Kommentar

Ausgangspunkt des Verfahrens war der Fall eines Arbeitnehmers, der in den Jahren 1985 und 1986 auch zeitweise als selbständiger Steuerberater tätig war. 1985 erwarb er einen Pkw, den er in diesem Jahr nur zu 8 % für unternehmerische Zwecke und im übrigen privat nutzte. 1986 eröffnete er seine eigene Steuerberaterpraxis und ordnete das Fahrzeug seinem Unternehmensvermögen zu. Dementsprechend beantragte er in seiner Umsatzsteuerjahreserklärung 1986 eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 a UStG , nämlich die nachträgliche Anerkennung des Vorsteuerabzugs für die im Vorjahr vorgenommene Anschaffung.

Das Finanzamt lehnte diesen Vorsteuerabzug unter Hinweis auf die damalige Regelung in Abschnitt 192 Abs. 17 Nr. 2 Satz 5 UStR 1988 ab. Da das Fahrzeug im Jahr der Anschaffung zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt worden sei, sei in diesem Jahr der Vorsteuerabzug völlig ausgeschlossen. § 15 a UStG sehe im Fall einer Einlage keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs vor.

Der EuGH hat im einzelnen folgende Entscheidungen getroffen:

  • Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß Artikel 20 Abs. 2 der 6. EG-Richtline (= § 15 a UStG ) ist nur möglich, wenn eine Person als Steuerpflichtiger (Unternehmer) ein Investitionsgut erwirbt und es den Zwecken ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (Artikel 4 der 6. EG-Richtline) zuordnet. Die Einlage eines bis dahin privat genutzten Investitionsgutes in das Unternehmensvermögen löst keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus.
  • Die Frage, ob ein Unternehmer Gegenstände für Zwecke seiner unternehmerischen Tätigkeit erworben hat, ist eine Tatfrage, die unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Sachverhaltes zu beurteilen ist.
  • Ein Unternehmer, der Gegenstände für Zwecke seiner unternehmerischen Tätigkeit verwendet, ist im Zeitpunkt des Erwerbs der Gegenstände nach Artikel 17 der 6. EG-Richtline (= § 15 UStG ) zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke im Zeitpunkt der Anschaffung ist. Die unternehmensfremde Verwendung ist in diesen Fällen als Eigenverbrauch (Artikel 6 Abs. 2 Buchst. a und Artikel 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtline) zu versteuern.

Die Entscheidung des EuGH, daß eine Einlage nicht zu einer Vorsteuerkorrektur führen kann, entsprach der deutschen Verwaltungsauffassung zur Anwendung von § 15 a UStG . Dieser Grundsatz wurde ausdrücklich in Abschnitt 214 Abs. 7 UStR 1996, auch unter Hinweis auf die EuGH-Entscheidung, aufgenommen.

Die Entscheidung, der Unternehmer habe ein Vorsteuerabzugsrecht im Zeitpunkt der Anschaffung des Gegenstandes, wenn er ihn nur unternehmerisch verwendet, veranlaßte die Finanzverwaltung, die bis dahin geltende sogenannte 10 %-Grenze in Abschnitt 192 Abs. 17 Nr. 2 Satz 5 UStR 1988 abzuschaffen. Nach Auffassung des EuGH war die 10 %-Regel eine von der 6. EG-Richtline abweichende Sondermaßnahme, die einer entsprechenden Ermächtigung des Rates gemäß Artikel 27 der 6. EG-Richtline bedurft hätte. Da Deutschland um eine entsprechende Ermächtigung nicht nachgesucht hatte, konnte diese Regelung nicht aufrechterhalten werden. Die Finanzverwaltung hat die 10 %-Grenze bisher nicht wieder aufgegriffen, obwohl sie gemeinschaftsrechtlich – nach einem entsprechenden Genehmigungsverfahren – zulässig wäre.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 11.07.1991, C-97/90

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