Leitsatz (amtlich)

1. Keine Bindungswirkung der Abgabe eines Rechtsstreits wegen funktioneller Unzuständigkeit.

2. Ansprüche aus §§ 22 ff. KunsturhG sind keine Urheberrechtsstreitigkeiten i.S.d. § 105 UrhG.

3. Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wenn unter Berücksichtigung des gemeinsamen besonderen Gerichtsstands der Streitgenossenschaft nach Art. 6 Nr. 1 LGVÜ verschiedene Gerichtsstände im Inland gegeben sind.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 21 O 21130/03)

LG Kempten (Aktenzeichen 2 O 2290/03)

 

Tenor

Als für die Klage zuständiges gemeinsames Gericht wird das LG Kempten bestimmt.

 

Gründe

Die Antragstellerin hat bei dem AG Lindau Klage eingereicht mit dem Antrag die Antragsgegner als Gesamtschuldner zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, in Veröffentlichungen, Tonträgern, Fotos oder im Internet damit zu werben, dass die Antragstellerin die Sängerin einer bestimmten Band sei. Hinweis des AG Lindau auf seine Unzuständigkeit (Streitwert 6.000 Euro) hat die Antragstellerin die Abgabe des Rechtsstreits an das LG Kempten beantragt. Das AG Lindau hat daraufhin noch vor Zustellung der Klage mit Beschluss vom 8.10.2003 das Verfahren an das LG Kempten abgegeben.

Das LG Kempten hat zugleich mit Zustellung der Klage darauf hingewiesen, dass Zweifel an seiner örtlichen Zuständigkeit bestünden, weil die Antragsgegner zu 2) bis 4) ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht im Bezirk des LG Kempten hätten. Im Übrigen dürfte es sich um eine Urheberrechtsstreitssache handeln, für die das LG München I örtlich zuständig sei. Auf Grund des gerichtlichen Hinweises haben die Antragsgegner zu 2), 3) und 4) die örtliche Unzuständigkeit des LG Kempten geltend gemacht und zur Begründung insb. auch darauf hingewiesen, dass die Antragsgegner zu 2) und 3) ihren Wohnsitz in den Oberlandesgerichtsbezirken Karlsruhe bzw. Stuttgart und der Antragsgegner zu 4) seinen Wohnsitz in der Schweiz hätten. Außerdem sei für den Antragsteller zu 4) auch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben. Der Antragsteller hat die Verweisung des Verfahrens an das LG München I beantragt.

Mit Beschluss vom 12.11.2003 hat das LG Kempten den Rechtsstreit an das LG München I abgegeben. Zur Begründung wurde ausgeführt, das LG München I sei funktional zuständig, da es sich bei dem Rechtsstreit um eine Urheberrechtsstreitsache gem. §§ 73 ff., 97, 104 UrhG handele. Mit den sonstigen von den Antragsgegnern erhobenen Zuständigkeitsrügen hat sich das LG Kempten nicht befasst.

Die Beklagten zu 2), 3) und 4) haben auch die örtliche Zuständigkeit des LG München I gerügt.

Mit Schriftsatz vom 28.1.2004 hat die Antragstellerin beantragt, gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das LG München I als zuständiges Gericht zu bestimmen. Die Antragsgegner sind diesem Antrag unter Hinweis darauf, dass der Antragsgegner zu 4) keinen Gerichtsstand in Deutschland habe und der räumliche Schwerpunkt des Rechtsstreits im Bodenseekreis liege, entgegengetreten.

II. Als zuständiges gemeinsames Gericht war das LG Kempten zu bestimmen.

1. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Nach § 36 Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO ist das BayObLG zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag zuständig, da die allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner innerhalb und außerhalb Bayerns liegen.

2. Der Umstand, dass die Antragsgegner zu 1 bis 4 nicht, wie es § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wörtlich voraussetzt, "verklagt werden sollen", sondern bereits verklagt sind, steht einer Bestimmung des zuständigen Gerichts nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht entgegen (BayObLG v. 20.4.1993 - 1Z AR 5/93, NJW-RR 1994, 890; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rz. 16).

3. Nach dem maßgeblichen Vorbringen der Antragstellerin sind die Antragsgegner Streitgenossen i.S.d. § 60 ZPO, weil gegen sie als Gesamtschuldner Ansprüche auf Grund eines im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grundes geltend gemacht werden. Im Bestimmungsverfahren ist nicht zu prüfen, ob das anspruchsbegründende Vorbringen schlüssig ist; es ist lediglich zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die beantragte Gerichtsstandsbestimmung vorliegen. Dazu gehört die Frage, ob das Vorbringen die Annahme einer Streitgenossenschaft rechtfertigt (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rz. 18).

4. Der Umstand, dass der Antragsgegner zu 4) seinen Wohnsitz in der Schweiz und daher keinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) im Inland hat, steht der beantragten Bestimmung des zuständigen gemeinsamen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen. Für die Klage besteht nämlich der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft gem. Art. 6 Nr. 1 des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 (LGVÜ; BGBl. II 1994, 2658). Auch nach In-Kraft-Treten der EuGVVO, die grundsätzlich nur im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gilt, ist das LGVÜ im Verhältnis zur ...

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