Leitsatz (amtlich)

Die Kaufpreisforderung aus einem Grundstückskaufvertrag kann bei der Vermögensteuerveranlagung des Veräußerers auf einen vor dem Vertragsabschluß liegenden Stichtag auch dann nicht nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 angesetzt werden, wenn die veräußerten Grundstücksflächen schon dem Erwerber unanfechtbar zugerechnet worden sind.

 

Normenkette

BewG 1965 § 110 Abs. 1 Nr. 1; AO § 232 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Revisionsbeklagten und Kläger (=Eheleute, im folgenden Kläger genannt) sind jeder für sich Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs. Durch notarielle Verträge vom 17. Januar 1966 verkauften sie aus ihrem jeweiligen Eigentum Grundstücke an die Gemeinde S. Die Kaufpreisforderung des Ehemannes betrug für die von ihm verkauften Grundstücke X DM, die Kaufpreisforderung der Ehefrau Y DM. In den Verträgen war als Tag des Übergangs von Nutzungen und Lasten der 1. Januar 1966 bestimmt.

Der Revisionskläger und Beklagte (FA) rechnete die verkauften Grundstücksflächen zum 1. Januar 1966 der Gemeinde zu. Bei der Vermögensteuerveranlagung der zusammenveranlagten Kläger auf den 1. Januar 1966 setzte das FA die Kaufpreisforderungen von insgesamt X + Y DM beim sonstigen Vermögen an.

Die Einheitswertfortschreibung für den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers auf den 1. Januar 1966 wurde bestandskräftig. Hinsichtlich der von der Ehefrau verkauften Grundstücke wurde die Einheitswertfortschreibung durch Urteil des FG dahin geändert, daß der Klägerin zu 2. die verkauften Grundstücke zum 1. Januar 1966 noch zugerechnet blieben. Aufgrund dieses Urteils änderte das FA den Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1966 durch Änderungsbescheid nach § 94 AO dahin ab, daß es den der Klägerin zustehenden Kaufpreis von Y DM nicht mehr ansetzte. Die Kläger stellten daraufhin beim FG den Antrag nach § 68 FGO, diesen geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Wie in dem erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid, so machten die Kläger auch gegen den geänderten Bescheid geltend, der im Kaufvertrag angegebene Stichtag 1. Januar 1966 sei vom beurkundenden Notar willkürlich festgesetzt worden. Zwar hätten bereits im Jahre 1965 Vorverhandlungen über den Grundstücksverkauf stattgefunden, der Kaufvertrag selbst sei jedoch erst am 17. Januar 1966 abgeschlossen worden. Erst zu diesem Zeitpunkt sei man sich auch über den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf die Gemeinde einig geworden. Die Nutzung der verkauften Grundstücke sei noch bis zum Sommer 1966 beim Kläger verblieben.

Der Kaufpreisanspruch könne daher noch nicht am 1. Januar 1966 angesetzt werden.

Auf die Klage hin minderte das FG das Gesamtvermögen des Ehemanns um die hinzugerechnete Kaufpreisforderung unter Berücksichtigung einer geringfügigen Änderung des Einheitswerts seines landwirtschaftlichen Betriebs.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das die Hinzurechnung der dem Ehemann zustehenden Kaufpreisforderung von X DM zum Gesamtvermögen begehrt. Gerügt wird Verstoß gegen Bundesrecht durch unzutreffende Anwendung der §§ 9 und 110 BewG 1965.

Das FA ist der Meinung, daß durch die unanfechtbar gewordene Zurechnung der veräußerten Grundstücke an die Gemeinde sich eine mittelbare Bindungswirkung für die Vermögensteuer dahin ergebe, daß neben dem um die verkauften Grundstücksflächen geminderten Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs des Ehemannes eine Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums nicht mehr zum Ansatz komme. Wenn aber der Veräußerer seiner Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums an der veräußerten Sache nachgekommen sei, entstehe bei ihm der Anspruch auf den Kaufpreis. Aus der Zurechnung auf den Erwerber zum 1. Januar 1966 folge, daß wirtschaftlich und damit steuerlich auch der Anspruch des Ehemannes auf den Kaufpreis am 1. Januar 1966 bereits bestanden habe. Daß nur dieses Ergebnis sinnvoll sein könne, ergebe sich aus der Betrachtung der Erwerberseite. Der Erwerber hätte nämlich bei einer Vermögensermittlung auf den 1. Januar 1966, die wegen der entsprechenden Zurechnung der Grundstücksflächen mit dem Einheitswert hätten angesetzt werden müssen, sicherlich gleichzeitig die Kaufpreisverpflichtung als Schuld abziehen dürfen.

Die Kläger halten die Vorentscheidung für zutreffend und beantragen kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Bei dem dem Ehemann zustehenden Kaufpreisanspruch aus dem notariellen Vertrag vom 17. Januar 1966 handelt es sich um eine Kapitalforderung im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965. Nach dem im Bewertungsrecht geltenden Stichtagsprinzip können Forderungen nur dann angesetzt werden, wenn sie im Veranlagungszeitpunkt bestanden haben, d. h., wenn sie entstanden und noch nicht erloschen oder getilgt waren. Die Vorinstanz hat zutreffend ausgeführt, daß bei Grundstücksveräußerungen die aus dem Kaufvertrag sich ergebenden Ansprüche des Veräußerers wegen der zwingenden Vorschrift des § 313 BGB in der Fassung vor dem Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 30. Mai 1973 (BGBl I 1973 S. 501) erst mit der notariellen Beurkundung des Vertrags entstehen. Der hier maßgebende Stichtag ist demnach der 17. Januar 1966. Die vermögensteuerlichen Folgen können daher erst auf den Beginn des nächsten Veranlagungszeitpunktes, das ist der 1. Januar 1967, gezogen werden. Die Vereinbarung, daß Nutzungen und Lasten am 1. Januar übergehen sollen, erfolgt üblicherweise aus zivilrechtlichen Gründen im Hinblick auf den Übergang privater und öffentlicher Lasten und Rechte. Hierbei wird, worauf auch die Vorinstanz hinweist, zweckmäßigerweise ein Termin am Jahresanfang gewählt, um den Vertragsparteien die Ermittlung und Abgrenzung ihrer Rechtspositionen zu erleichtern.

Es ist zwar dem FA zuzugeben, daß die steuerliche Beurteilung von Ansprüchen, die in demselben Vertrag begründet sind, regelmäßig zu dem Ergebnis führen wird, daß bei der Vermögensbesteuerung Vermögen nicht doppelt erfaßt wird oder ganz unberücksichtigt bleibt. Dieser Fall ist aber denkbar, wenn sich die Beteiligten hinsichtlich des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums bereits vor dem Stichtag (1. Jan. 1966) einig gewesen sind und Besitz, Nutzen und Lasten schon auf den Erwerber übertragen haben und die notarielle Beurkundung dieser Vereinbarung lediglich formell nach dem Stichtag nachgeholt wird. Hier könnte eine Zurechnung der übertragenen Grundstücksflächen an den Käufer schon zum Stichtag erfolgen, obwohl die Kaufpreisforderung rechtlich noch nicht entstanden ist und auch nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 nicht angesetzt werden könnte, da sie in ihrer Entstehung an den Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages gebunden ist. Aus der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums im steuerrrechtlichen Sinne (§ 11 Nr. 4 StAnpG) könnte der Veräußerer einen zivilrechtlichen Kaufpreisanspruch nicht herleiten; ihm stände noch nicht einmal ein Bereicherungsanspruch zu, weil der bürgerlich-rechtliche Eigentumsübergang an die Eintragung ins Grundbuch gebunden ist, die in diesen Fällen erst nach dem Stichtag erfolgt.

Die Tatsache, daß die Fortschreibung des Einheitswerts für den landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns auf den 1. Januar 1966 unanfechtbar geworden ist, kann keinen Einfluß auf den Ansatz der Kaufpreisforderung als sonstiges Vermögen bei der Vermögensteuerveranlagung der Kläger auf den 1. Januar 1966 haben. Der Senat hat Bedenken, ob die Fortschreibung des Einheitswerts für den landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns überhaupt hätte durchgeführt werden dürfen. Nach Feststellungen des FG sind nämlich nur die Nutzungen und Lasten mit Wirkung vom 1. Januar 1966 auf den Erwerber übergegangen, nicht jedoch der Besitz an den veräußerten Grundstücksflächen. Wirtschaftlicher Eigentümer hätte der Erwerber aber nur dadurch werden können, daß er am Stichtag mindestens Besitzer der Grundstücksflächen war. Durch den notariellen Vertrag allein kann rückwirkend Besitz nicht übertragen werden. Die Frage, ob die Zurechnung zutreffend vorgenommen wurde oder nicht, kann jedoch im vorliegenden Verfahren, das die Vermögensteuerveranlagung der Kläger betrifft, nicht entschieden werden, da Einwendungen gegen Feststellung oder Fortschreibung von Einheitswerten gemäß § 232 Abs. 2 AO nur in jenem Verfahren berücksichtigt werden können. Entgegen der Auffassung des FG kann nicht aufgrund allgemeiner Erwägungen eine unrichtige Fortschreibung des Einheitswerts bei der Vermögensteuerveranlagung dadurch ausgeglichen werden, daß die Forderung aus einem nach dem Stichtag abgeschlossenen Kaufvertrag angesetzt werden könnte. Der Kaufpreis kann als Kapitalforderung im Sinne des § 110 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965 grundsätzlich erst nach seiner bürgerlich-rechtlichen Entstehung berücksichtigt werden.

Die Vorinstanz hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Rechtslage im Streitfall anders ist als bei der Frage, ob nach Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an einem Grundstück an den Erwerber der Veräußerer noch eine Sachleistungsverpflichtung geltend machen kann, weil das bürgerlich-rechtliche Eigentum am Stichtag noch nicht auf den Erwerber übergegangen war. Der erkennende Senat hat in den Urteilen vom 22. November 1968 III R 49/68 (BFHE 94, 498, BStBl II 1969, 226) und vom 30. April 1971 III R 89/70 (BFHE 102, 541 BStBl II 1971, 670) zu dieser Frage Stellung genommen. In beiden Fällen war der Kaufvertrag bereits vor dem maßgebenden Stichtag abgeschlossen worden. Ebenfalls vor dem Stichtag war der Besitz übergeben und sollten Nutzungen und Lasten vor dem Stichtag bzw. mit Beginn des 1. Januar übergehen. In diesen Fällen war die Zurechnung der übertragenen Grundstücke wegen Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums zu Recht erfolgt. Damit war zugleich für die Vermögensteuer mit bindender Wirkung entschieden, daß ein Sachleistungsanspruch des Erwerbers auf Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums nicht mehr besteht. Wenn aber auf seiten des Erwerbers kein Sachleistungsanspruch besteht, so kann auch auf seiten des Schuldners keine Sachleistungsschuld mehr angesetzt werden. Entgegen der Auffassung der Beteiligten ist der Sachverhalt dieser beiden Entscheidungen mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbar, weil hier nur über die Frage des Ansatzes einer nach dem Stichtag entstandenen Kaufpreisforderung zu entscheiden ist. Wie oben bereits dargelegt ist, kann die Kaufpreisforderung im Streitfall nicht angesetzt werden. Die Revision des FA erweist sich sonach als unbegründet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70798

BStBl II 1974, 263

BFHE 1974, 353

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