Voraussetzung für die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM ist, dass ein Beschäftigter innerhalb der vergangenen 12 Monate länger als 6 Wochen arbeitsunfähig war. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit oder um wiederholte Arbeitsunfähigkeiten handelt. Die Voraussetzung der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Wochen innerhalb von 12 Monaten ist problemlos zu bestimmen. Es handelt sich dabei um einen Dauertatbestand. Mit der Verwendung des Begriffs "arbeitsunfähig" in § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX wird auf die zu § 3 Abs. 1 EFZG ergangene Begriffsbestimmung Bezug genommen. Für die Bemessung des 6-Wochen-Zeitraums des § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sind deshalb die dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 EFZG angezeigten Arbeitsunfähigkeitszeiten maßgeblich.[1] Dies gewährleistet auch eine praktikable und sichere Anwendung dieser Vorschrift.

Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von 6 Wochen überschreiten.[2] D. h., ein BEM ist nicht nur bei langandauernden Krankheiten, sondern auch bei häufigen Kurzerkrankungen geboten. Bei der wiederholten Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Wochen innerhalb von 12 Monaten ist nur auf die (Wochen-)Tage abzustellen, an denen eine Arbeitspflicht besteht. Arbeitet ein Arbeitnehmer in der 5-Tage-Woche, ist die 6-Wochen-Grenze am 31. Arbeitstag überschritten (6 Wochen × 5 Arbeitstage = 30 Arbeitstage). Ein an 2 Tagen pro Woche tätiger Teilzeitbeschäftigter ist am 13. Arbeitstag länger als 6 Wochen (6 Wochen × 2 Arbeitstage = 12 Arbeitstage) arbeitsunfähig, ein an 3 Tagen tätiger Beschäftigter am 19. Fehltag.

 
Hinweis

Der Handlungsbedarf für eine Sicherung des Arbeitsverhältnisses entsteht nach Auffassung des BAG immer dann, wenn die Arbeitsunfähigkeitszeiten die 6-Wochen-Grenze überschreiten. Das ist nämlich die kritische Schwelle, die unter weiteren Voraussetzungen zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung führen kann.[3] Um eine Sicherung des Arbeitsverhältnisses durch eine verstärkte Gesundheitsprävention zu erreichen, mit der weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten nach Möglichkeit vorgebeugt werden kann, ist es deshalb geboten, dass der Arbeitgeber unverzüglich tätig wird, sobald diese Schwelle überschritten ist, auch wenn diese sich auf nicht mehr als ein Jahr verteilen. Die Präventionswirkung lässt sich nicht in gleichem Maße erreichen, wenn trotz bereits eingetretener Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als 6 Wochen zunächst ein Mindestbetrachtungszeitraum von einem Jahr abgewartet werden könnte.[4]

[1] Zu § 84 Abs. 2 SGB IX a. F. BAG, Beschluss v. 13.3.2012, 1 ABR 78/190.
[2] Zu § 84 Abs. 2 SGB IX a. F. BAG, Urteil v. 24.3.2011, 2 AZR 170/10.

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