Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der Personensorge

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Beschluss vom 24.11.1989; Aktenzeichen 3 T 2161/89)

 

Tenor

I. Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 werden der Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 24. November 1989 und der Beschluß des Amtsgerichts vom 17. Juli 1989 aufgehoben.

II. Der Beteiligten zu 1 wird im Weg der vorläufigen Anordnung die Personensorge für das Kind entzogen und dem Kreisjugendamt als Pfleger übertragen.

III. Im übrigen werden die weiteren Beschwerden gegen die Entscheidung des Landgerichts und die Beschwerden gegen die Entscheidung des Amtsgerichts zurückgewiesen.

IV. …

V. …

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des 1987 nichtehelich geborenen Kindes. Sie praktizierte als Ärztin für Allgemeinmedizin. In ihrem Haushalt lebt auch ihre Mutter, die Beteiligte zu 2. Die mit der Geburt des Kindes eingetretene Amtspflegschaft wurde durch Beschluß des Vormundschaftsgerichts vom 8.12.1987 aufgehoben.

Die Mutter des Kindes leidet seit etwa 18 Jahren an einer noch nicht abschließend einzuordnenden psychischen Erkrankung, die sich insbesondere in depressiven Verstimmungszuständen äußert. Sie wurde deshalb zu Beginn des Jahres 1986 zwei Monate lang in einer Universitäts-Nervenklinik stationär behandelt. Im Januar 1988 mußte sie ein Nervenkrankenhaus zu einer weiteren, etwa einen Monat dauernden Behandlung aufsuchen. Sie hatte bei ihrem Kind eine Blasenpunktion vorgenommen. Das Kind wurde deswegen in einer Kinderklinik behandelt und dann in eine Pflegefamilie verbracht. Das Vormundschaftsgericht hatte für die Mutter am 25.1.1988 Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet

Nachdem die Pflegschaft aufgehoben worden war, kam das Kind zur Mutter zurück. Es befand sich dann bis Oktober 1988 in Tagespflege am Wohnort der Mutter, wurde im Anschluß daran für einige Wochen wieder von der Mutter betreut, bis diese im November 1988 eine neue Pflegestelle fand. In der letzten Januarwoche des Jahres 1989 bemerkte die Mutter Anzeichen einer erneut einsetzenden Krankheitsphase und suchte ein Frauenhaus auf, um der befürchteten Zwangseinweisung in ein Nervenkrankenhaus zu entgehen. Am 30.1.1989 verließ die Mutter das Frauenhaus und zog mit dem Kind in ein Hotel. Nachdem die Stadt ihre sofortige vorläufige Unterbringung in einem Nervenkrankenhaus verfügt hatte, hat das Vormundschaftsgericht am 10.2.1989 erneut Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet. …

Am 27.2.1989 stellte das Vormundschaftsgericht fest, daß die elterliche Sorge der Mutter ruhe. Das Kind wurde … in

in einem Kinderpflegeheim untergebracht, wo es sich bis jetzt befindet. Die Mutter wurde bis 25.4.1989 in einer Universitäts-Nervenklinik stationär behandelt. …

Die Gebrechlichkeitspflegschaft wurde vom Vormundschaftsgericht am 14.7.1989 aufgehoben.

Auf Antrag des Kreisjugendamts entzog das Vormundschaftsgericht durch einstweilige Anordnung vom 17.7.1989 der Mutter die „elterliche Sorge” für das Kind und „übertrug” diese dem Kreisjugendamt. …

Gegen die Entscheidung legten die Mutter und die bei ihr wohnende Großmutter Beschwerde ein Das Landgericht hörte durch die beauftragte Richterin die Beschwerdeführerinnen sowie zwei Auskunftspersonen persönlich an. Die Richterin befragte ferner zwei Ärzte und eine Sozialarbeiterin des Gesundheitsamts telefonisch. Die über die Gespräche gefertigten Aktenvermerke wurden den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gebracht. Mit Beschluß vom 24.11.1989 wies das Landgericht die Beschwerden zurück. … Gegen diese Entscheidung richten sich die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 und 2. …

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den ihre Erstbeschwerden zurückweisenden Beschluß des Landgerichts führen zur Aufhebung dieser Entscheidung und der einstweiligen Anordnung des Vormundschaftsgerichts. …

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Voraussetzungen der im Weg der einstweiligen Anordnung getroffenen Maßnahme gemäß § 1666 Abs. 1 BGB seien gegeben. Das Wohl des Kindes wäre bei dessen Wiederaufnahme in den Haushalt der Mutter wegen deren psychischen Erkrankung gefährdet. Obwohl diese eine innige Beziehung zu ihrem Kind habe, sei dessen körperliches Wohl in sich anbahnenden und akuten Krankheitsphasen der Mutter gefährdet, weil diese dann den Gesundheitszustand des Kindes falsch diagnostiziere und das Kind dieser Fehleinschätzung entsprechend behandle. Zwar sei die Art der Erkrankung nicht abschließend geklärt. Feststehe jedoch, daß die akuten Krankheitsphasen durch paranoide Denkinhalte, Angstzustände und unrealistische Befürchtungen geprägt seien, die sich auch auf das Kind bezögen. Die Mutter beurteile daher dessen Gesundheitszustand falsch und nehme deshalb nicht gerechtfertigte medizinische Eingriffe vor, die das körperliche Wohl des Kindes gefährdeten. …

Die Mutter habe das Kindeswohl auch in der Zeit vom 27. bis 31.1.1989 aufgrund eines sich anbahnenden oder akuten Verstimmungszustandes gefährdet. Das ergebe sich glaubhaft aus Beric...

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