Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschiebungshaftsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Eingang der Beschwerdeschrift bei der gemeinsamen Einlaufstelle mehrerer Gerichte wahrt die Rechtsmittelfrist nicht, wenn zwar das Beschwerdegericht zu diesen Gerichten zählt, das Rechtsmittel aber ausdrücklich an das ebenfalls zu diesen Gerichten zählende Amtsgericht adressiert ist, dieses jedoch die angefochtene Entscheidung nicht erlassen hat.

2. Ein nachträglich eintretender Umstand führt nicht zur Erledigung der Hauptsache, wenn in dem Verfahren, ohne daß dies erkannt wurde, bereits Rechtskraft eingetreten war.

 

Normenkette

FGG § 21 Abs. 1, § 19; FreihEntzG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Hersbruck (Aktenzeichen XIV 1/01)

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 18 T 3262/01)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23. Mai 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluß des Amtsgerichts Hersbruck vom 21. März 2001 als unzulässig verworfen wird.

 

Gründe

I.

Die Ausländerbehörde betrieb die Abschiebung des Betroffenen, eines angolanischen Staatsangehörigen.

Mit Beschluß vom 21.3.2001 ordnete das Amtsgericht gegen ihn zur Sicherung seiner Abschiebung mit sofortiger Wirksamkeit Abschiebungshaft bis längstens 21.6.2001 an. Eine Ausfertigung des Beschlusses mit einer Rechtsmittelbelehrung wurde dem Betroffenen nach Erlaß übergeben.

Die vom Betroffenen hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde, die am 10.4.2001 bei dem Amtsgericht einging, hat das Landgericht mit Beschluß vom 23.5.2001 zurückgewiesen. Dagegen wandte sich der Betroffene mit der am 11.6.2001 eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde.

Der Betroffene erklärte nach Ablauf der angeordneten Haftdauer die Hauptsache für erledigt und beantragte, die Kosten der Ausländerbehörde aufzuerlegen.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Zwar ist nach ihrer Einlegung die angeordnete Haftdauer abgelaufen, was grundsätzlich zur Erledigung der Hauptsache führt (vgl. BayObLGZ 1989, 227/228 ff.). Für eine Hauptsacheerledigung mit der Möglichkeit für den Betroffenen, sein Rechtsmittel auf den Kostenpunkt zu beschränken, ist jedoch kein Raum, wenn die Haftanordnung des Amtsgerichts vor dem erledigenden Ereignis rechtskräftig geworden ist. Im Zivilprozeß kann die Hauptsacheerledigung nur festgestellt werden, wenn die Klage vor Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig war (vgl. BGH NJW 1986, 588/589; 1992, 2235/2236 m.w.N.). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit liegt eine Hauptsacheerledigung nur dann vor, wenn durch Eintritt des erledigenden Ereignisses die Voraussetzungen für eine gerichtliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand nicht mehr gegeben sind (vgl. BayObLGZ 1990, 130/131; Keidel/Kahl, FGG 14. Aufl. § 19 Rn. 85). Ist eine Sachentscheidung bereits vor Eintritt des erledigenden Ereignisses nicht mehr möglich, kommen die Regeln zur Hauptsacheerklärung nicht zur Anwendung.

2. Die weitere sofortige Beschwerde ist unbegründet, weil die Erstbeschwerde, was das Landgericht verkannte, unzulässig ist. Die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht wurde nicht binnen einer Frist von zwei Wochen eingelegt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FGG; § 3 Satz 2, § 7 Abs. 1 FreihEntzG; § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Die Frist begann mit der Übergabe einer mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschlußausfertigung an den Betroffenen (§ 16 Abs. 2 Satz 1 FGG; § 170 ZPO) am 21.3.2001 (§ 22 Abs. 1 Satz 2 FGG). Sie endete somit mit Ablauf des 4.4.2001 (§ 17 Abs. 1 FGG; § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Frist ist gewahrt, wenn das Rechtsmittel rechtzeitig am richtigen Ort eingelegt wird (§ 21 Abs. 1 FGG). Das ist hier nicht der Fall, da die Beschwerdeschrift innerhalb der Frist weder bei dem Amtsgericht H., das die Abschiebungshaft angeordnet hatte, noch bei dem Landgericht N.-F., das dem Amtsgericht H. als Beschwerdegericht vorgeordnet ist, eingegangen ist.

Bei dem Amtsgericht H. ging die Beschwerdeschrift der damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen vom 30.3.2001 am 10.4.2001 ein. Der Eingang am 3.4.2001 bei der gemeinsamen Einlauf stelle der Gerichte und Staatsanwaltschaften in N., von wo aus die Beschwerdeschrift an das Amtsgericht H. weitergeleitet wurde, wahrte die Frist nicht. Die gemeinsame Einlauf stelle ist nach dem mit ihrer Einrichtung verfolgten Sinn und Zweck nur eine Durchgangsstelle für die bei ihr eingehenden und an den Adressaten weiterzuleitenden Schriftstücke. Sie kann daher Schriftstücke grundsätzlich nur für den Adressaten in Empfang nehmen. Dessen Bestimmung ist Sache des Einsenders, nicht der gemeinsamen Einlauf stelle. Wird demnach bei einer gemeinsamen Einlauf stelle mehrerer Gerichte eine Beschwerdeschrift unter der Anschrift eines bestimmten Gerichts abgegeben, so gilt sie bei diesem Gericht als eingereicht, nicht aber ohne weiteres bei einem zuständigen anderen G...

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