Leitsatz (amtlich)

1. Ob größere Reparaturarbeiten ganz oder teilweise aus der Instandhaltungsrücklage bezahlt werden sollen oder ob insoweit eine Sonderumlage durchgeführt wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Wohnungseigentümer.

2. Kommt die Instandhaltungsrücklage ganz oder teilweise zur Finanzierung der Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahme in Betracht, bedarf es in der Regel tatsächlicher Feststellungen, mit welchen anderen Maßnahmen und mit welchem finanziellen Sanierungsaufwand in nächster Zeit in der Eigentümergemeinschaft zu rechnen ist, für die die Instandhaltungsrücklage voraussichtlich in Anspruch genommen werden soll.

3. Kommen für die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums mehrere Maßnahmen der Wohnungseigentümer in Betracht, hat das Gericht die ausgewählte Maßnahme, soweit sie vertretbar ist, grundsätzlich hinzunehmen, weil sie im Rahmen des den Wohnungseigentümern eingeräumten Ermessens liegt.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 04.06.2004; Aktenzeichen 14 T 9926/03)

AG Nürnberg (Beschluss vom 25.09.2003; Aktenzeichen 1 UR II 124/03, 2Z BR 142/04)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 4.6.2004 aufgehoben.

II. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des AG Nürnberg vom 25.9.2003 wird zurückgewiesen.

III. Die Antragsteller haben samtverbindlich die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet insoweit nicht statt.

IV. Auf die Geschäftswertbeschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth v. 17.3.2004 (Geschäftswertfestsetzung) dahingehend abgeändert, dass der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 3.000 Euro festgesetzt wird. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

V. Der Geschäftswert für das Verfahren vor dem AG und der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden auf je 3.000 Euro festgesetzt. Die Geschäftswertfestsetzung des AG im Beschluss vom 25.9.2003 wird entsprechend abgeändert.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts errichteten Wohnanlage, die von der weiteren Beteiligten verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 18.3.2003 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich den Beschluss, das Dach einschließlich Regenrinnen und -fallrohre zum Preis von ca. 31.000 Euro und die Fassade der Gebäuderückseite zum Preis von ca. 38.000 Euro instand zu setzen und die Gesamtmaßnahme durch eine Sonderumlage i.H.v. 68.000 Euro, verteilt im Verhältnis der Miteigentumsanteile aller Wohnungseigentümer, zu finanzieren.

Die Antragsteller haben beim AG beantragt, diesen Beschluss, soweit er die Finanzierung regelt, für ungültig zu erklären. Sie sind der Auffassung, bei einer vorhandenen Instandhaltungsrücklage von rund 32.000 Euro und einer Verzinsung von 2 % müsse von dieser für die Instandsetzung mindestens ein Anteil von 20.000 Euro verwendet werden. Das AG hat mit Beschluss vom 25.9.2003 den Antrag abgewiesen und den Geschäftswert auf 1.000 Euro festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das LG den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren am 17.3.2004 auf 1.000 Euro festgesetzt und mit Beschluss vom 4.6.2004 den Eigentümerbeschluss vom 18.3.2003 insoweit für ungültig erklärt, als darin die Finanzierung der Gesamtmaßnahme zur Instandsetzung des Dachs und der rückwärtigen Fassade ausschließlich durch eine Sonderumlage i.H.v. 68.000 Euro beschlossen worden ist. Gegen die Sachentscheidung des LG richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner. Die anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller erheben Geschäftswertbeschwerde mit dem Ziel, den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 20.000 Euro festzusetzen.

II. Das Rechtsmittel der Antragsgegner erweist sich als begründet. Auf die Geschäftswertbeschwerde der anwaltlichen Bevollmächtigten der Antragsteller und von Amts wegen setzt der Senat den Geschäftswert für das Verfahren vor dem AG und für das Beschwerdeverfahren vor dem LG neu fest.

1. Das LG hat ausgeführt:

Das Rechtsmittel der Antragsteller sei begründet. Die Instandhaltungsrückstellung bezwecke, Mittel für künftige Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen anzusammeln. Die Entnahme von Geldern aus der Rückstellung für derartige Zwecke entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung und sei hier auch geboten. Es bestehe zwar ein Ermessen der Wohnungseigentümer, ob sie eine Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßname durch Gelder aus der Rücklage oder durch eine Sonderumlage finanziere. Das Ermessen könne jedoch nicht dazu führen, die Instandhaltungsrücklage dauerhaft unangetastet zu lassen und stattdessen mehrere aufeinander folgende und kostenintensive Maßnahmen mit unter Umständen hohen Belastungen für die Wohnungseigentümer durch Sonderumlage zu finanzieren. Ein Sockelbetrag der Rücklage mü...

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