Leitsatz

Soweit § 10 AHB eine fristwahrende "Erhebung der Klage" verlangt, ist diese Bestimmung unwirksam (§§ 12 Abs. 3, 15a VVG).

Eine Belehrung des Versicherers, die statt der gerichtlichen Geltendmachung des Leistungsanspruchs (§ 12 Abs. 3 VVG) auf die Klageerhebung abstellt, ist unrichtig und damit unwirksam. Denn zur Fristwahrung reicht die Anbringung eines Mahnbescheidsantrags und sogar eines Prozesskostenhilfegesuchs aus.

Eine vom Gesetz vorgeschriebene Belehrung, die inhaltlich oder formell unwirksam ist, kann keine Rechtsfolgen zum Nachteil des VN auslösen.

 

Sachverhalt

Die Kl. war Gebäudeversicherer des K., den sie aus Anlass eines Brandschadens vom 25.4.1996 am versicherten Gebäude entschädigt hatte. Die Bekl. war Privathaftpflichtversicherer der M., die als Mieterin im versicherten Gebäude den Brand fahrlässig verursacht haben soll.

Aus übergegangenem Recht (§ 67 VVG) strengte die Kl. gegen M. beim LG D. einen Haftpflichtprozess an, in dem sie in den ersten beiden Rechtszügen obsiegte. Durch Berufungsurteil des OLG H. v. 22.9.1998 wurde M. verurteilt, an die Klägerin 100.000 DM nebst Zinsen seit dem 8.11.1996 zu zahlen. Aufgrund der vorläufig vollstreckbaren Titel des LG D. und OLG H. betrieb die Kl. die Zwangsvollstreckung gegen M., indem sie deren Anspruch gegen die Bekl. auf Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz wegen des Vorfalls vom 25.4.1996 pfänden und sich überweisen ließ.

Im zu entscheidenden Deckungsrechtsstreit begehrte die Kl. von der Bekl. erstinstanzlich die Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit.

Die Bekl. verweigerte Versicherungsschutz. Sie berief sich u. a. auf Leistungsfreiheit nach § 10 AHB, weil sie ihrer VN mit Ablehnungsschreiben vom 11.10.1996 eine Klagefrist von sechs Monaten gesetzt hatte, die fruchtlos verstrich.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Bekl. sei wegen Fristversäumnis nach § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden.

Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Nach der Entscheidung des OLG Hamm ist die Bekl. zur Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes aus der von ihrer VN genommenen Haftpflichtversicherung verpflichtet.

Die Bekl. sei nicht nach §§ 10 AHB, 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden. Zwar habe sie am Schluss ihres Ablehnungsschreibens vom 11.10.1996 der VN folgenden Hinweis erteilt:

"Sollten Sie unsere Ablehnung für nicht gerechtfertigt halten, verweisen wir Sie auf § 10 AHB, den wir nachstehend im Wortlaut wiedergeben: …"

Unstreitig sei eine fristgerechte gerichtliche Geltendmachung des Versicherungsanspruchs nicht erfolgt.

Gleichwohl habe dies nicht zum Anspruchsverlust der VN geführt, weil die ihr erteilte Belehrung unrichtig und deshalb unwirksam gewesen sei. § 10 AHB, den die Bekl. zitiert habe, unterscheide sich von § 12 Abs. 3 VVG dadurch, dass das dortige Erfordernis der "gerichtlichen Geltendmachung" des Leistungsanspruchs ersetzt worden sei durch das Erfordernis der "Erhebung der Klage". Nach Auffassung des Senats weicht § 10 AHB zum Nachteil des VN von § 12 Abs. 3 VVG ab und ist deshalb nach § 15a VVG unwirksam.

Nach der Rechtsprechung des BGH (VersR 1987, 39) handele es sich bei der Belehrung im Sinne des § 12 Abs. 3 VVG zwar nicht um eine Rechtsmittel-, sondern um eine Rechtsfolgenbelehrung. Deshalb brauche der VN nicht über die Möglichkeiten aufgeklärt zu werden, wie er seinen Anspruch gerichtlich geltend machen könne. Dies bedeute aber nicht, dass es völlig unbeachtlich sei, über welche Maßnahmen zur Verhinderung des Anspruchsverlustes der Versicherer den VN unterrichte. Die Belehrung dürfe die Fristwahrung nicht erschweren; insbesondere dürfe durch sie der VN nicht irregeleitet und damit möglicherweise von der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (VersR 2002, 297) sei eine Belehrung durch ausschließlichen Hinweis auf das Erfordernis einer fristgerechten Klageerhebung irreführend, weil der VN die Frist auch durch Anbringung eines einfacheren und kostengünstigeren Mahnbescheids wahren könne. Dies gelte auch für den Deckungsbereich in der Privathaftpflichtversicherung.

Die Belehrung eines Versicherers, die für die Fristwahrung zur gerichtlichen Geltendmachung des Versicherungsanspruchs ausschließlich auf die rechtzeitige Klageerhebung abhebe, sei nicht nur unrichtig, sondern auch geeignet, einen unbemittelten VN von der fristwahrenden Anbringung eines Prozesshilfekostengesuchs, das noch nicht einmal der Beifügung eines Klageentwurfs bedürfe, abzuhalten.

Nach alledem weiche § 10 AHB zum Nachteil des VN von § 12 Abs. 3 VVG ab und sei deshalb nach § 15a VVG unwirksam. Nach dem Wortlaut des § 10 AHB sei die Belehrung der Bekl. nicht geeignet gewesen, die Sechsmonatsfrist des § 12 Abs. 3 VVG in Gang zu setzen.

Ob sich im Einzelfall die irreführende Belehrung des Versicherers für den VN konkret nachteilig ausgewirkt hat oder nicht, ist nach Auffassung des OLG unerheblich. Eine vom Gesetz vorgeschriebene Belehrung, die in...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge