Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Leistet ein Steuerpflichtiger Sparbeiträge über ein laufendes Bankkonto mit Debetsaldo, so kann die Vermutung, daß Kreditaufnahme und Sparen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, zum Beispiel durch den Nachweis ausgeräumt werden, daß der Debetsaldo ausschließlich durch die Gewährung und Ausnutzung eines zweckgebundenen Sonderkredits entstanden ist.

 

Normenkette

EStG § 10/1/2/d

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat Ende 1953 mit einem Kreditinstitut einen allgemeinen Sparvertrag über 40.000 DM abgeschlossen. Das Finanzamt erkannte davon nur einen Teilbetrag von 9.364 DM als Sonderausgabe (begünstigte Kapitalansammlung) nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 an. Den weiteren Betrag von 30.636 DM berücksichtigte es nicht als Sonderausgabe, weil dieser Teil der Spareinlage mit der Aufnahme eines Kredites in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehe. Auf dem Girokonto des Bf. sei am 31. Dezember 1953 ein Debetsaldo von 70.079 DM ausgewiesen gewesen, der sich infolge der Umbuchung auf das Sparkonto am gleichen Tag noch um 30.636 DM erhöht habe. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 547/54 U vom 5. April 1956 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 186, Slg. Bd. 62 S. 498) seien unter fremden Mitteln im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1951 solche zu verstehen, die nicht aus eigenem Vermögen oder Einkommen des Steuerpflichtigen stammten. Wie Hoffmann (Finanz-Rundschau 1956 S. 372) zutreffend bemerkte, sei es oft schwierig festzustellen, ob Kapitalansammlungsverträge mit fremden Mitteln gebildet worden seien. Der Gesetzgeber habe nur das Sparen durch Kredit, aber nicht bei Kredit verboten. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs komme es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Sparbeiträge aus eigenem Vermögen oder eigenen Einkünften hätte leisten können; entscheidend sei vielmehr, ob er sie aus verfügbaren eigenen Mitteln geleistet habe. Der Bf. sei unter Berufung auf Schneider-Ludorff (Der Betriebs-Berater 1956 S. 1190 ff.) der Auffassung, daß nach vollständiger Ausnutzung eines Sonderkredites ein Strich gemacht werden müsse und alle weiteren Kostenbewegungen mit der Frage der Verwendung fremder Mittel nichts mehr zu tun hätten. Diese Auffassung sei nicht zu billigen (vgl. auch Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25. Januar 1957 in Entscheidungen der Finanzgerichte 1957 S. 233).

Der Bf. macht mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) insbesondere geltend, er habe im Frühjahr 1953 bei der Bank einen Sonderkredit von 130.000 DM aufgenommen, um das Betriebsgebäude zu erweitern und das dafür notwendige zusätzliche Inventar anzuschaffen. Den zugesagten Kredit habe er nicht über ein Sonderkonto, sondern über das allgemeine Girokonto laufen lassen, um Zinsen zu sparen. Denn wenn er den Kredit über ein Sonderkonto genommen hätte, so hätte er sofort den ganzen Kreditbetrag verzinsen müssen. Da er den Kredit aber über das allgemeine Girokonto habe laufen lassen, so habe er Zinsen nur nach Massgabe der Inanspruchnahme des Kredites zahlen müssen. Der Sonderkredit sei zweckgebunden gewesen. Ohne den Sonderkredit, den er mit 108.072 DM in Anspruch genommen habe, würde auf dem Girokonto am 31. Dezember 1953 trotz der streitigen Spareinlage noch ein Guthaben von 5.556 DM ausgewiesen worden sein.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Der Senat hat in der Entscheidung VI 207/58 S vom 5. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 58) zu der Frage Stellung genommen, ob und unter welchen Voraussetzungen Spareinlagen im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1953 in unmittelbarem oder mittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Aufnahme eines Kredites stehen, wenn ein Steuerpflichtiger die Spareinlage von einem laufenden Girokonto mit Debetsaldo hat abbuchen lassen. Die Tatsache, daß ein Steuerpflichtiger die Spareinlage von einem solchen laufenden Konto abbuchen läßt, bedeutet nicht ohne weiteres, daß er mit fremden Mitteln gespart hat. In solchen Fällen besteht zwar die Vermutung, daß die Entstehung oder Erhöhung des Debetsaldos auf dem laufenden Konto mit dem Sparen in wirtschaftlichem Zusammenhang steht. Wie der Senat in der Entscheidung VI 207/58 S ausgeführt hat, kann der Steuerpflichtige aber Umstände darlegen, die in seinem Fall die Vermutung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und Sparen ausräumen. In der erwähnten Entscheidung ist bereits darauf hingewiesen worden, daß der Nachweis zum Beispiel dadurch erbracht werden kann, daß die Entstehung des Debetsaldos auf einen in Anspruch genommenen Sonderkredit für einen bestimmten Zweck zurückzuführen ist.

So liegt die Sache im Streitfall. Unbestritten ist der Debetsaldo darauf zurückzuführen, daß der Bf. von dem eingeräumten Baukredit von 130.000 DM insgesamt 108.000 DM abgehoben hat. Hätte er den Sonderkredit über ein Sonderkonto laufen lassen, so hätte unbestritten das laufende Konto einen Habensaldo ausgewiesen. Hätte der Bf. dann von dem laufenden Konto eine Spareinlage abbuchen lassen, so wäre ein Debetsaldo nicht entstanden. Wie der Bf. dargetan hat, waren es wirtschaftliche Zweckmäßigkeitserwägungen, die ihn veranlaßten, den Sonderkredit nicht über ein Sonderkonto, sondern über das allgemeine laufende Konto gehen zu lassen. Der Verknüpfung des Sondervorgangs mit dem laufenden Konto kann bei wirtschaftlicher Betrachtung keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden. Der Fall muß so behandelt werden, als ob der Bf. den Sonderkredit besonders behandelt hätte. In diesem Fall würde aber, wie gesagt, das laufende Konto ein so hohes Guthaben ausgewiesen haben, daß der Bf. die Spareinlage davon hätte abbuchen lassen können, ohne ins Debet zu kommen. Der Bf. hat also nicht durch Kredit, sondern bei Kredit gespart.

Die Vorentscheidungen, die von anderer Rechtsauffassung ausgegangen sind, müssen wegen unrichtiger Anwendung von § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1953 aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das im Einspruchsverfahren die Steuer anderweit festzusetzen hat. Es hat dabei davon auszugehen, daß der Bf. den streitigen Betrag von 30.636 DM im Rahmen des Höchstsatzes als Sonderausgabe berücksichtigen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409252

BStBl III 1959, 62

BFHE 1959, 157

BFHE 68, 157

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