Leitsatz

Kein Änderungsanspruch vereinbarter Kostenverteilung allein zulasten der Nutzer (hier: einer Aufzugsanlage)

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 2 Satz 3, 16 Abs. 3 und 4 WEG

 

Kommentar

  1. Die Klägerin ist Eigentümerin einer Teileigentumseinheit im Erdgeschoss und eines Tiefgaragenstellplatzes im Haus mit einer Aufzugsanlage. In der Teilungserklärung ist Umlage der Betriebskosten im Verhältnis der Flächen vereinbart.

    In einer Eigentümerversammlung 2011 wurde der Beschlussantrag, dass die Betriebskosten des Aufzugs ab dem Geschäftsjahr 2012 nur von den Eigentümern getragen werden sollen, welche den Aufzug nutzen können, mit knapper Mehrheit im Sinne eines Negativbeschlusses abgelehnt.

    Nachfolgend kam es zu weiterer Beschlussfassung, dass für den Kauf und die Einrichtung eines Notrufmoduls nur die Eigentümer herangezogen werden, welche den Aufzug nutzen. Die Abstimmung hierüber ergab eine knappe positive Mehrheit. Verkündet wurde allerdings mehrheitliche Ablehnung, da die erforderliche doppeltqualifizierte Mehrheit nicht erreicht worden sei.

    Klägerseits wurde beantragt, beide Beschlüsse für ungültig zu erklären sowie die Beklagten zu verurteilen, zu beiden Punkten positive Beschlüsse zu fassen.

    Die zulässige Klage wurde als unbegründet abgewiesen.

  2. Beide Beschlussfassungen entsprechen ordnungsgemäßer Verwaltung.

    Der Antrag zum ersten Negativbeschluss beinhaltet eine Abänderung der Kostenverteilung hinsichtlich der Betriebskosten des Aufzugs gemäß § 16 Abs. 3 WEG. Insoweit können Miteigentümer eine Änderung beschließen, allerdings nach ihrer Ermessensentscheidung dies auch unterlassen. Ablehnung einer Änderung widerspricht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn ein Anspruch auf entsprechende Beschlussfassung bestehen sollte. Hiervon wäre nur bei berechtigter Individualforderung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG auszugehen (vgl. hierzu Jennißen, WEG-Ktr. § 16 Rn. 73). Voraussetzung ist insoweit, dass "ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer unbillig erscheint". Ein Festhalten an bisheriger Vereinbarungsregelung muss hier nach den gesamten Umständen des Einzelfalls unzumutbar sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, in welchem Verhältnis die Mehrbelastung der Klägerin nach bisheriger Kostenverteilung zu den von ihr insgesamt zu tragenden Kosten steht. Eine Mehrbelastung von bis zu 25 % muss in der Regel geduldet werden (so auch die BGH-Rechtsprechung). Vorliegend lag die Mehrbelastung der Klägerin hinsichtlich der Aufzugsbetriebskosten nach den Einzelabrechnungen bisher erheblich unter 25 %. Im Übrigen war die Kostenverteilung nach Teilungserklärung insoweit auch der Klägerin beim Erwerb ihrer Einheiten bekannt (vgl. OLG München, WuM 2007 S. 349 und OLG Hamburg, ZMR 2006 S. 220). Es gab auch keine Trennungsvereinbarung nach Wirtschaftseinheiten, sodass sämtliche Kosten des Gemeinschaftseigentums auch von allen Miteigentümern getragen werden müssen, und zwar unabhängig davon, wem sie zugute kommen oder wer hiervon mehr oder weniger profitiert. Weiterhin war der Beschlussantrag viel zu unbestimmt formuliert, wenn von einem "nutzen können" des Aufzugs gesprochen wird. Außer den Wohnungseigentümern kann auch die Gewerbeeinheit den Aufzug nutzen, u.U. auch, um ihren Tiefgaragenstellplatz zu erreichen. Es ist also auch nicht davon zu sprechen, dass nur die Wohnungseigentümer alleinige Nutznießer des Aufzugs seien; Streit sei vorprogrammiert, wer überhaupt den Aufzug tatsächlich nützen könne. Bei Abwägung der Gesamtumstände besteht deshalb auch kein Anspruch auf klägerseits erwünschte Beschlussfassung, sodass die Ablehnung des Beschlussantrags Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach.

  3. Gleiches gilt auch für den zweiten, als Negativbeschluss verkündeten Beschluss unter Hinweis auf § 16 Abs. 4 WEG. Nach dieser Bestimmung können die Eigentümer die Kostenverteilung für Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten abweichend von der sonst üblichen Kostenverteilung regeln, wenn der abweichende Maßstab dem Gebrauch oder der Möglichkeit des Gebrauchs durch die Eigentümer Rechnung trägt. Auch ein solcher Beschluss liegt im Ermessen der Eigentümer. Insoweit widerspricht ein solches Beschlussergebnis auch nur dann Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, sollte ein Anspruch gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG auf entsprechende Beschlussfassung bestehen. Hier wurde die klägerische Mehrbelastungsgrenze von 25 % hinsichtlich ihrer zu tragenden Jahreskosten nicht überschritten. Vorrang genießt insoweit die auch der Klägerin bekannte Vereinbarung in der Teilungserklärung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Anschaffung des Notrufmoduls im Aufzug der Herstellung eines ordnungsgemäßen Zustands des Gemeinschaftseigentums dient, um möglicherweise Schadensersatzansprüche gegen die gesamte Gemeinschaft im Fall eines Fehlens zu vermeiden. Nicht klar ist auch erneut bei diesem Beschluss, wer die Eigentümer sein sollen...

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