Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachlaßsache

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Selbstanfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments durch den überlebenden wiederverheirateten Ehegatten genügt zur Begründung des Anfechtungsausschlusses gemäß § 2079 Satz 2 BGB nicht die Heranziehung der Motive, die den anfechtenden Ehegatten zu der getroffenen Verfügung veranlaßt haben; vielmehr müssen die vor, bei und nach der Testamentserrichtung erkennbaren Umstände die Folgerung zulassen, daß er bei Kenntnis der Wiederverheiratung die spätere Ehefrau enterbt hätte. Gibt es hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte, bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 2079 Satz 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 2079

 

Verfahrensgang

LG München II (Aktenzeichen 2 T 4049/99)

AG Starnberg (Aktenzeichen VI 740/84)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Landgerichts München II vom 31. August 2000 und des Amtsgerichts Starnberg – Nachlaßgericht – vom 14. Juni 1999 aufgehoben.

II. Die Sache wird an das Amtsgericht Starnberg – Nachlaßgericht – zu neuer Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die 1984 im Alter von 71 Jahren verstorbene Erblasserin war zweimal verheiratet. Ihr erster Ehemann fiel 1944 im Krieg. Aus der Ehe sind die 1938 geborene Beteiligte zu 2 und der 1940 geborene Beteiligte zu 3 hervorgegangen. Am 7.12.1946 heiratete die Erblasserin den 1911 geborenen Beteiligten zu 1, der die Kinder der Erblasserin in den gemeinsamen Haushalt aufnahm. Diese wuchsen bis zum 20. bzw. 19. Lebensjahr bei ihnen auf. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand und erwarben 1967 ein Haus, dessen Eigentum ihnen je zur Hälfte zustand.

Am 6.12.1982 errichteten die Erblasserin und der Beteiligte zu 1 ein gemeinschaftliches Testament, das der Beteiligte zu 1, ein Jurist, handschriftlich verfaßte und das beide Eheleute unterschrieben. Es hat u. a. folgenden Inhalt:

Gemeinschaftliches Testament nach § 2269 BGB

  1. Wir setzen uns gegenseitig als Erben ein. Nach dem Tod des Überlebenden soll unser beiderseitiger Nachlaß den beiden Kindern der Ehefrau (den Stiefkindern des Ehemanns) zu gleichen Teilen zufallen. Diese sollen aber schon beim Tod des ersten von uns folgendes erben:

    • Stirbt der Ehemann zuerst, dann aus seinem Wertpapiervermögen Stücke im Gesamtwert von 60.000 DM (sechzigtausend),
    • stirbt die Ehefrau zuerst, dann ihr Barvermögen, dazu aus ihrem Wertpapiervermögen soviele Stücke, daß sich zusammen mit dem Barvermögen ebenfalls 60.000 DM (sechzigtausend) ergeben.
  2. Beim Tod des Ehemanns erhalten als Vermächtnis …
  3. Die Einsetzung der beiden Kinder der Ehefrau als Erben des Überlebenden (s.o. Zf 1) schließt nicht aus, daß dieser verwitwet ein Vermächtnis oder eine sonstige Zuwendung in angemessener Höhe für diejenige Person vorsieht, die ihn als Alleingebliebenen versorgt hat.

Nach dem Tod der Erblasserin erteilte das Nachlaßgericht dem Beteiligten zu 1 am 24.12.1984 einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist.

Im Jahr 1998 heiratete der Beteiligte zu 1 wieder. Im Hinblick auf die neue Ehe erklärte er am 2.11.1998 zu notarieller Urkunde die Anfechtung seiner in dem gemeinschaftlichen Testament vom 6.12.1982 getroffenen Verfügungen; die Erklärung ging beim Nachlaßgericht am 10.11.1998 ein. Ebenfalls am 2.11.1998 errichtete der Beteiligte zu 1 ein notarielles Testament, in welchem er seine jetzige Ehefrau zur Alleinerbin einsetzte.

Das Nachlaßgericht überprüfte, ob der Erbschein vom 24.12.1984 im Hinblick auf die Anfechtung unrichtig geworden ist. Nach Anhörung der Beteiligten lehnte das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 14.6.1999 die Einziehung des Erbscheins vom 24.12.1984 ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluß vom 16.11.1999 zurück.

Der Senat hat diese Entscheidung mit Beschluß vom 17.5.2000 aufgehoben und die Sache zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Dieses hat mit Beschluß vom 31.8.2000 erneut die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 14.6.1999 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlaßgericht, das über die Einziehung des Erbscheins vom 24.12.1984 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu befinden hat.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen die Tatsachen und Umstände herangezogen, die schon zu dem Beschluß des Landgerichts vom 16.11.1999 geführt haben. Diesen hatte der Senat vor allem deswegen aufgehoben, weil das Landgericht die Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten als ausgeschlossen angesehen hat, obwohl es entgegen § 2079 Satz 2 BGB zu dem Ergebnis gekommen war, daß der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage nicht dieselbe Verfügung, nämlich die alleinige Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 3, getroffen hätte, sondern neben ihnen a...

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