1 Leitsatz

Ist das Ermessen der Wohnungseigentümer nicht auf null reduziert, d. h. musste dem Beschlussantrag (hier: Schaffung eines ebenerdigen Zugangs) nicht zugestimmt werden, so entspricht ein Negativbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung.

2 Normenkette

WEG § 21 Abs. 8

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K beantragt, ihm einen ebenerdigen Zugang zu seinem Sondereigentum zu erlauben. Dies wäre u. a. erreichbar, wenn man die sich derzeit dort befindlichen Fenster beseitigt und eine zweiflüglige Tür einbaut. Die Wohnungseigentümer lehnen den Antrag mehrheitlich ab. Nunmehr klagt K im Wege der Beschlussersetzungsklage, ihm den Bau des Zugangs zu erlauben. Er meint, es handele sich bei dem Zugang um die ordnungsmäßige erstmalige Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums. Denn der Zugang sei in der Teilungserklärung und in der Bauplanung vorgesehen gewesen. Der Zugang sei jedoch nicht ausgeführt worden, da er auch Eigentümer der Nachbarwohnung sei. Diese Nachbarwohnung habe einen Zugang. Es handele sich bei den Räumen aber um 2 rechtlich getrennte Wohnungen. Die Klage erledigt sich, weil K verstirbt und die Erben das streitbefangene Wohnungseigentum veräußern. Fraglich ist aber, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

4 Die Entscheidung

Das LG meint, es sei sachgerecht, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Die Erfolgsaussichten der Klage seien angesichts der schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Konstellation als offen zu bezeichnen. K hätte einen Anspruch auf Schaffung eines ebenerdigen Zugangs sowohl unter dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Erstherstellung als auch aus dem Recht auf ordnungsgemäße Verwaltung haben können.

Hinweis

Der Fall ist hochkomplex. Zu fragen ist nämlich, was K angestrebt hat. Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Leicht wäre es nicht einmal dann, wenn feststünde, dass es bauseitig keinen Zugang geben sollte. Dann handelte es sich zwar um eine bauliche Veränderung. K könnte auf sie ausnahmsweise aber einen Anspruch haben. Denn es scheint so zu sein, dass 2 Wohnungseigentumsrechte baulich zusammengelegt sind. Indes muss grundsätzlich jedes einen Zugang nach außen haben – jedenfalls bei einer Trennung.

Noch schwerer ist der Fall, wenn ein Zugang bauseitig vorgesehen, dann aber wegen Änderung der Planung wieder gestrichen wurde. Denn es ist dann unklar, was der "ordnungsmäßige erstmalige Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums war". Die 1. oder die 2. Planung? Und wer bestimmt das?

Repetitorium: Erstmalige ordnungsmäßige Herstellung gemeinschaftlichen Eigentums

Maßnahmen, die zur erstmaligen ordnungsmäßigen Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlich sind, gehören nach h. M. zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Unter den Begriff "ordnungsmäßige Ersterstellung/Herstellung" fallen:

  • Die Korrektur einer planwidrigen Errichtung.
  • Jede Maßnahme, die einen anfänglichen Baumangel am gemeinschaftlichen Eigentum ausgleicht, der vom geschuldeten Bausoll abweicht. Im Einzelfall etwa der nachträgliche Einbau einer automatischen Regelanlage für die Zentralheizung eines Wohn- und Geschäftshauses, wenn der Einbau schon bei Errichtung der Wohnungseigentumsanlage vorgesehen, später aber unterblieben ist. So könnte es auch im vorliegenden Fall sein.
  • Die Schaffung eines Zugangs zu einem öffentlichen Weg über das gemeinschaftliche Grundstück.
  • Die Vollendung eines stecken gebliebenen Baus.

Für die Frage, welcher Zustand des gemeinschaftlichen Eigentums "erstmalig ordnungsmäßig" ist, ist zwischen Eigentumsgrenzen und dem baulichen Soll-Zustand zu unterscheiden:

  • Eigentumsgrenzen: Für die Eigentumsgrenzen zwischen dem gemeinschaftlichen Eigentum und Sondereigentum ist der erstmalig ordnungsmäßige Zustand aus der Teilungserklärung i. V. m. dem Aufteilungsplan zu entwickeln. Wie die Wohnungseigentumsanlage tatsächlich errichtet wurde, wo sich also Wände und Räume befinden, ist für die Ermittlung unerheblich.
  • Baulicher Soll-Zustand: Der bauliche Soll-Zustand ergibt sich nicht aus dem Bauordnungsrecht oder den Festlegungen in der Baugenehmigung, sondern im Einzelfall aus den Vereinbarungen, etwa zu Sondernutzungsflächen. Die Gemeinschaftsordnung wird in der Regel allerdings keine Anordnungen treffen. Anders liegt es z. B. bei Zeichnungen, soweit diese vom Willen der Wohnungseigentümer getragen sind, etwa einem Plan, wo ein Müllplatz sein soll. Ist nach §§ 1 Abs. 2, 15 Abs. 1 WEG vereinbart, dass Räume dem Wohnen dienen sollen, muss nach h. M. ferner ein Wohnen auch möglich sein. Und ist nach §§ 1 Abs. 3, 15 Abs. 1 WEG vereinbart, dass Räume nicht zu Wohnzwecken dienen sollen, muss nach h. M. ein Gewerbe möglich sein. Gibt es weitere Vereinbarungen, was vor allem für das Teileigentum vorstellbar ist, beschreiben diese den baulichen Soll-Zustand. Für den übrigen baulichen Soll-Zustand kommt es, gibt es solche, auf die Erwerbsverträge mit dem Bauträger an – soweit diese übereinstimmen – sowie auf Aussagen des Bauträgers in Prospekten, Exposés und Maklerunterlagen oder aus der Baugenehmigung, sofern feststellbar ist, dass die Wohnungseigentümer ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge