Leitsatz

  • Beschlussungültigkeit bei fehlender Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung

    Persönlichkeitsrechtsverletzungen unter Eigentümern können nicht Gegenstand eines Eigentümerbeschlusses sein

    Beschwerdeantragserweiterung nach Ablauf der Beschwerdefrist möglich

 

Normenkette

§ 23 Abs. 1, 4 WEG

 

Kommentar

1. Ungültig ist ein Eigentümerbeschluss, wenn die Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung über den Antragsgegenstand nicht zuständig ist. Beschlussfassungen sind nur über solche Angelegenheiten möglich, die das WEG oder eine Vereinbarung der Beschlussfassung unterstellen ( § 23 Abs. 1 WEG). Für Beschlüsse über andere Bereiche fehlt deshalb die Beschlusskompetenz mit der Folge, dass rechtmäßige Beschlüsse nicht ergehen können (Schmid, MDR 90, 297). Soweit in diesen Fällen keine Nichtigkeit gegeben ist (vgl. BayObLG, ZMR 1986, 448), sind die Beschlüsse jedenfalls anfechtbar; in jedem Fall unterliegen sie im Fall der Anfechtung der Ungültigerklärung (BayObLG Z 1986, 444/447).

2. Bei der Entscheidung, ob ein Gegenstand noch der Regelung durch Beschlussfassung der Eigentümer unterliegt, ist zwar kein enger Maßstab anzuwenden, allerdings fehlte im vorliegenden Fall die Zuständigkeitder Versammlung für die Beschlussfassung, da nicht Rechte und Pflichten eines Wohnungseigentümers aus seiner Stellung als Mitglied der Gemeinschaft (vgl. BayObLG Z 1989, 67/69) zur Diskussion standen, sondern der Anspruch eines Miteigentümers aus der behaupteten Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch einen anderen Eigentümer. Aus keiner Vorschrift des WEG lässt sich die Zuständigkeit der Wohnungseigentümerversammlung für eine Einschaltung der Gemeinschaft in einem solchen Streit zweier Eigentümer herleiten. Auch nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG kann der Verwalter durch Beschluss der Eigentümer nur ermächtigt werden, Ansprüche aller Eigentümer gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Ebensowenig wie es möglich ist, Ansprüche des Verwalters auf Widerruf von kritischen Äußerungen über seine Verwaltertätigkeit im WE-Verfahren geltend zu machen (vgl. BayObLG a. a. O.; ferner KG, WuM 1988, 28), können Ansprüche eines Eigentümers aus behaupteter Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch einen anderen Eigentümer Beschlussgegenstand sein. Daran ändert sich auch nichts, wenn durch den Streit mittelbar der Gemeinschaftsfriede gestört wird. Insbesondere kann ein Wohnungseigentümer nicht unter Berufung auf den Gemeinschaftsfrieden daran gehindert werden, auf die Abstellung wirklicher oder vermeintlicher Pflichtwidrigkeiten hinzuwirken. Vorliegend konnten die Eigentümer somit durch Beschluss weder den angeblichen Störer zum Widerruf seiner Äußerungen auffordern noch den Verwalter ermächtigen, gegen den Störer gerichtlich vorzugehen.

3. Die spätere Erweiterung eines ursprünglich nur in beschränkter Form gestellten Beschwerdeantrags (Anfechtung der Erstentscheidung nur "insoweit" . . .) auf Aufhebung der Erstentscheidung insgesamt ist möglich und zulässig, sofern in der anfänglichen Beschränkung des Rechtsmittels auf einen selbstständigen Verfahrensgegenstand oder den abtrennbaren Teil eines solchen kein Rechtsmittelverzicht liegt. Insbesondere steht bei der sofortigen Beschwerde der Ablauf der Rechtsmittelfrist der Erweiterung der beschränkten Rechtsmittelanträge nicht entgegen (BGH Z 91, 154/158). Unter einem Verzicht wäre die Erklärung zu verstehen, durch die das Recht auf Nachprüfung und Änderung der den Verzichtenden beschwerenden Entscheidung aufgegeben wird. Der Verzicht erfordert zwar nicht notwendig eine ausdrückliche, aber doch die klare und unzweideutige Erklärung des Beteiligten, er wolle sich mit der ergangenen Entscheidung zufrieden geben und kein Rechtsmittel durchführen. In einer Beschränkung des Rechtsmittels kann ein Verzicht nur bei Vorliegen weiterer Umstände angenommen werden. Im vorliegenden Fall lag lediglich eine Rechtsmittelbeschränkung vor, hinreichende Anhaltspunkte für einen Verzicht waren nicht gegeben.

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 30.10.1990, BReg 2 Z 122/90= BayObLG Z 1990 Nr. 64)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

Ist eine Gemeinschaft zur Beschlussfassung überhaupt nicht kompetent, hätte im Sinne der bisherigen h. R. M. auch die Ungültigkeit des Beschlusses allein aus Nichtigkeitsgründen bestätigt werden können. Nichtigkeitsgründe führen stets zu einer Beschlussungültigkeit, ohne hier fristgemäß Beschlussanfechtungen durchführen zu müssen.

Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten unter Eigentümern fällt sicher dann nicht unter die wohnungseigentumsgerichtliche Zuständigkeit und zu Recht auch dann nicht in den Bereich einer Beschlusskompetenz aller Eigentümer, wenn die Auseinandersetzung mit den Wohnungseigentumsrechten bzw. der gemeinschaftlichen Verwaltung des Eigentums nichts zu tun hat, also ausschließlich die individuelle Privatsphäre der Eigentumspersonen betrifft. Bei Auseinandersetzungen zum Thema des Wohnungseigentums könnte m. E. hier zumindest in wei...

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