Leitsatz

Die Parteien stritten über den nachehelichen Betreuungsunterhalt. Das KG hatte zu entscheiden, inwieweit der betreuende Elternteil vorhandene staatliche Betreuungseinrichtungen, eine Betreuung durch die Großeltern und durch den anderen Elternteil nutzen muss, um seiner Erwerbsobliegenheit nachkommen zu können.

Die Parteien hatten am 9.9.1999 geheiratet und waren durch das angefochtene Verbundurteil vom 22.7.2008 geschieden worden. Der fast 8-jährige gemeinsame Sohn lebte in dem Haushalt seiner Mutter, der das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde. Der Ehemann wurde im Verbund zur Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. insgesamt 241,74 EUR verurteilt. Die weitergehende Unterhaltsklage der Ehefrau wurde abgewiesen.

Der gemeinsame Sohn der Parteien besuchte bis 15.00 Uhr den Hort. Das erstinstanzliche Gericht vertrat die Auffassung, der Ehefrau sei im Hinblick auf das betreuungsbedürftige Kind eine Vollzeittätigkeit nicht zumutbar. Auf andere Betreuungsmöglichkeiten sei nicht abzustellen, da es sich hierbei um freiwillige Leistungen Dritter handele, die unterhaltsrechtlich ohne Bedeutung seien. Der Ehemann war der Ansicht, die Ehefrau könne ihre Erwerbstätigkeit ohne weiteres ausweiten.

Gegen das erstinstanzliche Urteil wandte er sich mit der Berufung. Sein Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das KG hielt die von der Ehefrau ausgeübte Tätigkeit als Rechtsanwalts- und Notargehilfin mit 25 Stunden wöchentlich für angemessen und lehnte eine darüber hinausgehende Erwerbspflicht aus Gründen des Kindeswohls und der nachehelichen Solidarität ab. Würde sie den ganzen Tag erwerbstätig sein, hätte dies zur Folge, dass der gemeinsame Sohn der Parteien, der bereits eine intakte Familienbeziehung verloren habe, auch weitgehend auf die mütterliche Zuwendung verzichten müsse, wenn diese - wie von ihr nachvollziehbar dargelegt - erst kurz vor 19.00 Uhr nach Hause komme. Das Wohl des Kindes sei damit unmittelbar nachteilig berührt.

Den Gesetzesmaterialien zur Unterhaltsrechtsreform könne keine Verpflichtung der Eltern entnommen werden, ihr Kind von 8.00 Uhr morgens bis 18.00 Uhr abends durch dritte Personen betreuen zu lassen. Kinder dürften von ihren Eltern und nicht nur von Fremdbetreuern persönliche Zuwendung, Anerkennung und nicht zuletzt Förderung erwarten. Gerade auch wegen der Schulsituation in den Grundschulen in Berlin und des dort bestehenden gerichtsbekannten Personalmangels forderten Lehrer zunehmend von den Eltern häusliche Nacharbeit mit den Kindern, weil der Schulstoff nicht mehr angemessen vermittelt werden könne. Der betreuende Elternteil könne seiner Förderungspflicht neben einer Volltagstätigkeit schon aus zeitlichen Gründen regelmäßig nicht gerecht werden.

Entgegen der Auffassung des Ehemannes sei eine sonstige zumutbare Betreuung nicht vorhanden. Soweit er sich selbst als Betreuungsperson anbiete, scheitere die Zumutbarkeit an dem nicht aufgearbeiteten Konflikt zwischen den Eltern. Eine regelmäßige nachmittägliche Betreuung durch den Vater könne den Sohn in einen dauerhaften Loyalitätskonflikt bringen, der seinem Wohl widerspreche.

 

Hinweis

Das KG hat sich mit dieser Entscheidung im Ergebnis den vom BGH aufgestellten Grundsätzen angeschlossen und klargestellt, dass allein die Möglichkeit einer vollschichtigen Kinderbetreuung nicht automatisch zu einer vollschichtigen Erwerbspflicht des betreuenden Elternteils führt (BGH v. 16.7.2008 - XII ZR 109/05 in FamRZ 2008, 1739).

Der BGH hat in der genannten Entscheidung, in der es um einen Unterhaltsanspruch bei Betreuung eines nichtehelichen Kindes gemäß § 1615l Abs. 2 BGB ging, angedeutet, dass sich eine Pauschalierung des Betreuungsbedarfs anhand des Alters der Kinder anbiete. Der Gesetzgeber habe eine starre und schematische Anwendung des überholten Altersphasenmodells abgelehnt.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin, Urteil vom 08.01.2009, 16 UF 149/08

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