Leitsatz

  • Abgelehnter Antrag (kein anfechtbarer Beschluss)

    Kein Eigentümerbeschluss bei nicht erreichter, jedoch vereinbarter qualifizierter Mehrheit

    Blockstimmrecht nur im Ausnahmefall

    Vereinbarung zur Wertung der Stimmenthaltung gültig

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 S. 2 WEG, § 16 Abs. 2 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 25 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG, § 242 BGB

 

Kommentar

1. In einer Mehrhausanlage (mit Alt- und Neubau) war in der Teilungserklärung vereinbart, dass Kosten für den Kaltwasserverbrauch von allen Eigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen seien. Ein Kostenverteilungsänderungsbeschluss erreichte nicht die vereinbarte Dreiviertelmehrheit für solche Änderungen, sodass in der Versammlung ein entsprechender Antrag als abgelehnt verkündet wurde. Insoweit fehlte es an einem anfechtbaren Beschluss.

2. Stimmberechtigt waren auch die Bewohner des Altbaus; die Grundsätze eines Block- oder Gruppenstimmrechts seien nur auf eng umgrenzte Ausnahmefälle beschränkt (vgl. BayObLG, Entscheidung vom 30. 10. 1990, Az.: 2 Z 107/90). Eine Änderung des vereinbarten Verteilungsschlüssels für den Neubau würde im Übrigen nicht nur die Bewohner dieses Baukörpers berühren.

3. Ist im Übrigen vereinbart, dass Stimmenthaltungen als Gegenstimmen gelten, verstößt dies nicht gegen die Rechtsprechung des BGH (NJW 1989, 1090), da einer solchen Vereinbarung nicht zwingendes Recht entgegenstehe; auch der Inhaltskontrolle nach Treu und Glauben ( § 242 BGB) halte eine solche Vereinbarung stand.

4. Selbst wenn man Enthaltungsstimmen nicht mitzählen würde, läge im vorliegenden Fall lediglich eine einfache Mehrheit vor, sodass bei Qualifizierungserfordernis in diesem Fall nicht von einem Beschluss gesprochen werden könne.

Eine Kostenverteilungsregelung in der Gemeinschaftsordnung habe im Übrigen Vereinbarungscharakter und sei grundsätzlich für die Abrechnung dieser Kosten bindend. Ein möglicher Anspruch gegen die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft auf Änderung von Vereinbarungen oder Beschlüssen, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an einer Vereinbarung oder an einem Beschluss als grob unbillig und damit gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen ließen, sei hier ebenfalls nicht begründet, da insoweit für einen solchen Ausnahmeanspruch ein strenger Maßstab anzulegen sei. Vorliegend falle auch ins Gewicht, dass Eigentümern beim Erwerb des jeweiligen Eigentums der Verteilungsschlüssel bekannt war und dass sie sich deshalb auf ihn einstellen konnten. Wollte man stets vereinbarte Regelungen unter Anrufung von Billigkeitserwägungen infrage stellen, könnte dies ständige Unruhe in Gemeinschaften fördern und den Rechtsgrundsatz aushöhlen, dass das einmal Vereinbarte grundsätzlich binde (BayObLGZ 1987, 66/69).

5. Im übrigen unterlägen nach ständiger Rechtsprechung des Senats Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung nicht einer Kontrolle nach dem AGB-Gesetz (BayObLG DNotZ 1989, 430 mit Anm. Weitnauer).

 

Link zur Entscheidung

( BayObLG, Beschluss vom 11.04.1991, BReg 2 Z 28/91)

zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

Ist nach gültiger Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung z. B. für die Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels eine qualifizierte Beschlussmehrheit erforderlich und würde hier bei einer tatsächlich erwünschten Abstimmung (in Unkenntnis aller Beteiligten von einem solchen Qualifizierungsgebot) nur eine einfache Mehrheit erreicht werden, bin ich nach wie vor der Meinung, dass es sich insoweit um einen einfachen Mehrheitsbeschluss handelt, der auch in dieser Form - wenn überhaupt - so zu verkünden wäre. Nur über fristgemäße Anfechtung könnte (unstreitig mit Erfolg) das fehlende Qualifizierungserfordernis gerügt werden. Von einer eindeutigen Antragsablehnung wäre m. E. richtigerweise nur dann zu sprechen, wenn ein Antrag tatsächlich keinerlei positive Mehrheit erreicht hätte, also mehr Nein-Stimmen als Ja-Stimmen ausgezählt wurden.

Auf ein Qualifizierungserfordernis hätte ein informierter und fachkundiger Verwalter allerdings vor Abstimmung hinzuweisen. Beschließt dann dennoch eine Gemeinschaft ohne klare Willensäußerung dahin, dass mangels Erreichen der Qualifizierung überhaupt nicht von einem Beschluss auszugehen sei, wäre bei Erreichen einer einfachen Beschlussmehrheit m. E. ebenfalls von einem solchen (eben "nur") einfachen Mehrheitsbeschluss auszugehen (zugegebenermaßen von einem erfolgreich anfechtbaren "Zitterbeschluss") und dieser ggf. auch als solcher zu verkünden und zu protokollieren. Das BayObLG scheint in solchen Fällen fehlender qualifizierter Mehrheit demgegenüber generell nicht mehr von einem (wenn auch anfechtbaren) Beschluss auszugehen, eine Frage, die m. E. einmal grundsätzlich geklärt werden müsste.

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