Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerdeberechtigung eines Miterben im Erbscheinsverfahren. Auslegung eines Testaments. Nachlaßsache

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beschwerdeberechtigung eines Miterben im Erbscheinsverfahren, der durch Übertragung seines Erbteils aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden ist.

2. Bei der Auslegung eines Testaments ist vom Wortlaut auszugehen; dieser bildet jedoch nicht die Grenze der Auslegung (hier: zur Bestimmung der zeitlichen Grenze einer Nacherbfolge, wenn die Erblasserin diese für die Zeit „während des Bestehens der Erbengemeinschaft” angeordnet hat).

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084; FGG § 20

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 60 T 3304/99)

AG Landshut (Aktenzeichen VI 255/70; BayObLGZ 2001, Nr. 27)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 werden die Beschlüsse des Landgerichts Landshut vom 26. Juli 2000 und des Amtsgerichts Landshut vom 2. Dezember 1999 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht Landshut wird angewiesen, den Erbschein vom 28. Februar 1989 einzuziehen.

III. Im übrigen wird die Sache an das Amtsgericht Landshut zur Behandlung und Entscheidung über den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines neuen Erbscheins zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die am 10.3.1970 im Alter von 69 Jahren verstorbene Erblasserin war geschieden und kinderlos. Sie hinterließ ein handschriftliches Testament vom 1.1.1966, welches auszugsweise folgende testamentarische Verfügungen enthält:

„Ich … möchte eine Erbgemeinschaft für meinen Besitz. Die Erben sind:

… (acht Personen, darunter die Beteiligten zu 1 bis 7) …

Ein Haus kann verkauft werden und der Erlös kann gerecht verteilt werden.Davon sollen auch die weiteren Zuwendungen erledigt werden. Innerhalb der nächsten 10 Jahre, das ist 1975, soll kein Haus mehr verkauft werden.

Der Besitz ist gemeinsam zu verwalten. Nach Bildung von Rücklagen für Reparaturen ist der jährliche Überschuß zu verteilen.

Wenn während des Bestehens der Erbengemeinschaft ein Erbe stirbt, tritt an seine Stelle sein Kind bzw. Kinder. Hinterläßt er keine Abkömmlinge, so treten an seine Stelle die übrigen Erben zu gleichen Teilen.

Mein sonstiges Vermögen, das nach Zahlung und Herausgabe der nachstehenden Vermächtnisse verbleibt, erben die angeführten Personen zu gleichen Teilen. Sie können sich deshalb sofort auseinandersetzen.

Mein Grundbesitz: … (Aufzählung von zehn Grundstücken) …”

Einen zunächst erteilten Erbschein vom 27.7.1970 zog das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 22.12.1987 wieder ein. Zur Begründung ist angegeben, daß die auflösende Bedingung, wonach die Nacherbfolge nur bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft angeordnet ist, nicht im Erbschein angegeben war. Auf Antrag des Beteiligten zu 1 erließ das Amtsgericht am 28.2.1989 einen gemeinschaftlichen Erbschein, der die Beteiligten zu 1 bis 7 als Miterben zu gleichen Teilen bezeugt (der achte Erbe war zwischenzeitlich ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben). Ferner ist im Erbschein vermerkt:

„Während des Bestehens der Erbengemeinschaft sind Nacherbfolgen, die beim Tod eines Vorerben eintreten, in der Weise angeordnet, daß die einzelnen Nacherben jeweils nur Vorerben werden. Nacherben sind jeweils die Abkömmlinge eines Vorerben bzw. bei Nichtvorhandensein von Abkömmlingen die übrigen Miterben nach gleichen Teilen.”

Der Beteiligte zu 1 ist durch notariellen Teilauseinandersetzungs- und Erbteilsübertragungsvertrag vom 27.4.1989 und Nachtragsurkunde vom 30.10.1992 aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden, indem er drei zum Nachlaß gehörende Grundstücke zum Alleineigentum übernommen und als Gegenleistung seinen Erbteil an die übrigen Miterben übertragen hat. Die Nacherben stimmten dem Vertrag zu, wobei für die noch unbekannten (noch nicht gezeugten) Nacherben zum Zwecke der Grundstücksübertragung ein gerichtlich bestellter Pfleger vorbehaltlich der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung handelte, und bewilligten und beantragten die Löschung des Nacherbenvermerks an den übertragenen Grundstücken „soweit möglich”. In der Folgezeit war die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nicht zu erhalten; sie wurde jedoch für den Fall bestimmter Vertragsänderungen in Aussicht gestellt. Diese Vertragsänderungen wurden durch die erwähnte Nachtragsurkunde vom 30.10.1992 vorgenommen. Danach soll die Löschung des Nacherbenvermerks an den drei dem Beteiligten zu 1 zum Alleineigentum übertragenen Grundstücken nicht durchgeführt werden, der Nacherbenvermerk vielmehr bestehen bleiben und vom Beteiligten zu 1 im bestehenden Umfang zur weiteren Duldung und Gewährung übernommen werden.

Mit notarieller Urkunde vom 1.9.1999 veräußerte der Beteiligte zu 1 die drei ihm zum Alleineigentum übertragenen Grundstücke weiter. Er beantragte sodann, den vom Nachlaßgericht am 28.2.1989 erteilten Erbschein dahingehend zu ergänzen bzw. zu berichtigen, daß es sich bei der dort aufgeführten Anordnung der Vor- und Nacherbfolge um eine befreite Vorerbschaft im Sinne des § 2136 BGB handelt.

Zur Begründung führte er aus, die Erblasserin habe ausdrückl...

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