Leitsatz (amtlich)

Forstrecht als einzige Grundlage des Unternehmens bei einer Geschäftsveräußerung im ganzen.

 

Normenkette

UStG 1951 § 2 Abs. 1, § 4 Nr. 9; UStDB 1951 § 85

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist seit 1945 wirtschaftliche Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Anwesens in R. Sie wird vom FA steuerlich als solche anerkannt. Der im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Vorbesitzer des Anwesens (S) macht aus seiner formellen Eigentümerstellung keinerlei Rechte geltend.

Die Steuerpflichtige betreibt die Landwirtschaft nicht. Wegen ihres hohen Alters und wegen des Mangels an Arbeitskräften ruht der landwirtschaftliche Betrieb seit Jahren. Es wird weder Vieh gehalten noch Getreide angebaut. Die Wiesen sind den Nachbarn zur unentgeltlichen Nutzung überlassen. Ein Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse findet nicht statt.

Mit dem Anwesen waren Forstrechte an mehreren Staatswaldgrundstücken verbunden. Die Steuerpflichtige hat das aufgrund der Forstrechte bezogene Holz teilweise verkauft und den Erlös zur baulichen Verbesserung des Bauernhauses (Einbau einer Zentralheizung, Einziehen von Betondecken, Errichtung von Zäunen und dergleichen) verwendet. Die Forstrechte wurden aufgrund des zwischen dem Land X und S geschlossenen, notariell beurkundeten Vertrages vom ... November 1961 abgelöst. Die Ablösungssumme betrug insgesamt 126 500 DM. Sie setzte sich zusammen aus 107 000 DM für jährlich 46,5 fm Blochholz (und zwar 102 000 DM für Bauholzanteil und 5 000 DM für Brennholzanteil), 5 300 DM für Schadenholz und 14 200 DM für Weiderechte. Der Gesamtbetrag wurde 1961 an S ausgezahlt und von diesem alsbald an die Steuerpflichtige weitergeleitet.

Streitig ist, ob, in welchem Umfange und ggf. zu welchem Steuersatz die Steuerpflichtige mit dem Verzicht auf die Forstrechte zur Umsatzsteuer heranzuziehen ist. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erblickte in dem streitigen Vorgang eine steuerbare und steuerpflichtige, zum allgemeinen Steuersatz von 4 v. H. zu versteuernde Leistung. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Im Klageverfahren hatte die Steuerpflichtige geltend gemacht: 1. sie sei keine Unternehmerin; 2. der Vorgang unterliege der Grunderwerbsteuer und sei daher gemäß § 4 Nr. 9 UStG 1951 umsatzsteuerfrei; 3. der Verzicht auf die Forstrechte stelle eine Geschäftsveräußerung im ganzen dar, für die der Steuersatz von 1 v. H. gelte (§ 85 Abs. 1 und 4 UStDB 1951); 4. es handele sich um eine Leistung, auf die gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a UStG 1951 der Steuersatz von 1,5 v. H. anzuwenden sei.

Im Revisionsverfahren macht die Steuerpflichtige nur noch die unter den Nrn. 1 und 3 aufgeführten Einwendungen geltend. Außerdem ist sie der Ansicht, daß - wenn überhaupt - nur der auf den Brennholzanteil entfallende Teil des Ablösungsbetrages (5 000 DM) zur Umsatzsteuer herangezogen werden könne.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß die Steuerpflichtige steuerbare und steuerpfichtige Umsätze bewirkt hat. Der Verzicht auf die Forstrechte zugunsten des Landes X stellt eine sonstige Leistung im Sinne des § 1 Nr. 1 UStG 1951 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 UStDB 1951 dar, die der Steuerpflichtigen zuzurechnen ist, weil sie das Grundstück in Eigenbesitz hatte (§ 11 Nr. 4 StAnpG) und infolgedessen die mit dem Grundstück verbundenen Forstrechte wirtschaftlich ihr zustanden.

Die Steuerpflichtige war zur Zeit der Ablösung der Forstrechte auch Unternehmerin. Denn sie hat sich durch den Verkauf eines Teils des aufgrund der Forstrechte bezogenen Holzes nachhaltig und selbständig zur Erzielung von Einnahmen betätigt. Zur Annahme der Nachhaltigkeit genügt es, wenn mehrere Handlungen unter Ausnutzung desselben dauernden Verhältnisses vorgenommen werden. Das Motiv des Tätigwerdens und die Art der Verwendung des vereinnahmten Entgelts spielen keine Rolle. Die Ablösung der Forstrechte war der letzte Akt dieser unternehmerischen Tätigkeit und daher ebenfalls umsatzsteuerbar.

Zu Recht hat das FG auch die Anwendung der Umsatzsteuer-Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 9 UStG 1951 abgelehnt. Der Verzicht auf die Forstrechte ist kein Rechtsvorgang, der unter das GrEStG fällt, weil die Forstrechte als solche keine Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts (§ 1 GrEStG), sondern lediglich wesentliche Bestandteile des herrschenden Grundstücks sind (vgl. §§ 96, 1018, 1068 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Landesgesetzes über die Forstrechte ..., § 93 BGB) und auch nicht gemäß § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG für das Gebiet des Grunderwerbsteuerrechts den Grundstücken gleichstehen.

Dagegen vermag der Senat dem FG insoweit nicht zu folgen, als es die Anwendung des Steuersatzes von 1 v. H. gemäß § 85 UStDB 1951 (Geschäftsveräußerung im ganzen) abgelehnt hat. Nach Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift ist die Veräußerung eines Geschäfts im ganzen gegeben, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet wird. Das FG hat untersucht, ob die zuletzt genannte Alternative vorliegt, und dabei übersehen, daß das Unternehmen der Steuerpflichtigen bis zum Zeitpunkt des Verzichts auf die Forstrechte allein im Verkauf des aus diesen Rechten stammenden Holzes bestand. Da die Landwirtschaft seit Jahren nicht betrieben wurde und daher kein Unternehmen bildete, war es müßig zu prüfen, ob der Holzverkauf ein "in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb" war. Der Holzverkauf war vielmehr alleiniger Gegenstand des Unternehmens und die Forstrechte bildeten, soweit sie den Bezug von Holz betrafen, seine einzige Grundlage. Diese Unternehmensgrundlage ist durch den Rechtsverzicht der Steuerpflichtigen auf das Land X übergegangen. Die Steuerpflichtige hat ihre Rechtsstellung bezüglich der einzigen Grundlage ihres Geschäfts in umfassender und vollständiger Weise an den Erwerber übertragen. Sie kann daher den ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. gemäß § 85 Abs. 4 UStDB 1951 in Anspruch nehmen.

Die Steuerpflichtige meint, daß - wenn überhaupt - nur der auf das Recht zum Bezug von Brenn holz entfallende Teil der Ablösungssumme (5 000 DM) zur Umsatzsteuer herangezogen werden könne. Statt des Brennholzes sei ihr schlagbares Nutzholz angewiesen worden, um das unrationelle Schlagen von Brennholz aus dem Staatswald zu vermeiden. Nur diesen, dem Brennholzanteil entsprechenden Teil des Nutzholzes habe sie gegen anderes Brennholz eingetauscht.

Dieses Vorbringen der Steuerpflichtigen muß in der Revisionsinstanz unberücksichtigt bleiben, weil es neu ist und außerdem zu den Angaben ihres Vertreters im Erörterungstermin vor dem FG am 16. Mai 1966 in Widerspruch steht. Danach hat die Steuerpflichtige die gesamten 46 (genau 46,50) fm Holz - nicht bloß den auf den Brennholzanteil entfallenden Teil des Holzes - verkauft. Außerdem ergibt sich aus den Steuerakten, daß die Steuerpflichtige gelegentlich auch Schadenholz bezogen und veräußert hat (vgl. das Schreiben der Steuerpflichtigen an das FA vom 27. August 1960). Aber selbst wenn die Behauptung der Steuerpflichtigen zuträfe und bereits im Klageverfahren geltend gemacht worden wäre, würde sich an der Rechtslage nichts ändern. Denn der Rechtsverzicht der Steuerpflichtigen, der Gegenstand der Umsatzbesteuerung ist, erstreckte sich auf das gesamte Forstrecht und nicht auf Teile davon. Aus welchen Teilen des Forstrechts das von der Steuerpflichtigen veräußerte Holz stammte (durch dessen wiederholten Verkauf sie zur Unternehmerin wurde) ist umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung.

Zweifelhaft ist die Beurteilung des Rechtsverzichts bezüglich der zum Forstrecht gehörenden Weiderechte. Diese hatten mit den Holzverkäufen nichts zu tun. Es würde aber zu keinem befriedigenden Ergebnis führen, wollte man den Verzicht auf die seit Jahren nicht in Anspruch genommenen Weiderechte als letzten Akt des seit Jahren eingestellten landwirtschaftlichen Betriebs oder als eine neue unternehmerische Tätigkeit auf dem Gebiet der Landwirtschaft ansehen mit der Folge, daß die Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Ablösung der Forstrechte auch als Landwirtin unternehmerisch tätig war und der Rechtsverzicht nicht als Geschäftsveräußerung im ganzen im Sinne des § 85 UStDB 1951 beurteilt werden kann, weil aus den vom FG angegebenen Gründen kein "gesondert geführter Betrieb" vorlag. Der Senat ist der Ansicht, daß das mit dem Grundstück der Steuerpflichtigen verbundene Forstrecht nach seiner geschichtlichen Entwicklung ein einheitliches Ganzes war und deshalb das Weiderecht umsatzsteuerlich ebenso zu behandeln ist wie das wertmäßig viel bedeutendere Holzrecht. Der Senat hält es daher für richtig, den ermäßigten Steuersatz des § 85 UStDB 1951 auf den Verzicht des gesamten Forstrechts anzuwenden.

 

Fundstellen

BStBl II 1969, 673

BFHE 1969, 452

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