Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung von zuständigen Gericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einer Vollmachtsrüge (vgl. § 88 Abs. 2 ZPO) ist im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nicht nachzugehen.

2. a) Eine vor Klageerhebung beantragte Bestimmung des zuständigen Gerichts zeitigt nur dann Wirkungen, wenn die im Bestimmungsverfahren angekündigte Klage genau gegen die als künftige Beklagte benannten Antragsgegner erhoben wird.

3. b) Für eine nach Klageerhebung beantragte Bestimmung des zuständigen Gerichts gilt nichts anderes. Betrifft die Zuständigkeitsbestimmung nicht genau die Beklagten des bereits rechtshängigen Prozesses, sondern nur einen Teil davon oder auch andere Antragsgegner, so bezieht sie sich nicht auf den tatsächlich betriebenen Rechtsstreit und hat für diesen keine Wirkungen.

 

Normenkette

EGZPO § 9; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, §§ 60, 88 Abs. 2, §§ 260, 261 Abs. 3 Nr. 2

 

Gründe

I. Die 688 Antragsteller, Unternehmen mit Sitzen im In- und Ausland (Griechenland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Bosnien und Herzegowina, Montenegro sowie Serbien), verlangen von den drei Antragsgegnerinnen Ausgleich des Schadens, der ihnen jeweils durch den Einkauf überteuerter Lastkraftwagen entstanden sein soll.

Unter Bezugnahme auf den Beschluss der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016 in Sachen AT-39824 - Trucks machen sie geltend, die Antragsgegnerinnen und weitere Lastkraftwagen-Hersteller hätten zwischen 1997 und 2011 Bruttopreislisten für mittlere und schwere Lastkraftwagen abgesprochen und dadurch gegen Art. 101 AEUV verstoßen. Sie - die Antragsteller - hätten in diesem Zeitraum Lastkraftwagen erworben und hierfür aufgrund des Kartells überhöhte Preise bezahlt. Sie könnten deshalb von den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. Art. 81 EGV bzw. Art. 101 AEUV sowie § 33 GWB Schadensersatz verlangen.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist im Bezirk des Landgerichts München I ansässig; die Antragsgegnerin zu 2) hat ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Stuttgart, die Antragsgegnerin zu 3) im Bezirk des Landgerichts Ulm.

Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2018 beantragten 254 Antragsteller des vorliegenden Verfahrens sowie 79 weitere Unternehmen beim Oberlandesgericht München, einen gemeinsamen Gerichtsstand für ihre damals beabsichtigte Klage gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) wegen gesamtschuldnerischer Haftung für die in der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016 (Case AT-39824 - Trucks) festgestellten Kartellrechtsverstöße zu bestimmen. Da es versehentlich zu drei Doppelnennungen gekommen war, zählte der Antrag 336 Antragsteller auf. Dieses Zuständigkeitsbestimmungsverfahren wurde bei dem Oberlandesgericht München unter dem Aktenzeichen 34 AR 112/18 geführt.

Noch vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts München verklagten alle 688 Antragsteller die Antragsgegnerinnen vor dem Landgericht München I gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz; die Klage wird dort unter dem Aktenzeichen 37 O 18897/18 geführt.

Nach Klageerhebung beantragten 421 Unternehmen, die auch Antragsteller des vorliegenden Verfahrens sind, sowie sieben Unternehmen, die bereits Antragsteller im Bestimmungsverfahren vor dem Oberlandesgericht München waren, mit Schriftsatz vom 11. Januar 2019 beim Bayerischen Obersten Landesgericht die Bestimmung des zuständigen Gerichts für ihre Klage gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) wegen gesamtschuldnerischer Haftung für die in der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016 (Case AT-39824 - Trucks) festgestellten

Kartellrechtsverstöße. Zur Begründung führten sie insbesondere aus, sie hätten die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) am 27. Dezember 2018 beim Landgericht München I unter dem Aktenzeichen 37 O 18897/18 gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz verklagt. In jenem, vom Senat unter dem Aktenzeichen 1 AR 30/19 geführten Verfahren nahm nur die Antragsgegnerin zu 1) zum Antrag Stellung. Mit Beschluss vom 30. April 2019 bestimmte der Senat das Landgericht Stuttgart als örtlich zuständiges Gericht für den von den dortigen Antragstellern nach deren damaligen Angaben gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2) eingeleiteten Rechtsstreit.

Mit Beschluss vom 4. Juni 2019, 34 AR 112/18, bestimmte das Oberlandesgericht München in seinem Verfahren das Landgericht München I als zuständig für den Rechtsstreit der dortigen 336 Antragsteller gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 2).

Nachdem die das Verfahren 37 O 18897/18 führende Zivilkammer des Landgerichts München I Zweifel an der Bindungswirkung des Beschlusses des Senats vom 30. April 2019, 1 AR 30/19, geäußert und auf missliche prozessuale Folgen bei dessen Umsetzung hingewiesen hatte, haben die 688 Kläger und Antragsteller des vorliegenden Verfahrens mit Schriftsatz vom 9. August 2019 beantragt, das Landgericht München I als gemeinsamen Gerichtsstand für ihre am 27. Dezember 2018 zum Landgericht München I erhobenen Klagen ge...

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