Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Beschwerderecht des Inhabers einer Generalvollmacht des Betroffenen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Einverständnis des Betroffenen mit der Bestellung eines Betreuers kann je nach den Umständen als Antrag i.S.v. § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB gewertet werden.

2. Der Inhaber einer Generalvollmacht des Betroffenen hat kein Beschwerderecht gegen die Bestellung eines Betreuers für den Vollmachtgeber.

3. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs begründet kein Beschwerderecht, wenn eine materielle Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen durch die angefochtene Entscheidung ausgeschlossen ist.

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 04.07.2003; Aktenzeichen 13 T 5190/03)

AG Fürth (Bayern) (Beschluss vom 16.04.2003; Aktenzeichen XVII 246/03)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 4.7.2003 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des AG Fürth vom 16.4.2003 verworfen wird.

 

Gründe

I. Das AG bestellte mit Beschluss vom 16.4.2003 durch einstweilige Anordnung eine Rechtsanwältin zur vorläufigen Betreuerin der Betroffenen in den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Sorge für ärztliche Betreuung, Vermögenssorge, Behördenangelegenheiten, Vertretung ggü. Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern sowie Überwachung der Tätigkeit des weiteren Beteiligten als Bevollmächtigten der Betroffenen mit dem Recht, die Vollmachtsurkunde herauszuverlangen und ihm weiteres Tätigwerden im Namen der Betroffenen zu untersagen. Die Betroffene hatte sich zuvor mit der Bestellung eines Berufsbetreuers einverstanden erklärt.

Der weitere Beteiligte, ein Neffe der Betroffenen, dem sie u.a. für alle Belange über den Tod hinaus Generalvollmacht erteilt hatte, legte gegen die Entscheidung des AG Beschwerde ein, die das LG zurückgewiesen hat. Hiergegen richtete sich seine weitere Beschwerde.

II. Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.

1. Endentscheidungen des Beschwerdegerichts unterliegen ohne Rücksicht auf die Statthaftigkeit oder Zulässigkeit der Erstbeschwerde der weiteren Beschwerde; der erfolglose Erstbeschwerdeführer ist insoweit beschwerdeberechtigt (Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 27 FGG Rz. 1 und 7 m.w.N.).

2. Im vorliegenden Fall ist die weitere Beschwerde aber schon deshalb unbegründet, weil das Beschwerdegericht die Erstbeschwerde mangels Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers als unzulässig hätte verwerfen müssen.

a) Das Rechtsbeschwerdegericht ist verpflichtet, die Beschwerdeberechtigung des Rechtsmittelführers im Erstbeschwerdeverfahren einer eigenen Nachprüfung zu unterziehen (vgl. BayObLGZ 1971, 284 [285] m.w.N.).

b) Für das Beschwerderecht gegen alle Entscheidungen im Betreuungsverfahren gilt zunächst § 20 FGG. Hiernach steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die angefochtene Verfügung beeinträchtigt ist. Soweit eine Verfügung nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu. Daneben tritt in Betreuungssachen – auch im Falle der Bestellung eines vorläufigen Betreuers gem. § 69 f FGG – das besondere Beschwerderecht von Angehörigen und zuständiger Behörde nach § 69g Abs. 1 FGG. Nahen Angehörigen steht u.a. die Beschwerde gegen die Bestellung eines Betreuers von Amts wegen zu.

c) Auf das besondere Beschwerderecht nach § 69g Abs. 1 FGG kann sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht stützen. Er gehört als Neffe der Betroffenen zwar grundsätzlich zum privilegierten Personenkreis. Der Betroffenen wurde hier aber kein Betreuer von Amts wegen, sondern auf entspr. Antrag hin bestellt.

aa) Nach der Rspr. des Senats setzt ein Antrag i.S.d. § 1896 Abs. 1 BGB eine Willensäußerung des Betroffenen ggü. dem VormG voraus, der, ggf. durch Auslegung, das Begehren zu entnehmen ist, für ihn solle ein Betreuer bestellt werden (vgl. BayObLG, Beschl. v. 16.7.2003 – 3Z BR 119/03). Jedes auf die Bestellung eines Betreuers gerichtete Begehren kann als Antrag in diesem Sinne zu werten sein. Deshalb kann je nach den Umständen auch die Erklärung des Betroffenen genügen, er sei mit der Betreuung einverstanden (vgl. Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1896 BGB Rz. 13), wenn ihr nach dem Gesamtzusammenhang der Wille des Betroffenen zu entnehmen ist, für ihn solle ein Betreuer bestellt werden. Geschäftsfähigkeit des Betroffenen ist nach § 1896 Abs. 1 S. 2 BGB keine Antragsvoraussetzung; der „natürliche Wille” reicht für die Antragstellung aus, und damit auch dafür, das Beschwerderecht naher Angehöriger gegen die Bestellung eines Betreuers nach § 69g Abs. 1 FGG auszuschließen (vgl. BayObLGZ 1998, 82 [83]; Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 69g Rz. 12).

Ein solcher Antrag wurde dem VormG nach Aktenlage in dem Schreiben des Bezirkskrankenhauses A. vom 15.4.2003 übermittelt. Darin hat die Betroffene erklärt, sie sei mit der Bestellung eines Berufsbetreuers einverstanden. Die Betroffene hat diese Erklärung in dem klaren Bewusstsein abgegeben, dass sie ang...

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