Leitsatz (amtlich)

Bei der Bemessung des Streitwerts für das Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung sind Auswirkungen auf das gewerbesteuerliche Verfahren (§ 35b GewStG) nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

FGO § 140 Abs. 3; GewStG 1962 § 35b

 

Gründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist unzulässig, da der Streitwert die Streitwertgrenze des § 115 Abs. 1 FGO nicht erreicht und die Revision nicht zugelassen worden ist.

Der Streit geht hier nicht darum, ob die Zahlung an S. zu versteuern ist, sondern ob sie eine Vergütung im Sinn des § 15 Nr. 2 EStG oder nachträgliche Einkünfte aus einer ehemaligen nichtselbständigen Arbeit darstellt. Die zu schätzende einkommensteuerliche Auswirkung, die nach der Rechtsprechung des BFH allein zu berücksichtigen ist, ist gering, wie der Senat in den Beschlüssen IV 3/64 vom 25. August 1966 (BFH 86, 569, BStBl III 1966, 611) und IV R 64/66 vom 26. Januar 1967 (BFH 88, 21, BStBl III 1967, 254) ausführte. Hier ist demgemäß ein Streitwert von 25 % von 500 DM = 125 DM zugrunde zu legen.

Das FA ist der Auffassung, es müßten auch die gewerbesteuerlichen Auswirkungen mit berücksichtigt werden. Zwar sei der in einem Gewinnfeststellungsbescheid festgestellte Gewinn nicht für die erstmalige Ermittlung des Gewerbeertrags im Gewerbesteuerverfahren bindend, doch sei das anders, wenn es darum gehe, ob ein Feststellungsbescheid geändert werden müsse. Denn dann schreibe § 35b GewStG für den Fall einer Änderung zwingend vor, daß auch der Gewerbesteuerbescheid zu ändern sei (Hinweis auf das Urteil des Senats IV 403/61 U vom 30. Juli 1964, BFH 80, 166, BStBl III 1964, 534).

Der Senat berücksichtigte schon in seinem Beschluß IV 64/66 die durch § 35b GewStG verursachte Rückwirkung auf die Gewerbesteuer nicht. Der Senat behandelte damals auch die Auswirkung auf die Höhe des Gewerbeertrags nach § 7 GewStG und sprach bei dieser zusammenfassenden Betrachtung nur von einer "faktischen" Auswirkung auf die Höhe des Gewerbeertrags. Es ist dem FA zuzugeben, daß § 35b GewStG sogar bindend vorschreibt, daß eine Änderung des Feststellungsbescheids eine Änderung des Gewerbesteuermeßbetragsbescheids nach sich ziehen muß (BFH-Urteil IV 403/61 U). Dennoch bleibt der Senat bei seiner Meinung.

Es entspricht der Systematik des Steuerrechts und des Steuerverfahrensrechts, daß die einzelnen Steuerarten grundsätzlich voneinander unabhängig und daher auch für den Streitwert nur die unmittelbaren Auswirkungen bei der Steuerart in Betracht zu ziehen sind, die Gegenstand des Streits ist (BFH-Urteil IV 410/55 U vom 25. August 1955, BFH 61, 261, BStBl III 1955, 298). Der RFH führte bereits aus (Urteil VI A 986/33 vom 12. September 1933, RStBl 1933, 964), daß es mit dem in der Beschränkung der Rechtsmittel durch Festlegung einer Streitwertgrenze zum Ausdruck kommenden Vereinfachungsgedanken nicht zu vereinbaren sei, allein wegen des Streitwerts nach allen Richtungen hin zu prüfen, welche Steuern im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand für den Steuerpflichtigen noch in Betracht kommen könnten. Im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung lehnte deshalb die Rechtsprechung eine Berücksichtigung der gewerbesteuerlichen Auswirkung stets ab, weil sich das Feststellungsverfahren auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, nicht aber die Gewerbesteuer bezieht. Allerdings ließ der RFH hier eine Ausnahme zu für den Fall, daß die Entscheidung im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung für das Gewerbesteuerverfahren bindend ist, daß aber die Gesellschaft oder ihre Gesellschafter im einkommensteuerrechtlichen Sinne nicht beschwert sind, sich also gegen die Feststellung weder im Feststellungsverfahren noch im Gewerbesteuerverfahren zur Wehr setzen können. Das sei, so führt der RFH aus, z. B. der Fall, wenn der Streit darum gehe, ob Einkünfte gewerbliche oder solche aus Kapitalvermögen oder aus Arbeitslohn seien (RFH-Urteil VI A 986/33; Gutachten des Großen Senats des RFH Gr. S. D 3/38 vom 28. Mai 1938, RStBl 1938, 554).

Diese Voraussetzungen, bei deren Vorliegen der RFH eine Ausnahme machen wollte, sind indessen auch nach Einführung des § 35b GewStG nicht gegeben. Eine Verkürzung des Rechtsschutzes des Steuerpflichtigen tritt nicht ein. Er kann, wenn und soweit er sich auch in derartigen Fällen einkommensteuerlich beschwert fühlt, Rechtsbehelfe gegen den Feststellungsbescheid ergreifen mit der Folge, daß eine Änderung zu seinen Gunsten sich nach § 35b GewStG auch gewerbesteuerlich auswirken muß. Er muß aber dabei in Kauf nehmen, daß er in der Regel nicht in das Revisionsverfahren gelangen kann, sich also auf eine etwaige Zulassung der Revision verlassen. Er kann andererseits - trotz des § 35b GewStG - Rechtsbehelfe im Gewerbesteuerverfahren ergreifen mit der Folge, daß die nur zur Verfahrensvereinfachung gedachte Kopplungsvorschrift des § 35b GewStG außer Kraft gesetzt ist (BFH-Urteil IV 403/61 U).

Die Tatsache, daß der Steuerpflichtige beide Rechtsbehelfe ergreifen kann, daß aber dem Gericht in der Regel nicht bekannt ist, ob er nicht auch den Gewerbesteuermeßbetragsbescheid angefochten und damit die durch § 35b GewStG vorgesehene bindende Wirkung einer im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung ergehenden Entscheidung ausgeschaltet ist, rechtfertigt es, daß auch hier jedes Verfahren für sich betrachtet wird und das auch für den Streitwert gilt.

Das FA ist durch die Rechtsprechung des Senats nicht in unbilliger Weise benachteiligt. Es hat allerdings im Gegensatz zu der Gesellschaft, deren Gewinn festgestellt wird, keine Wahl, welcher Rechtsmittelweg zu beschreiten ist. Es hat aber zwei Verwaltungsakte erlassen und muß sich gefallen lassen, daß beide oder - nach Wahl der Gesellschaft - nur einer davon angefochten wird.

Wählt der Steuerpflichtige den Weg der Anfechtung im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung und gibt ihm das FG recht, so tritt zwar zwangsläufig eine für das FA ungünstige Folge für die Gewerbesteuer ein (§ 35b GewStG). Der Steuerpflichtige trägt aber das gleiche Risiko des endgültigen Verlustes seiner Position, wenn er nur den Weg der Anfechtung im Feststellungsverfahren wählt. Denn die für ihn ungünstige Entscheidung des FG im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung bewirkt, daß es bei dem Feststellungsbescheid verbleibt und - mangels Anfechtung - damit auch bei dem Gewerbesteuermeßbescheid. Das Wahlrecht des Steuerpflichtigen wirkt sich nur dahin aus, daß er bestimmt, wieviele Instanzen zur Verfügung stehen.

Durch die Rechtsprechung des Senats wird der Rechtsschutz beider Parteien nicht mehr verkürzt, als es dem Wesen der Beschränkung der Revision durch eine Streitwertgrenze entspricht. Denn wenn die vom FG entschiedene Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist oder wenn das FG von der Rechtsprechung des BFH abweicht, ist die Revision zuzulassen. Entspricht die Entscheidung des FG aber höchstrichterlicher Rechtsprechung und sind keine neuen Gesichtspunkte hervorgetreten, die ihr grundsätzliche Bedeutung in dem Sinne verleihen könnten, daß eine Überprüfung dieser Rechtsprechung erforderlich erscheint, so besteht kein dringendes Bedürfnis für eine Nachprüfung.

Die Rechtsprechung des BFH hat daher im wesentlichen nur die Wirkung, daß der Streitwert niedrig gehalten wird. Das aber rechtfertigt nicht, von dem Grundsatz der Selbständigkeit der einzelnen Steuerverfahren abzugehen.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 62

BFHE 1968, 277

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