Leitsatz

Bei der Bemessung der Beschwer eines Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Entlastung des Verwalters angefochten hat, tritt der Wert, den die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter hat, regelmäßig zu dem Wert etwaiger Ersatzansprüche gegen diesen hinzu.

 

Normenkette

§ 49a GKG; § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

 

Das Problem

  1. Die Wohnungseigentümer beschließen zum Tagesordnungspunkt (TOP) 4a die Abrechnung 2011 sowie zu TOP 4b die Entlastung des Verwalters. Die Abrechnung enthält Kosten von 5.311,89 EUR für eine Reparatur der Aufzugsanlage. Ein Wohnungseigentümer geht gegen beide Beschlüsse vor. Er meint, die Kosten für die Reparatur dürften nicht auf die Wohnungseigentümer umgelegt werden. Die Wohnungseigentümer hätten keinen Beschluss gefasst, die Aufzugsanlage zu reparieren.
  2. Das Amtsgericht weist die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung verwirft das Landgericht als unzulässig. Das Landgericht meint, die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von mehr als 600 EUR sei nicht erreicht. Der klagende Wohnungseigentümer wende sich ausschließlich gegen die in die Abrechnung eingestellten Kosten für die Reparatur der Aufzugsanlage. Maßgeblich für die Beschwer sei der hiervon auf seinen Miteigentumsanteil entfallende Betrag von 244,08 EUR. Entsprechendes gelte für die Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Verwalters. Eine Erhöhung der Beschwer unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwalter sei nicht gerechtfertigt. Der Beschluss über die Entlastung werde ausschließlich wegen der von diesem verursachten Aufzugskosten angegriffen.
  3. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der klagende Wohnungseigentümer die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen.
 

Die Entscheidung

  1. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg! Die Beschwer des klagenden Wohnungseigentümers übersteige den Betrag von 600 EUR. In Bezug auf den Beschluss zu TOP 4a sei der Wohnungseigentümer allerdings nur in Höhe von 244,08 EUR beschwert. Wende sich ein Wohnungseigentümer gegen den Ansatz einer Kostenposition in der Abrechnung, bestimme sich seine Beschwer grundsätzlich nach dem Nennwert, mit dem diese Position in seiner Einzelabrechnung angesetzt sei (Hinweis auf BGH v. 9.7.2015, V ZB 198/14, NJW-RR 2015 S. 1492 Rn. 11).
  2. In Bezug auf den Beschluss zu TOP 4b sei der Wohnungseigentümer aber in Höhe von 1.000 EUR beschwert. Der Senat habe bereits entschieden, dass sich das Interesse an der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters nicht nur nach den möglichen Ansprüchen gegen diesen bestimme, wenn die Entlastung wegen solcher Ansprüche verweigert worden sei oder werden solle. Bei der Bemessung des Interesses sei auch der weitere Zweck zu berücksichtigen, den die Entlastung des Verwalters habe, nämlich die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen (Hinweis auf BGH v. 31.3.2011, V ZB 236/10, NJW-RR 2011 S. 1026 Rn. 10). Dessen Wert sei, wenn besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert fehlten, regelmäßig mit 1.000 EUR anzusetzen (Hinweis auf BGH v. 31.3.2011, V ZB 236/10, NJW-RR 2011 S. 1026 Rn. 12).
  3. Der weitere Zweck eines Entlastungsbeschlusses sei für die Bemessung der Beschwer auch dann von Bedeutung, wenn die Entlastung des Verwalters aus Gründen versagt werden solle, die in unmittelbarem Bezug zu einer Abrechnungsposition oder einer sonstigen Forderung gegen den Verwalter stehe. Denn die Entlastung beschränke sich nicht auf die Billigung der bisherigen Amtsführung; sie wirke zugleich in die Zukunft, indem die Wohnungseigentümer dem Verwalter ihr Vertrauen für dessen künftige Tätigkeit aussprächen (Hinweis auf BGH v. 17.3.2003, V ZB 11/03, BGHZ 156 S. 19, 26 f.). Beide Zwecke stünden in einem untrennbaren Zusammenhang und bestimmten grundsätzlich gemeinsam die Beschwer des Wohnungseigentümers, der einen Entlastungsbeschluss anfechte. Der Wert, den die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter habe, trete deshalb regelmäßig zu dem Wert etwaiger Ersatzansprüche gegen diesen hinzu.
  4. Anders könne es ausnahmsweise liegen, wenn der anfechtende Wohnungseigentümer eine weitere gute Zusammenarbeit mit dem Verwalter ausdrücklich nicht in Zweifel ziehe. Für einen solchen Ausnahmefall sei aber nichts ersichtlich. Der Wohnungseigentümer habe den Beschluss zu TOP 4b gerade deshalb angefochten, weil er meint, der Verwalter habe infolge unwahrer Behauptungen im Zusammenhang mit der angeblichen Eilbedürftigkeit der Aufzugsreparatur die Vertrauensgrundlage zerstört.
 

Kommentar

Anmerkung:

  1. Für die Frage der Beschwer kommt es darauf an, worüber rechtskräftig entschieden werden sollte und worüber tatsächlich entschieden worden ist, mithin auf den Umfang der prozessualen Rechtskraftwirkung, die das Urteil haben würde, wenn es nicht angefochten werden könnte.
  2. Maßgebend für die Beschwer des Berufungsklägers (oder Widerklägers) ist sein individuelles vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung. Ergibt der Vergleich ...

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