Leitsatz (amtlich)

1. Bei Änderung der Beteiligungsverhältnisse einer Personengesellschaft ist in der Regel eine Zurechnungsfortschreibung vorzunehmen. Eine Nachfeststellung kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn sich durch die Änderung der Beteiligungsverhältnisse die personelle Zusammensetzung der Gesellschaft entscheidend ändert und sich dies auf den Umfang und den Aufbau des Unternehmens auswirkt.

2. Eine Zurechnungsfortschreibung eines Einheitswerts für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft ist dann vorzunehmen, wenn sich der Stand der Kapitalkonten der Gesellschafter im Fortschreibungszeitpunkt gegenüber dem Stand der Kapitalkonten der Gesellschafter im vorhergehenden Feststellunszeitpunkt geändert hat und dies steuerlich von Bedeutung ist.

2. Bei einer Zurechnungsfortschreibung eines Einheitswerts für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft ist, wenn nicht gleichzeitig die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung vorliegen, der zuletzt festgestellte Einheitswert nach dem Stand der Kapitalkonten der Gesellschafter im Fortschreibungszeitpunkt auf die Gesellschafter zu verteilen.

 

Normenkette

AO a.F. §§ 216, 225a; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewG 1965 § 3; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewG 1965 § 22; BewG i.d.F. vor Inkrafttreten des BewG 1965 § 23

 

Tatbestand

Streitig ist die Verteilung eines für das Betriebsvermögen einer KG festgestellten Einheitswerts auf die Gesellschafter.

Das FA nahm auf den 1. Januar 1962 eine Zurechnungsfortschreibung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen der KG vor. Eine gleichzeitige Wertfortschreibung entfiel, weil sich das Betriebsvermögen gegenüber dem zuletzt auf den 1. Januar 1961 festgestellten Einheitswert nicht um soviel erhöhte, daß die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG a. F. überschritten worden wären.

Am 1. Januar 1961 waren an der KG August B. als persönlich haftender Gesellschafter mit 30 v. H., seine Söhne Wilhelm B. und Hans B. als Kommanditisten mit je 10 v. H. und Frau W. und Frau I. als Kommanditistinnen mit je 25 v. H. beteiligt. Der Gesellschafter August B. ist im Jahre 1961 verstorben. Sein Anteil an der KG ist zu je 50 v. H. auf seine beiden Söhne Wilhelm B. und Hans B. als Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen. Am 1. Januar 1962 waren danach an der KG Wilhelm B. als persönlich haftender Gesellschafter mit 25 v. H. und Hans B., Frau W. und Frau I. als Kommanditisten mit je 25 v. H. beteiligt.

Das FA verteilte den Einheitswert bei der Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1962 nach dem Stand der Kapitalkonten der einzelnen Gesellschafter am 1. Januar 1962. Mit dem Einspruch begehrte die KG, bei der Verteilung nur den Übergang des Anteils des verstorbenen Gesellschafters nach dem Stand vom 1. Januar 1961 auf seine beiden Söhne zu berücksichtigen, im übrigen aber die Anteile der Gesellschafter in der gleichen Höhe anzusetzen wie auf den 1. Januar 1961.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.

Das FG führt im wesentlichen aus: Das FA habe zu Recht den Stand der Kapitalkonten am 1. Januar 1962 als maßgebend zugrunde gelegt, weil nach § 22 Abs. 2 BewG a. F. bei der Fortschreibung die Verhältnisse bei Beginn des Kalenderjahres zugrunde zu legen seien, das auf die Veränderung folge. Die Auffassung der KG, § 22 Abs. 2 BewG a. F. gelte nur für die Artfortschreibung, widerspreche dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Auch ihre Meinung, die "Verhältnisse" bei Beginn des Kalenderjahres im Sinne des § 22 Abs. 2 BewG a. F. könnten sich nur auf den Bestand und die Bewertung beziehen, finde im Gesetz keine Stütze. Bei Änderung der Kapitalkonten der Gesellschafter müsse immer eine Zurechnungsfortschreibung vorgenommen werden, wenn dies steuerlich von Bedeutung sei.

Mit der vom FG ausdrücklich zugelassenen Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, rügt die KG unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Sie ist weiterhin der Auffassung, daß eine Zurechnungsfortschreibung nur dann und nur insoweit vorgenommen werden dürfe, als sich die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Anteile der Gesellschafter am Vermögen und am Gewinn und Verlust änderten. Nur dann liege eine Änderung der "Beteiligungsverhältnisse" vor, nicht dagegen, wenn sich nur die (variablen) Kapitalkonten der Gesellschafter änderten. Sie beantragt, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Verteilung des Einheitswerts auf die Gesellschafter in der von ihr bereits mit dem Einspruch begehrten Weise vorzunehmen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 216 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO ist in einem Feststellungsbescheid eine Feststellung darüber zu treffen, wem der bewertete Gegenstand bei der Besteuerung zuzurechnen ist. Dazu gehört nach § 216 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO, wenn an diesem Gegenstand mehrere beteiligt sind, auch eine Feststellung darüber, wie der festgestellte Betrag sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt. Die danach vorzunehmende Verteilung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft auf die Gesellschafter geschieht nach § 3 Satz 2 BewG in der Weise, daß der Wert auf die Beteiligten nach dem Verhältnis ihrer Anteile verteilt wird. Auszugehen ist dabei nach der Rechtsprechung (vgl. Urteile des RFH III 101/37 vom 28. Januar 1938, RStBl 1938, 372; III 22/38 vom 28. Januar 1938, RStBl 1938, 373) von den in der Handelsbilanz ausgewiesenen Kapitalkonten der Gesellschafter, und zwar nicht nur der festen Kapitalkonten, sondern auch etwaiger (variabler) Sonderkonten. Ein Mehr- oder Minderbetrag des Einheitswerts gegenüber dem Handelsbilanzvermögen ist in gleicher Weise wie der Auflösungserfolg zu verteilen (vgl. Urteile des BFH III 54/58 U vom 19. Dezember 1958, BFH 68, 188, BStBl III 1959, 74; III 71/58 U vom 29. Januar 1959, BFH 68, 403, BStBl III 1959, 155).

II.

Nach § 225a Abs. 1 Nr. 2 AO a. F. ist ein Einheitswert bei Änderung in der Zurechnung des bewerteten Gegenstandes durch einen Fortschreibungsbescheid zu ersetzen. Eine Änderung in der Zurechnung im Sinne dieser Vorschrift liegt in der Regel auch bei einer änderung des Verhältnisses der Anteile der Gesellschafter im Sinne des § 3 BewG vor. Nur wenn sich dadurch die personelle Zusammensetzung der Gesellschaft entscheidend ändert, und sich dies auf den Umfang und den Aufbau des Unternehmens auswirkt, entsteht nach der Rechtsprechung (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs - OFH - III 45/44 vom 12. November 1947, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1948, Teil II, Nr. 2) eine neue wirtschaftliche Einheit, und es ist eine Nachfeststellung des Einheitswerts nach § 23 BewG a. F. vorzunehmen. Dieser Ausnahmefall liegt jedoch im Streitfall, in dem nur der Anteil des verstorbenen Vaters auf seine beiden Söhne, die bereits Gesellschafter waren, übergegangen ist, nicht vor. Die Vorinstanzen sind deshalb zutreffend davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen für eine Zurechnungsfortschreibung vorliegen.

III.

Nach § 22 Abs. 2 BewG a. F. werden bei einer Wertfortschreibung und "in den anderen Fällen der Fortschreibung (§ 225a Abs. 1 Ziff. 2 AO)" die Verhältnisse bei Beginn des Kalenderjahres zugrunde gelegt, das auf die Änderung folgt (Fortschreibungszeitpunkt). Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß diese Vorschrift auch für Zurechnungsfortschreibungen gilt. Das ergibt sich eindeutig aus dem Wortsinn, insbesondere aus der Verweisung in der Klammer auf § 225a Abs. 1 Nr. 2 AO a. F. Denn diese Vorschrift regelt nicht nur die Art-, sondern auch die Zurechnungsfortschreibungen. Die Berücksichtigung der Verhältnisse vom Fortschreibungszeitpunkt bedeutet bei einer Zurechnungsfortschreibung eines Einheitswerts für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft, daß auch das Verhältnis der Anteile der Gesellschafter im Sinne des § 3 BewG nach dem Stand vom Fortschreibungszeitpunkt zugrunde zu legen ist. Da aber bei der Ermittlung dieses Verhältnisses der Anteile nach den Ausführungen oben zu I. von den festen und variablen Kapitalkonten der Gesellschafter auszugehen ist, müssen auch diese Kapitalkonten nach dem Stand vom Fortschreibungszeitpunkt zugrunde gelegt werden. Das bedeutet entgegen der Auffassung der KG nicht eine Erfassung der stillen Reserven nach dem Stand vom Fortschreibungszeitpunkt. Denn in den Fällen, in denen im Streitfall mit der Zurechnungsfortschreibung nicht auch eine Wertfortschreibung verbunden ist, wird nur der bisherige Einheitswert aufgeteilt; es werden damit nur die in diesem Einheitswert enthaltenen stillen Reserven erfaßt. Die Zugrundelegung der Kapitalkonten vom Fortschreibungszeitpunkt hat nur die Wirkung, daß die Anteile der Gesellschafter an den stillen Reserven des alten Einheitswerts nach den Beteiligungsverhältnissen vom Fortschreibungszeitpunkt neu festgestellt werden. Das entspricht den im Fortschreibungszeitpunkt bestehenden tatsächlichen Gegebenheiten. Denn die Gesellschafter sind im Fortschreibungszeitpunkt anders beteiligt als im vorhergehenden Feststellungszeitpunkt. Der wirkliche Wert ihrer Beteiligung im Fortschreibungszeitpunkt kann nur deswegen nicht angesetzt werden, weil nicht zugleich auch eine Wertfortschreibung vorgenommen werden kann.

IV.

Nach alledem ist dem FG darin zuzustimmen, daß eine Zurechnungsfortschreibung eines Einheitswerts für das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft schon dann vorgenommen werden kann, wenn sich der Stand der Kapitalkonten im Fortschreibungszeitpunkt gegenüber dem Stand der Kapitalkonten im vorhergehenden Feststellungszeitpunkt geändert hat und dies steuerlich von Bedeutung ist. Bei einer solchen Zurechnungsfortschreibung ist, wenn nicht gleichzeitig die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung vorliegen, der zuletzt festgestellte Einheitswert nach dem Stand der Kapitalkonten im Fortschreibungszeitpunkt auf die Gesellschafter zu verteilen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68099

BStBl II 1968, 602

BFHE 1968, 450

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