Gründe

Der Angekl. unterhielt als Musiker eines Lokals in München eine zehnköpfige Besuchergruppe mit seinem Akkordeon. Beim Aufbruch der Gästegruppe spielte er zum Abschied in marschmäßigem Tempo das Lied vom Wildschützen Jennerwein, das in seinen ersten Takten mit dem ›Horst-Wessel-Lied‹ übereinstimmt. Einige Gäste sangen darauf für Außenstehende hörbar zwei Strophen des ›Horst-Wessel-Liedes‹ und erhoben ihre Hand zum ›Deutschen Gruß‹. Das AG verurteilte den Angekl. wegen Beihilfe (§ 27 StGB) zum Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einer Geldstrafe. Das LG hob das Urteil des AG auf und sprach den Angekl. frei. Zur Begründung führte das LG aus, daß der Angekl. ausschließlich das Lied vom Wildschützen Jennerwein gespielt und nicht erkannt habe, daß die Gästegruppe das ›Horst-Wessel-Lied‹ sang.

(a-b) ›Die Revision verkennt mit ihrem Angriff auf die Beweiswürdigung des LG zum subjektiven Tatbestand, daß die Feststellungen des Berufungsurteils schon den objektiven Tatbestand eines Vergehens des Verwendens von Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation in Form der Täterschaft oder Teilnahme ausschließen. Der Angekl., der nach diesen Feststellungen ›die ganze Zeit das Lied vom Wildschützen Jennerwein spielte‹, hat sich schon objektiv nicht als Alleintäter, Mittäter oder Gehilfe wegen einer Tat nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.

Wenn in den ›ersten Takten‹ die Melodie des abgespielten Liedes vom Wildschützen Jennerwein mit dem ›Horst-Wessel-Lied‹ identisch klingt, so steht nach diesen von der Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge nicht angegriffenen Feststellungen des LG fest, daß der Angekl. selbst nicht ein Kennzeichen einer nationalsozialistischen Organisation verwendet hat. Zwar ist das ›Horst-Wessel-Lied‹ Kennzeichen i. S. des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB .. . Kennzeichen im Sinne dieser Vorschrift ist auch schon die bloße Melodie des ›Horst-Wessel-Liedes‹; der Textbegleitung bedarf es dazu nicht. Für die Erfüllung des Tatbestands ist schließlich keineswegs die Wiedergabe des vollen Textes oder der vollständigen Melodiefolge des Liedes erforderlich. Schon der Vortrag markanter Melodie- oder Textteile kann ausreichen. Denn das Tatbestandsmerkmal ›Kennzeichen‹ stellt auf charakteristische, für die Verkehrsauffassung im Bedeutungsgehalt erkennbare Symbole ab (Dreher/Tröndle, StGB, 44. Aufl. § 86 a Rn. 2) Zur Würdigung, ob objektiv ein Kennzeichen im Sinn des § 86 a Abs. 1 StGB verwendet worden ist, bedarf es aber der Betrachtung der Handlung des Täters in ihrer Gesamtheit und auch in ihrem Zusammenhang mit den dabei gegebenen Umständen. Die .. Feststellungen des Tatgerichts, der Angekl. habe ausschließlich ›die gesamte Melodie des Liedes vom Wildschützen Jennerwein gespielt‹ schließt den objektiven Tatbestand einer Tathandlung des Angekl. nach § 86 a Abs. 1 StGB aus.

(c) Nach den vom LG getroffenen Feststellungen ist auch schon der objektive Tatbestand einer Beihilfe durch Unterstützung eines oder mehrerer Täter nach § 86 a Abs. 1 StGB zu verneinen. Beihilfe erfordert eine Handlung, welche die Rechtsgutverletzung des Haupttäters ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert, also die Tat fördert (BGH, NStZ 1985, 318). Die herrschende Rechtspr. fordert im Gegensatz zu der in der Lit. überwiegenden Auffassung (vgl. insbesondere Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allg. Teil, 4. Aufl., S. 628) nicht eine Ursächlichkeit der Beihilfehandlung für die Haupttat, sondern läßt die Förderung der Tatbestandsverwirklichung genügen (RGSt 16, 25: BGH, NStZ 1983, 462). Eine solche Förderung ist aber durch das Urteil des LG nicht festgestellt. Der Beitrag des Angekl., der Ä nicht inhaltlich-textlich, aber von der abgespielten Melodie her Ä nur während der ›ersten Takte‹ mit dem Gesang der Lokalbesucher zusammentraf, stand während des übrigen Liedteils in einem Gegensatz, weil er einem anderen Melodieverlauf folgte. Da der Angekl. nach den Feststellungen des LG ausschließlich das Lied vom Jennerwein spielte, lief sein Handeln, stellt man richtig auf eine Gesamtbetrachtung ab, eher auf eine Störung des Gesangs als auf dessen Unterstützung hinaus.‹

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993744

NJW 1990, 2006

DRsp III(320)225a-c

MDR 1989, 839

NStE Nr. 6 zu § 86a StGB

BayObLGSt 1989, 46

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