Leitsatz

Die Durchsuchung und Sicherstellung des vollständigen Datenbestands von Berufsgeheimnisträgern stellt einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Die Behörden müssen daher den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die Bestimmungen der StPO strikt beachten. Unter Umständen kann sich ein Beweisverwertungsverbot ergeben.

 

Sachverhalt

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Durchsuchung und Beschlagnahme des gesamten elektronischen Datenbestands ihrer gemeinsam betriebenen Rechtsanwaltskanzlei und einer unter der gleichen Adresse firmierenden Steuerberatungsgesellschaft im Rahmen eines gegen einen der Berufsträger gerichteten Ermittlungsverfahrens. Ihre Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Der Zweite Senat des BVerfG hob die Beschlüsse des LG auf, soweit über die Sicherstellung von Beweismitteln entschieden wurde. Die Sache wurde insoweit zurückverwiesen.

 

Entscheidung

Der Zugriff auf den Datenbestand einer Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei beeinträchtigt in schwerwiegender Weise das rechtlich besonders geschützte Vertrauensverhältnis zwischen den Mandanten und den für sie tätigen Berufsträgern. Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege und Steuerberater sowie deren Mandanten sind auch im öffentlichen Interesse auf eine besonders geschützte Vertraulichkeit der Kommunikation angewiesen. Die Sicherstellung und Beschlagnahme der Datenträger und der hierauf gespeicherten Daten greift in das Grundrecht der Berufsangehörigen und ihrer Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung[1] ein und berührt zudem das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren[2].

Der insoweit gebotene Schutz gilt nicht grenzenlos. Die StPO erlaubt die Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den hierauf gespeicherten Daten als Beweisgegenstände im Strafverfahren[3]. Dabei ist aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Ihm kommt bei der Sicherstellung von Datenträgern und aller darauf vorhandenen Daten besondere Bedeutung zu. Ein Datenzugriff bezieht wegen der Vielzahl verfahrensunerheblicher Daten zahlreiche Personen in das Strafverfahren ein, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen. Daher muss der Zugriff auf verfahrensirrelevante Informationen nach Möglichkeit vermieden werden. Dies bedeutet vor allem, dass bereits bei der Durchsicht der Papiere[4] Daten je nach ihrer Verfahrensrelevanz sorgfältig gesichtet und getrennt werden müssen. Auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren ist dabei zu bewerten. Je nach den Umständen des Einzelfalls können schon die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat und eine geringe Beweisbedeutung der auf dem Datenträger vermuteten Informationen einer Sicherstellung des Datenbestands entgegenstehen. Zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verstößen gegen diese Prinzipien ist ein Beweisverwertungsverbot als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme von Datenträgern und der darauf vorhandenen Daten zwingend geboten. In der Streitsache hatte das LG die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Mandanten und den für sie tätigen Berufsträgern nicht ausreichend geprüft. Es hat vor allem verkannt, dass der angefochtene Eingriff eine hohe Intensität aufweist und eine Vielzahl von Dritten betroffen hat. Die Frage der Verfahrensrelevanz und Trennbarkeit der sichergestellten Daten wurde überhaupt nicht geprüft. Dies muss das LG jetzt nachholen und über die Beschwerden der Betroffenen neu entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG-Beschluss vom 12.4.2005, 2 BvR 1027/02

[1] Sie ist eine Ausprägung des Art 2 Abs.1 GG; grundlegend BVerfG-Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209/83, INF 1984, S.141
[2] Vgl. zuletzt BVerfG-Beschluss vom 30.3.2004, 2 BvR 1520/01, INF 2004, S.330
[4] Vgl. §110 StPO

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