Leitsatz (amtlich)

Eine nach § 4 Nr. 5c GrStG von der Grundsteuer befreite Dienstwohnung ist im ehemaligen Geltungsbereich des Preußischen Kommunalabgabengesetzes nur gegeben, wenn die Wohnung formell einem bestimmten Stelleninhaber auf Grund seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses als Teil seines Einkommens zugewiesen ist und materiell die Benutzung der Wohnung zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung der dienstlichen Obliegenheiten erforderlich ist.

 

Normenkette

GrStG i.d.F. vom 24. August 1965 § 4 Nr. 5c

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt in X seit 1951 ein Knabengymnasium mit angeschlossenem Internat im Geist des katholischen Bildungsideals. Diese Schule ist eine private Ersatzschule, die staatlich anerkannt ist. Von den 450 Schülern wohnen 315 im Internat. An dem Gymnasium unterrichten 24 Lehrkräfte; davon sind 16 beamtet im Sinn des § 8 des Gesetzes über die Finanzierung der Ersatzschulen (EFGNW) vom 27. Juni 1961 (GVBI NW 1961 S. 230). Die beamteten Lehrkräfte sind im Verhältnis zum Kläger im wesentlichen den sonstigen vergleichbaren beamteten Lehrkräften im öffentlichen Dienst gleichgestellt; sie führen die Berufsbezeichnung "Studienrat im Kirchendienst" oder "Oberstudienrat im Kirchendienst". In dem Internat sind außer den vorgenannten Lehrkräften 14 hauptberufliche Erzieher tätig, von denen einige am Gymnasium Religionsunterricht erteilen.

Der Kläger hat für die Unterbringung der beamteten Lehrkräfte 12 Wohnungen, im wesentlichen Einfamilienhäuser, in einer Entfernung von etwa 500m bis 2 km zur Schule errichtet. Diese Wohnungen werden den Lehrern unter Anrechnung auf ihre Bezüge als Dienstwohnungen zugewiesen. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die grundsteuerliche Behandlung eines der Einfamilienhäuser in X, das nach seiner Errichtung im Jahr 1956 dem Oberstudienrat im Kirchendienst K. als Dienstwohnung zugewiesen wurde; der Wohnungsinhaber erteilt Unterricht in allgemeinbildenden Fächern.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat für dieses Einfamilienhaus zum 1. Januar 1971 durch Nachfeststellung einen Einheitswert festgestellt und einen Grundsteuermeßbetrag festgesetzt.

Der Einspruch war erfolglos.

Auf die Klage hob das FG den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermeßbescheid ersatzlos auf.

Das FG anerkannte zwar, daß auch eine Nachfeststellung zur Fehlerbeseitigung und eine damit zusammenhängende Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags zulässig sei. Es war aber der Meinung, daß die Bescheide materielles Recht verletzen.

Mit der Revision rügt das FA, die durch die Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) als Kirchendiener anerkannten Lehrer an einer landeskirchlichen theologischen Lehranstalt und an einer bischöflichen Akademie könnten nicht mit Gymnasiallehrern gleichgestellt werden. Von den Schülern des Gymnasiums des Klägers würden nur die wenigsten Theologen, während von den Studenten an kirchlichen Akademien nur die wenigsten nicht Theologen würden. Die Akademie diene dazu, in erster Linie Geistliche heranzubilden, das Gymnasium Allgemeinwissen zu vermitteln. Damit könnten die Lehrer des Gymnasiums nicht Kirchendiener sein. Außerdem handele es sich bei dem streitbefangenen Grundstück nicht um eine Dienstwohnung. Eine Dienstwohnung sei nicht gegeben, wenn das Wohnen in der Nähe des Arbeitsplatzes nur der Bequemlichkeit des Wohnungsinhabers diene.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.

1. Nach § 4 Nr. 5c GrStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des GrStG vom 24. August 1965 (BGBl I 1965, 905; BStBl I 1965, 407) sind u. a. die Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften bis zum Ende des Kalenderjahres von der Grundsteuer befreit, in dem die schon vor dem 1. April 1938 nach landesgesetzlichen Vorschriften geltenden Grundsteuerbefreiungen abgelöst werden. Der Senat hat mit Urteil vom 9. Juli 1971 III R 19/69 (BFHE 103, 85, BStBl II 1971, 781) entschieden und hält aus den in der Urteilsbegründung ausgeführten Gründen daran fest, daß durch die Neufassung des § 4 Nr. 5c GrStG der sachliche Umfang der Befreiungsvorschrift gegenüber der vorher geltenden Fassung vom 10. August 1951 (BGBl I 1951, 519; BStBl I 1951, 466) nicht verändert wurde. Nach § 4 Nr. 5c GrStG 1951 sind die Dienstwohnungen der Geistlichen und Kirchendiener in dem Umfang von der Grundsteuer befreit, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren. Hieraus folgt, daß die Befreiung der Dienstwohnungen in Gebieten, in denen vor dem 1. April 1938 nach Landesrecht ein Grundsteuerprivileg der Kirchen bestand, durch die Regelung des damals maßgebenden örtlichen Landesrechts bestimmt und begrenzt wird.

2. § 24 Abs. 1 Buchst. k des für die Belegenheit des Grundstücks des Klägers maßgebenden Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 (Preußische Gesetzsammlung 1893 S. 152 - PrGS 1893, 152 -) bestimmte u. a. , daß die Dienstwohnungen der Geistlichen, Kirchendiener und Volksschullehrer von der Grundsteuer ausgenommen sind, soweit ihnen bisher Steuerfreiheit zugestanden hat. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Oberstudienrat im Kirchendienst, der das Grundstück des Klägers bewohnt, ein Kirchendiener im Sinn des anzuwenden Landesrechts ist, denn die auf dem Grundstück befindliche Wohnung ist keine Dienstwohnung im Sinn dieses Landesrechts.

Nach preußischem Landesrecht ist eine Dienstwohnung nur dann gegeben, wenn formell die Wohnungsnutzung dem Inhaber auf Grund seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nach den Bestimmungen seiner vorgesetzten Behörde als Teil seines Diensteinkommens überlassen ist und materiell die Benutzung der Wohnung zur ordnungsmäßigen Wahrnehmung der dienstlichen Obliegenheiten, wie sie durch die vorgesetzte Dienstbehörde tatsächlich geregelt worden sind, erforderlich ist (OVG-Entscheidungen vom 8. März 1910 VIII C 75/09, OVGE 56, 174 und vom 1. März 1912 VIII C 220/11, Preußisches Verwaltungs-Blatt 33, 504). Der Senat kann die Auffassung des FG nicht teilen, das materielle Erfordernis entspreche nicht der historischen Entwicklung und sei deshalb vom OVG als Voraussetzung für die Grundsteuerfreiheit nicht verlangt worden. Das Gegenteil ergibt sich aus den vorgenannten Entscheidungen, die für die Annahme einer Dienstwohnung verlangen, es müsse sich um bestimmte Räume handeln, die einem bestimmten Stelleninhaber zugewiesen sind (OVG-Entscheidung VIII C 75/09) und weiter ausführen, es unterliege der Nachprüfung des Gerichts, ob es zur Wahrnehmung der dienstlichen Obliegenheiten des Wohnungsinhabers erforderlich ist, daß er sich an der betreffenden Stelle dauernd aufhalte und die Wohnung zugewiesen worden sei, um diesen dauernden Aufenthalt zu ermöglichen (OVG-Entscheidungen VIII C 220/11 und vom 17. März 1911 VIII C 195/10, Preußisches Verwaltungs-Blatt 33, 315).

Das FG hat unangefochten und damit für den Senat verbindlich festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß in dem Internat des Klägers 14 hauptberufliche Erzieher tätig sind. Hieraus folgt mittelbar, daß die Benutzung der Wohnung durch einen Gymnasiallehrer nicht im Zusammenhang mit der wohnlichen Unterbringung des größten Teils der Schüler in dem der Schule angeschlossenen Internat zusammenhängt. Der Kläger hat zwar im finanzgerichtlichen Verfahren ausgeführt, bei einer Schule wie der in X erforderten es die persönliche Begegnung zwischen Lehrer und Schüler und die Zusamenarbeit der Lehrer mit dem Internat, daß den Lehrern auch Wohnungen bereitgestellt würden, die von der Schule und vom Internat ohne längeren Weg bequem erreichbar seien. Dagegen hat das FA mit der Revision unwidersprochen vorgetragen, das weltanschauliche Ziel des Gymnasiums, katholisches Glaubensgut zu vermitteln und die Neigung zum Priesterberuf zu wecken, würde nicht von den Lehrern des Gymnasiums, sondern von den geistlichen Erziehern des Internats verfolgt. Dafür spricht der dem FG vorgelegte Dienstvertrag mit den beamteten Lehrern, wonach der Umfang ihrer Beschäftigung nach den für entsprechende hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen geltenden Bestimmungen festgesetzt wird. Das FG hat jedenfalls nicht festgestellt, daß der Wohnungsinhaber auf Grund der Regelung des Dienstbetriebs durch den Kläger sich in dieser Wohnung zur Wahrnehmung seiner dienstlichen Obliegenheiten aufhalten müßte. Mangelnde Sachaufklärung wurde von keinem Verfahrensbeteiligten gerügt. Damit muß der Senat jedenfalls in diesem Verfahren davon ausgehen, daß die Errichtung und Zuweisung der Wohnung nicht im dienstlichen Zusammenhang mit der Unterrichtserteilung durch den Wohnungsinhaber steht, sondern nur eine anerkennenswerte Fürsorgemaßnahme des Klägers gegenüber seinen am Gymnasium tätigen beamteten Lehrkräften ist. Eine Wohnungszuweisung aus Gründen sozialer Fürsorge begründet jedoch, wie oben dargelegt, für sich allein keine Dienstwohnung im Sinn des Preußischen Kommunalabgabengesetzes (vgl. auch Nöll-Freund-Surén, Kommunalabgabengesetz, 9. Aufl., § 24 Anm. 12 n) und damit auch nicht im Sinn des § 4 Nr. 5c GrStG.

3. Der Vorentscheidung liegt eine andere Rechtsauffassung zugrunde; sie war deshalb aufzuheben.

Die Sache ist spruchreif. Auf Grund der Feststellungen des FG muß der Senat bei zutreffender rechtlicher Würdigung des Sachverhalts die Folgerung ziehen, daß es sich bei der Wohnung des Klägers nicht um eine Dienstwohnung im Sinn des § 4 Nr. 5c GrStG handelt. Die Klage war deshalb abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70366

BStBl II 1973, 377

BFHE 1973, 442

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