Leitsatz (amtlich)

Vereinigt der an einer Kapitalgesellschaft als Gesellschafter nicht beteiligte pensionsberechtigte Geschäftsführer durch Vertrag mit den Gesellschaftern deren Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung dergestalt auf sich, daß er bei Eintritt des Pensionszeitpunktes selbst bestimmen kann, ob er aus der Geschäftsführung ausscheiden will oder nicht, ist er für die Beurteilung der durch die Pensionszusage für die Gesellschaft begründeten Last einem die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter gleichzusetzen.

 

Normenkette

KStG § 6; EStG § 6a

 

Tatbestand

Streitig ist die steuerrechtliche Zulässigkeit einer Pensionsrückstellung, die die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), eine GmbH, zu Lasten des Gewinns der Streitjahre 1955 bis 1959 auf Grund einer Zusage an ihren allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer, den Kaufmann F., gebildet hat.

Die Steuerpflichtige besitzt ein Stammkapital von 200 000 DM, das sich in den Streitjahren mit 25 v. H. in Händen der Firma F-GmbH (Gesellschafter: der Kaufmann F. und seine Söhne mit 85 v. H. und die Vermögensverwaltungsgesellschaft E. mit 15 v. H.) und mit je 15 v. H. in den Händen der Söhne des Kaufmanns F. lag. Die Steuerpflichtige wurde gesetzlich vertreten durch zwei Geschäftsführer, deren einer - der Kaufmann H. - "die Geschäftsführung der Gesellschaft vorerst schwerpunktmäßig" erledigte, während deren anderer - der Kaufmann F. - "einstweilen nur in beschränktem Umfang tätig" war (so das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 20. Juli 1955).

Mit Schreiben vom 1. Oktober 1952 hatte die Steuerpflichtige ihrem allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer F. eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung zugesagt unter der Voraussetzung, daß er am 1. Oktober 1974 noch für die Firma tätig sei. Auf Grund dieser Zusage bildete die Steuerpflichtige in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1954 eine Rückstellung in Höhe von 24 175 DM, die sich am 31. Dezember 1959 auf 69 475 DM belief. Bis zum 28. Februar 1958 bildete diese Versorgungszusage die einzige Gegenleistung der Steuerpflichtigen für die Führung der Geschäfte durch den Berechtigten; vom 1. März 1958 ab erhielt er zusätzlich ein monatliches Gehalt in Höhe von 1 000 DM.

Durch Vertrag vom 12. August 1958 gründeten der Kaufmann F. und seine Söhne eine Schutzgemeinschaft zur Erhaltung des Familienvermögens, soweit es sich um die Beteiligungen der Söhne an den verschiedenen Unternehmungen ihres Vaters handelte. Sie vereinbarten, die Leitung der Schutzgemeinschaft einem Verwalter zu übertragen; zum ersten Verwalter bestellten sie den Kaufmann F. mit der Maßgabe, daß seine Abberufung nur aus wichtigem Grunde und nur durch einstimmigen Beschluß aller Mitglieder zulässig sei. Sie übertrugen dem Verwalter u. a. die Ausübung ihrer Stimmrechte, die ihnen aus ihren Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in deren Gesellschafterversammlungen zustehen (§ 5 Nr. 2a des Vertrages vom 12. August 1958); Beschlüsse der Schutzgemeinschaft (§ 7), die auf die Ausübung der Verwaltung vermittels der Stimmrechte Einfluß nehmen können, sind auf den Fall der Aufkündigung der Beteiligung eines Mitglieds der Schutzgemeinschaft bei einer dem Vertrag unterworfenen handelsrechtlichen Gesellschaft beschränkt (§ 8 Nr. 3).

Nachdem der Revisionsbeklagte (das FA) die Rückstellung zunächst für die Veranlagungszeiträume 1955 bis 1959 anerkannt hatte, versagte er nach Durchführung einer Betriebsprüfung im Jahre 1960 der Rückstellung unter Hinweis auf die Urteile des BFH I 11/58 S vom 5. Mai 1959 (BFH 69, 286, BStBl III 1959, 369) und I 4/59 S vom 4. August 1959 (BFH 69, 299, BStBl III 1959, 374) die Anerkennung, da die Versorgungszusage vom 1. Oktober 1952 nicht als ernsthaft zu betrachten sei. Der Einspruch der Steuerpflichtigen gegen die Berichtigungsbescheide sowie gegen die (die in vollem Umfang vorläufigen Bescheide für die Veranlagungszeiträume 1958 und 1959 berichtigenden) endgültigen Veranlagungsbescheide vom 23. Februar 1961 blieb insoweit ohne Erfolg. Die Berufung der Steuerpflichtigen wies das FG als unbegründet zurück.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Senat vermag angesichts der vom FG getroffenen Feststellungen, nach Lage der Akten und nach den einander widersprechenden tatsächlichen Vorträgen der Beteiligten im Revisionsverfahren der Steuerpflichtigen nicht darin zu folgen, daß der Berechtigte als Verwalter der Schutzgemeinschaft bereits zum 1. Oktober 1974 - als dem maßgebenden Pensionszeitpunkt - ohne seine Zustimmung abberufen werden könne. Wie der Vertrag über die Schutzgemeinschaft vom 12. August 1958 ergibt, kann der derzeitige Verwalter nur aus wichtigem Grunde und nur durch einstimmigen Beschluß aller Mitglieder abberufen werden. Da der Kaufmann F. als der Pensionsberechtigte und als der derzeitig bestellte Verwalter der Schutzgemeinschaft nicht zu deren Mitgliedern gehört, ist seine Abberufung ohne seine Zustimmung möglich, sobald das jüngste seiner Kinder volljährig geworden ist. Das ist, wenn man allein die im Vertrag vom 12. August 1958 aufgeführten Mitglieder der Schutzgemeinschaft in Betracht zieht, vom 3. Juni 1975 an der Fall. (Auch nach den Ausführungen des FA im Schriftsatz vom 28. März 1966 wird der jüngste Sohn des Berechtigten erst im Jahre 1975 volljährig, während die Steuerpflichtige im Schriftsatz vom 18. April 1966 auf die Volljährigkeit des vorletzten Sohnes am 26. Juli 1969 abstellt.)

Stellt man dagegen allein auf die Gesellschafter der Steuerpflichtigen ab, so könnten diese selbst dann nicht gegen den Willen des Berechtigten dessen Abberufung als Geschäftsführer der Steuerpflichtigen betreiben, wenn man den 26. Juli 1969, d. h. den Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit des jüngsten Mitgesellschafters ins Auge faßt. Denn nach dem Vertrag vom 12. August 1958 können sie auf die Tätigkeit des Verwalters der Schutzgemeinschaft vermittels ihrer Stimmrechte als Gesellschafter der Steuerpflichtigen insoweit keinen Einfluß nehmen, als es um die etwaige Abberufung des Geschäftsführers der Steuerpflichtigen geht. Daß seit dem 1. Januar 1960 auch der jüngste Sohn des Berechtigten Gesellschafter der Steuerpflichtigen ist, kann für die Beurteilung außer Betracht bleiben. Diese Beschränkung der Gesellschafter der Steuerpflichtigen in der Ausübung ihrer Stimmrechte - die insoweit allein bei dem Berechtigten als dem Verwalter der Schutzgemeinschaft liegen - ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil eine Anwendung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zur Beurteilung der Pensionszusage an den die Gesellschaft beherrschenden geschäftsführenden Gesellschafter entwickelt hat, nur dann in Betracht kommen kann, wenn im Pensionszeitpunkt - dem 1. Oktober 1974 - im Streitfall ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie sie in Ansehung eines geschäftsführenden Gesellschafters gelten.

2. Was die Anwendbarkeit der genannten Grundsätze auf Fälle wie den vorliegenden betrifft, so trägt der Senat - mit dem FG - keine Bedenken, den Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, der durch Vertrag mit den Gesellschaftern deren Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung auf sich vereinigt hat, einem die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter gleichzusetzen, wenn die so gegebene Stellung ihn in den Stand setzt, bei Eintritt des Pensionszeitpunkts selbst zu bestimmen, ob er aus der Geschäftsführung ausscheidet oder nicht. Das gilt um so mehr, wenn - wie hier - der Geschäftsführer zugleich der Vater der Gesellschafter ist und bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit des jüngsten von ihnen in der Ausübung der Stimmrechte aller Gesellschafter nicht geschmälert werden kann. Der Gleichlauf der wirtschaftlichen Interessen des Gesellschafters und Geschäftsführers, der die Rechtsprechung bei der Beurteilung rückwirkender Gehaltsvereinbarungen und der Anerkennung von Pensionsrückstellungen bestimmt (BFH-Urteile I 178/63 U vom 10. November 1965, BFH 84, 202, BStBl III 1966, 73, und I 135/65 vom 6. März 1968, BFH 92, 205, BStBl II 1968, 482 - für die rückwirkende Gehaltserhöhung mehrerer am Stammkapital der Gesellschaft zu weniger als 25 v. H. beteiligter geschäftsführender Gesellschafter; I 227/63 vom 8. Februar 1966, BFH 85, 313, BStBl III 1966, 323 - für die Pensionszusage an den nur bei Zusammenrechnung seiner Anteile mit denen seiner von ihm nicht getrennt lebenden Ehefrau die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter; I R 110/66 vom 30. November 1966, BFH 87, 343, BStBl III 1967, 153 - für die Pensionszusage an den unter Zurechnung der Anteile seiner abhängigen Kinder die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter), ist in Fällen wie dem vorliegenden ebenfalls gegeben, wie das FG zutreffend angenommen hat. Diese Entscheidung steht auch nicht in Widerspruch zu dem BFH-Urteil I R 49/66 vom 11. Januar 1967 (BFH 87, 566, BStBl III 1967, 264), demzufolge die Rückstellung für eine Pensionszusage an den Geschäftsführer einer GmbH steuerrechtlich nicht versagt werden kann, wenn zwar die Ehefrau des Geschäftsführers beherrschend, er selbst aber an der Gesellschaft nicht beteiligt ist.

3. Gleichwohl kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da es noch einiger tatsächlicher Feststellungen für die Anwendung der für die steuerrechtliche Beurteilung von Pensionsrückstellungen entwickelten Grundsätze auf den Streitfall bedarf. Dabei wird das FG neben dem BFH-Urteil I 193/62 S vom 15. Dezember 1965 (BFH 84, 557, BStBl III 1966, 202) auch das BFH-Urteil I 195/65 vom 25. September 1968 (BFH 93, 385, BStBl II 1968, 810) zu beachten haben. Nach diesem Urteil richtet sich die steuerrechtliche Behandlung der Pensionslast einer Kapitalgesellschaft auf Grund einer Pensionszusage an ihren sie beherrschenden geschäftsführenden Gesellschafter auch dann nach dem BFH-Urteil I 193/62 S, wenn für den Fall der Invalidität eine Pension nicht zugesagt worden ist.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 42

BFHE 1969, 26

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