Gerichtsverfahren kosten Geld und können auch in Beschlussanfechtungsverfahren teuer werden. Grundsätzlich billigt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) demjenigen Rechtsanwalt, der mehrere Personen im Rechtsstreit vertritt, eine sog. Mehrvertretungsgebühr zu, die sich auf eine 2,0-Gebühr summieren kann. Seit dem Inkrafttreten des WEMoG am 1.12.2020 fällt aber keine Mehrvertretungsgebühr mehr für die Vertretung auf Beklagtenseite an, da der Rechtsanwalt nur noch einen Mandanten vertritt, nämlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Zum mäßigen Ausgleich hat der Gesetzgeber allerdings die Streitwerte angehoben.[1]

 

Musterabrechnung: Gebühren des Rechtsanwalts auf Beklagtenseite im Beschlussanfechtungsverfahren

Ein Wohnungseigentümer erhebt Anfechtungsklage gegen die Genehmigungsbeschlüsse über Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung. Der Streitwert beträgt 20.000 EUR. Der vom Verwalter mit der Verteidigung der 70 übrigen beklagten Wohnungseigentümer beauftragte Rechtsanwalt hat bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung folgenden Vergütungsanspruch:

Gebühren vor der Reform

 
1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) 964,60 EUR
2,0 Mehrvertretungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG) 1.484,00 EUR
1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) 890,40 EUR
Pauschale Kommunikation (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR
Zwischensumme netto 3.358,60 EUR
zzgl. 19 % USt. (Nr. 7008 VV RVG) 638,13 EUR
Endsumme brutto 3.996,73 EUR

Gebühren nach der Reform

Da der Rechtsanwalt auf Passivseite nunmehr nur noch einen Mandanten vertritt, nämlich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ergeben sich folgende Gebühren bei einem Streitwert von 20.000 EUR:

 
1,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) 964,60 EUR
1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) 890,40 EUR
Pauschale Kommunikation (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR
Zwischensumme netto 1.875,00 EUR
zzgl. 19 % USt. (Nr. 7008 VV RVG) 356,25 EUR
Endsumme brutto 2.231,25 EUR

Auch wenn Verfahren nunmehr günstiger werden, sollte zumindest die Finanzierung der Gebühren des Rechtsanwalts gesichert sein. Das RVG verleiht dem Rechtsanwalt nämlich in § 9 RVG das Recht, einen angemessenen Vorschuss für seine Tätigkeit verlangen zu dürfen. Und als "angemessen" kann der Rechtsanwalt bereits sämtliche im Beispiel aufgeführten Gebühren als Vorschuss verlangen.

Für den Fall des Unterliegens der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer müssen dann freilich noch die Gebühren des Rechtsanwalts des klagenden Wohnungseigentümers und die Gerichtskosten berücksichtigt werden. Der den klagenden Wohnungseigentümer vertretende Rechtsanwalt hätte insoweit dann einen Gebührenanspruch ebenfalls in Höhe von 2.231,25 EUR, an Gerichtskosten würden 1.035 EUR anfallen. Im Ernst- sprich Unterliegensfall, müssten also finanzielle Mittel in einer Größenordnung von rund 6.000 EUR zur Verfügung stehen.

1.2.1 Finanzierung durch Wirtschaftsplan

Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH[1] kann bereits im Wirtschaftsplan die Finanzierung von Anfechtungsklagen durch entsprechende Kostenposition berücksichtigt werden.[2]

 

Klage muss zu "erwarten" sein

Die Möglichkeit der Finanzierung von Anfechtungsklagen im Wirtschaftsplan ist allerdings nur dann möglich, wenn solche auch tatsächlich zu erwarten sind. Hier muss also aufgrund von Erfahrungen in der Vergangenheit zumindest die Gefahr bestehen, dass weitere Anfechtungsklagen drohen. Rein abstrakt kann also eine Finanzierung nicht durch den Wirtschaftsplan erfolgen. Zu erwarten sind Anfechtungsklagen z. B. immer dann, wenn einige der Wohnungseigentümer in der Vergangenheit "immer wieder" Anfechtungsklagen erhoben haben.

Sind demnach Anfechtungsklagen zu erwarten, können die benötigten Mittel im Gesamtwirtschaftsplan und in den Einzelwirtschaftsplänen aller Wohnungseigentümer angesetzt werden. Konsequenz: Anteilig kostenbelastet ist also zunächst auch der potenzielle Kläger. Da die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Beklagte im Verfahren ist, wäre der potenzielle Kläger ohnehin in die Verteilung der der Gemeinschaft auferlegten Verfahrenskosten eingebunden.

1.2.2 Finanzierung mit Gemeinschaftsgeldern

Sind Beschlussanfechtungsklagen nicht abzusehen, können die Wohnungseigentümer den Verwalter grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss ermächtigen, zur Finanzierung der Verteidigung Gemeinschaftsmittel einzusetzen.[1] Allerdings bedarf es in der Regel keines entsprechenden Beschlusses, da der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ohnehin berechtigt und verpflichtet ist, Maßnahmen der Nachteilsabwendung zu treffen. Da im Fall gerichtlicher Verfahren stets Fristen zu beachten sind, ist der Verwalter bereits gesetzlich ermächtigt, mit der Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu beauftragen und hierzu auch Gemeinschaftsmittel einzusetzen

 

Keine Finanzierung aus der Erhaltungsrücklage

Der BGH[2] hat klargestellt, dass eine Finanzierung erforderlich werdender Vorschüsse nur "aus den nicht für spezielle Zwec...

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