenden Aufwendungen liegt im wesentlichen auf dem Gebiete der tatsächlichen Würdigung. Wenn das Finanzgericht im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung den angemessenen Unterhaltsbeitrag für die einen selbständigen Haushalt führenden Eltern des Stpfl. auf 225 DM geschätzt und diesen Betrag um die Invalidenrente gekürzt hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Die Höhe dieser Schätzung steht auch nicht im Widerspruch mit den Rechtsgrundsätzen des Urteils IV 167/52 U, da ein Betrag von 225 DM unter den obwaltenden Umständen des Streitfalls gegenüber den Sätzen des § 32 EStG noch vertretbar ist.

Das Finanzamt hat in den Einspruchsentscheidungen die Auffassung vertreten, daß Zuwendungen an unterhaltsberechtigte Personen steuerlich nur bis zu den in den Richtlinien festgesetzten monatlichen Höchstsätzen berücksichtigt werden können. Da diese Auffassung rechtsirrtümlich ist, mußte das Finanzgericht die angemessenen Zuwendungen anderweitig im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung bestimmen. Auf die Prüfung der Frage, ob ein Ermessensmißbrauch des Finanzamts vorliegt, kam es daher nicht an.

Dem weitergehenden Antrag des Stpfl., der Berechnung der Steuervergünstigung nach § 33 EStG die von ihm gezahlten Unterhaltsbeiträge in voller Höhe zugrunde zu legen, kann aus den Gründen der Entscheidung IV 271/52 U nicht entsprochen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408010

BStBl III 1954, 313

BFHE 1955, 264

BFHE 59, 264

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