Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache. Unterlassung des Klavierspiels

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine aufgrund Ermächtigung in der Gemeinschaftsordnung vom Verwalter aufgestellte Hausordnung steht unter dem Vorbehalt einer Änderung durch die Wohnungseigentümer oder das Wohnungseigentumsgericht. Bis zu einer Änderung ist sie für alle Wohnungseigentümer verbindlich.

2. Die Beschränkung des Musizierens in der Hausordnung auf Zimmerlautstärke, also so, daß das Musizieren in anderen Wohnungen nicht zu hören ist, kann dem völligen Ausschluß eines Musizierens gleichkommen. Ein solcher Ausschluß ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn er nicht in einer Vereinbarung enthalten ist; nichtig ist er aber nicht. Wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer kann das Musizieren über Zimmerlautstärke in der Hausordnung nur in engen zeitlichen Grenzen zugelassen werden.

3. Einem auf die Hausordnung gestützten Antrag auf Unterlassung des Musizierens über Zimmerlautstärke kann nicht der Anspruch auf Änderung der Hausordnung dahin entgegengehalten werden, daß Musizieren in bestimmten zeitlichen Grenzen zulässig ist.

 

Normenkette

WEG § 14 Nr. 1, § 15

 

Verfahrensgang

LG Regensburg (Aktenzeichen 7 T 131/01)

AG Regensburg (Aktenzeichen 13 UR II 62/00)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Regensburg vom 22. Februar 2001 und des Landgerichts Regensburg vom 23. Mai 2001 aufgehoben.

II. Der Antragsgegnerin wird untersagt, in ihrer Wohnung Klavier über Zimmerlautstärke, also so zu spielen, daß das Klavierspiel in der Wohnung der Antragstellerin zu hören ist.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 800 DM, ersatzweise je 200 DM ein Tag Ordnungshaft, angedroht.

III. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in keinem Rechtszug zu erstatten.

IV. Der Geschäftswert wird für alle Rechtszüge auf 5.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin, die Antragsgegnerin und die weiteren Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Der Antragsgegnerin und ihrem Ehemann gehört die über der Wohnung der Antragstellerin liegende Wohnung. Die Antragsgegnerin spielt gelegentlich in ihrer Wohnung Klavier. Das Klavierspiel ist in der Wohnung der Antragstellerin deutlich zu hören.

§ 5a der Gemeinschaftsordnung (GO) lautet auszugsweise wie folgt:

Die Benutzung des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums kann durch eine vom Verwalter aufgestellte Hausordnung geregelt werden. Änderungen der Hausordnung werden vom Verwalter vorgenommen. Die Bestimmungen der Hausordnung können durch die Versammlung der Wohnungseigentümer mit einfacher Stimmenmehrheit geändert werden.

Nr. 10 der vom Verwalter aufgestellten Hausordnung lautet wie folgt:

Jeder ruhestörende Lärm ist zu unterlassen. Die Mittagsruhe von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr muß gewahrt bleiben. Besondere Rücksicht ist beim Musizieren und beim Betrieb von Plattenspielern, Rundfunk- und Fernsehgeräten sowie Elektrogeräten (Staubsauger) zu üben. Zimmerlautstärke darf auf keinen Fall überschritten werden. Insbesondere ist darauf in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr zu achten. Ebenso von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr.

Die Benutzung von Lautsprechern und Musikinstrumenten auf den Balkonen oder an offenen Fenstern ist untersagt.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Antragsgegnerin zur Unterlassung des Klavierspiels über Zimmerlautstärke in ihrer Wohnung zu verpflichten und ihr für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungsmittel anzudrohen. Das Amtsgericht hat den Antrag am 22.2.2001 abgewiesen. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 23.5.2001 die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt: Klavierspielen in Zimmerlautstärke sei sinnvoll nicht möglich, so daß die Hausordnung ein faktisches Musizierverbot enthalte. Musizieren in der eigenen Wohnung zähle zum Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und sei zugleich Ausfluß des Sondereigentums. Dieses Recht finde aber seine Grenze dort, wo das gleiche Recht anderer berührt werde. Eine Gebrauchsregelung durch Vereinbarung liege mit der Hausordnung nicht vor. Diese habe vielmehr die Rechtsqualität einer Gebrauchsregelung durch Eigentümerbeschluß. Eine solche könne die Musikausübung nicht grundsätzlich untersagen, wohl aber auf bestimmte Zeiten beschränken. Der faktisch völlige Ausschluß einer Musikausübung in der Hausordnung sei wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zu einer ordnungsmäßigen, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechenden Verwaltung, die jeder Wohnungseigentümer verlangen kann (§ 21 Abs. 4 WEG), gehört auch die Aufstellung einer Hausordnung (§ 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG). Die Gemeinschaftso...

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