Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeitsbestimmung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Bestimmungsentscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Norm hinaus auch dann noch in Betracht, wenn die Antragsgegner bereits vor einem Gericht verklagt wurden und einzelne von ihnen die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben.

2. Eine Zuständigkeit nach § 43 Nr. 5 WEG ist nicht gegeben, wenn die vormaligen Mitglieder der WEG um ein nach Aufhebung der WEG vereinbarten Nießbrauch streiten.

 

Normenkette

BGB § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4; EGZPO § 9; WEG § 43 Nr. 5; ZPO §§ 12-13, 24 Abs. 1, § 29 Abs. 1, § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 09.04.2019; Aktenzeichen 31 O 328/19)

 

Tenor

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Potsdam bestimmt.

 

Gründe

I. Der im Landgerichtsbezirk Ravensburg wohnhafte Antragsteller begehrt mit seiner zum Landgericht Kempten (Allgäu) erhobenen Klage von den Antragsgegnern, seinen Söhnen, als Gesamtschuldnern Zahlung von 10.000 EUR als restliche Gegenleistung für einen von ihm erklärten Verzicht auf dingliche Nießbrauchsrechte an zwei vormalig im Wohnungseigentum der Antragsgegner stehenden Wohnungen. Diese waren Teil eines aus insgesamt drei Wohneinheiten bestehenden Gebäudes, welches sich bei Abgabe der Verzichtserklärung auf einem in Lindau (Landgerichtsbezirk Kempten (Allgäu)) belegenen Grundstück befand.

Der Antragsgegner zu 1) ist im Landgerichtsbezirk Potsdam wohnhaft, der Antragsgegner zu 2) wohnt im Bezirk des Landgerichts München I.

Zur Begründung verweist der Antragsteller auf einen zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Vertrag vom 31. Mai 2017 (Anlage K 1). In diesem hätten die Antragsgegner vereinbart, dass das ihnen zustehende Wohnungseigentum an dem Grundstück in Lindau auf eine aus den Antragsgegnern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts übergehen solle. Das bestehende Gebäude habe abgerissen und ein neues Gebäude mit sechs Wohneinheiten errichtet werden sollen. In dem notariellen Vertrag habe er, der Antragsteller, auf den zu seinen Gunsten bestehenden Nießbrauch an den beiden Wohnungen verzichtet. Dort sei geregelt, dass er als Gegenleistung einen Betrag in Höhe von 25.000 EUR erhalte. Mit notariellem Vertrag vom 20. Juni 2017 in Verbindung mit zwei Genehmigungserklärungen vom 26. Juni 2017 sei dann vereinbart worden, dass die Gegenleistung für den Verzicht auf den Nießbrauch insgesamt 35.000 EUR betrage. Die Parteien hätten vereinbart, dass Fälligkeit bei Auszahlung der ersten Kreditrate aus der Baufinanzierung der Antragsgegner eintrete. Am 26. Oktober 2018 seien von den Antragsgegnern 25.000 EUR bezahlt worden. Die Zahlung des darüber hinausgehenden Betrags von 10.000 EUR stehe aus, obwohl Fälligkeit eingetreten sei. Als weitere Gegenleistung für den Verzicht auf den Nießbrauch hätten die Parteien in dem notariellen Vertrag vom 31. Mai 2017 eine im Voraus von den Antragsgegnern an den Antragsteller zu zahlende Rente in Höhe von 400 EUR ab Darlehensauszahlung vereinbart. Die monatlichen Raten würden anstandslos bezahlt.

Mit Verfügung vom 20. März 2019 hat das Landgericht Kempten (Allgäu) darauf hingewiesen, dass es, vorbehaltlich rügeloser Verhandlung der Antragsgegner zur Hauptsache, örtlich unzuständig sei. Mit Schriftsatz vom 3. April 2019 hat der Antragsteller, wie bereits in der Klageschrift, dazu vorgebracht, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus § 24 Abs. 1 ZPO. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kempten (Allgäu) folge auch aus § 29 Abs. 1 ZPO. Hilfsweise hat der Antragsteller einen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO gestellt.

Mit Schriftsatz vom 5. April 2019 haben die Antragsgegner, beide vertreten durch ihre im Landgerichtsbezirk Potsdam ansässigen Prozessbevollmächtigten, die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit erhoben. Sie haben angeregt, den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zu verweisen, weil dort der Antragsgegner zu 1) seinen allgemeinen Gerichtsstand und die Erwerberin des streitgegenständlichen Grundstücks ihren Sitz habe. Keiner der bisher mit der Sache befassten Rechtsanwälte habe seinen Sitz im Bezirk des Landgerichts München I, aber wenigstens einer im Bezirk des Landgerichts Potsdam.

Mit Beschluss vom 9. April 2019 hat sich das Landgericht Kempten (Allgäu) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Oberlandesgericht München vorgelegt. Dieses hat das Verfahren an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.

II. Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Potsdam als (örtlich) gemeinsam zuständiges Gericht.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist das nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht, weil die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Brandenburg) haben und das zuerst mit der Sache...

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