Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsauslegung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Vermutung mündlicher Äußerungen des Erblassers über den Inhalt eines Testaments ist grundsätzlich möglich. Bei der Benutzung diesbezüglicher Zeugenaussagen ist jedoch Vorsicht geboten, weil vielfach schon ihr genauer Wortlaut nicht mehr rekonstruierbar ist und überdies die subjektive Wahrhaftigkeit oder auch die Erinnerung an den genauen Inhalt des Testaments fehlen kann, außerdem die Möglichkeit von Sinnesänderungen des Erblassers und der Verfolgung eigennütziger Interessen durch Dritte besteht.

 

Normenkette

BGB § 2064

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Beschluss vom 03.05.2001; Aktenzeichen 15 T 176/00)

AG Kulmbach (Aktenzeichen VI 59/00)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 3. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat dem Beteiligten zu 2 die diesem im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 90.754 EUR (177.500 DM) festgesetzt.

IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 90.754 EUR (177.500 DM) abgeändert.

 

Tatbestand

I.

Die am 24.1.2000 im Alter von 88 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Mit ihrem am 14.5.1998 vorverstorbenen Ehemann hatte sie am 9.3.1938 einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem bestimmt war, daß „der überlebende Ehegatte der alleinige und ausschließliche Erbe des zuerst versterbenden Ehegatten” sein solle. Im „Nachtrag zu einem Erbvertrag” vom 20.9.1979 hatten die Eheleute, die Grundbesitz und nicht unbeträchtliche Ersparnisse besaßen, folgendes vereinbart:

„In Ziff. III des … Ehe- und Erbvertrages (vom 9.3.1938) haben wir uns gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben eingesetzt; dies soll auch weiterhin gelten.

Über diese Verfügung hinaus treffen wir nunmehr folgende weitere Verfügungen:

  1. Der Überlebende von uns setzt zu seinem alleinigen und ausschließlichen Erben unser Patenkind … (den Beteiligten zu 2) ein. …
  2. Unseren Erben beschweren wir mit folgenden Vermächtnissen:

    1. Unsere Nichte … (die Beteiligte zu 1) erhält unsere gesamte Wohnungseinrichtung sowie unsere gesamte Kleidung und Wäsche, soweit vorhanden. …
    2. Unser gesamtes Geldvermögen (Bargeld, Sparguthaben, Wertpapiere und sonstige Geldforderungen) erhalten:

      aa) Der Tierschutzverein K. zu 1/4,

      bb) die Petrikirche zu 1/4,

      cc) das Waisenhaus K. zu 1/4,

      dd) das Altenheim „J.-B.-Straße 4” zu 1/8, und

      ee) das Altenheim „T.-Straße 33” zu 1/8.

Die Sterbekosten werden von uns vorweg geregelt, bzw. … (der Beteiligte zu 2) erhält von uns vorweg das dazu Notwendige.

Bindung

Die im Ehe- und Erbvertrag vom 9.3.1938 bereits verfügte gegenseitige Erbeinsetzung ist vertragsmäßig angeordnet; insoweit ist eine einseitige Änderung also nicht möglich. …

Die in diesem Nachtrag getroffene Schlußerbeinsetzung und die Vermächtnisanordnungen werden dagegen einseitig angeordnet und können beliebig geändert oder aufgehoben werden. …”

Nach dem Tod des Ehemanns übertrug die Erblasserin mit Überlassungsvertrag vom 8.7.1998 den Grundbesitz auf den Beteiligten zu 2, wobei sie sich ein unentgeltliches Wohnungs- und Benutzungsrecht vorbehielt. Am gleichen Tage errichtete sie ein notarielles Testament, in dem sie bestimmte, daß die Alleinerbeneinsetzung im Nachtrag vom 20.9.1979 bestehen bleibe. Unter Aufhebung der Vermächtnisse im Nachtrag vom 20.9.1979 verfügte sie außerdem:

„Meinen Erben beschwere ich ausschließlich mit folgenden Vermächtnissen:

Von meinem gesamten Geldvermögen (Bargeld, Sparguthaben, Wertpapiere und sonstige Geldforderungen) erhalten nach Abzug der Kosten für eine standesgemäße Beerdigung und etwaiger Nachlaßverbindlichkeiten

  1. Meine Nichte … (die Beteiligte zu 1) ein Viertel,
  2. deren Sohn … ein Viertel,
  3. das Diakonische Werk ein Viertel mit der Auflage, dieses Viertel zugunsten des Alten- und Pflegeheims T.-Straße 33 in K. zu verwenden. …”

Mit Kaufvertrag vom 17.11.1998 erwarb die Erblasserin eine Eigentumswohnung in K., die sie bis zu ihrem Tode, betreut von der Beteiligten zu 1, bewohnte. Neben dieser Eigentumswohnung, die einen Verkehrswert von 75.000 DM hat, besteht der Nachlaß aus Guthaben bei Banken und Sparkassen sowie Wertpapieren im Gesamtwert von aufgerundet 250.000 DM.

Am 20.2.1999 hat die Erblasserin ein eigenhändiges Testament mit folgendem Wortlaut errichtet:

„Mein letzter Wille:

Daß meine langjährige Betreuerin … (die Beteiligte zu 1) nach meinen Tode die Erbin ist das Zimmer … (Adresse der Eigentumswohnung) mit allen Inventar.

Für mein Begräbnis steht ihr Geld vom Konto in der (Sparkasse) zur Verfügung und zur Grabeinfassung.”

Die Beteiligte zu 1 versteht das Testament vom 20.2.1999 aufgrund von behaupteten Äußerungen der Erblasserin, wonach sie einmal alles bekommen solle, so, daß sie damit – in Abänderung der Erbeinsetzung im Testament vom 8.7.1998 – als Alleinerbin eingesetzt sei. Sie hat einen entsprechenden Erbschein beantragt.

Der Beteiligte zu 2 is...

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