Leitsatz (amtlich)

1. Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem die kinderlosen Ehegatten ihr Immobilienvermögen nach dem Tod des Letztversterbenden unter Übergehung der Schwester der Ehefrau den drei Familienstämmen der Kinder der Schwester zuwenden.

2. Zur Pflicht der Tatsacheninstanzen, Beweisangeboten zur Ermittlung des Erblasserwillens nachzugehen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2087, 2267, 2358; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 12.01.2004; Aktenzeichen 7 T 5696/03)

AG Hersbruck (Aktenzeichen VI 1193/01)

 

Tenor

I. Auf die weiteren Beschwerden des Beteiligten zu 1) und der Beteiligten zu 4), 5), 6) und 7) wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 12.1.2004 einschließlich der Ergänzung durch Beschl. v. 31.3.2004 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die am 24.11.2001 im Alter von 86 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Ihre nächsten noch lebenden Verwandten sind ihre ältere und einzige Schwester A. (Beteiligte zu 11) sowie deren drei Kinder B. (Beteiligter zu 1), H. (Beteiligte zu 4) und R. (Beteiligte zu 8) und Kindeskinder (Großneffen und Großnichten der Erblasserin: Beteiligte zu 2) und 3), Beteiligte zu 5 bis 7), Beteiligte zu 9) und 10). Der 1988 vorverstorbene Ehemann der Erblasserin hatte keine lebenden nahen Verwandten.

Ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament der Eheleute vom 31.3.1977 hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

Sterbe ich ... (Ehemann) vor meiner Frau (Erblasserin), so fallen Haus und Grundstück, L. an meine Frau und soll sie ihr mütterliches und väterliches Erbe allein erben. Sterbe ich (Erblasserin) vor meinem Mann, so soll mein Anteil an Haus und Grundstück U. an B. mit Kindern und H. mit Kindern fallen. Die meinem Mann zufallenden Grundstücke würden im Fall seines Ablebens wieder an meine Schwester, A. bzw. ihre Kinder zurückgehen.

Für die Zeit seines Lebens soll mein Mann das Nutzrecht an solchen Äckern, Wiesen und Wäldern haben. Außerdem gilt, dass Haus und Grundstück L. ganz an meinen Mann fallen.

Wir bestimmen hiermit, dass nach dem Tode des zuletzt Versterbenden unser Grundstück und Haus L. an R. und ihre Kinder M. und N. zu gleichen Teilen fallen soll. Den Inhalt des Hauses mag A. mit ihren Kindern und Kindeskindern teilen. Wir bestimmen ferner, dass der Anteil von (Erblasserin) an Haus und Grundstück U. zu gleichen Teilen an B. mit Kindern und H. mit Kindern fallen soll, dass der Anteil von (Erblasserin) an den übrigen Grundstücken (Wiesen, Äcker, Wäldern) zu möglichst gleichen Teilen an B. mit Kindern, an R. mit Kindern und an H. mit Kindern fallen soll. Familie H. soll für ihren Hausbau 20.000 DM erhalten.

31.3.1977

(Unterschriften)

1. Zusatz:

In Folge der Scheidung von R. verfügen wir, dass die oben genannten Anteile für sie ihr zufallen sollen, nicht aber ihrem geschiedenen Mann, oder einem ihm zugeschriebenen Kind.

Außerdem soll unser Patenkind M. 10.000 DM aus unseren Wertpapieren (Sparbriefe) bei der Sparkasse H. und Hypobank H. und soll unser Patenkind N. 20.000 DM aus unserem Sparguthaben bei der Sparkasse bekommen.

Bausparkasse und Lebensversicherung sollen dem Straßenbauanteil L. dienen.

31.3.1977

(Unterschriften)

2. Zusatz:

Wir sind übereingekommen, dass auch im Falle einer zweiten Eheschließung des verbleibenden Partners unser Haus und Grundbesitz nicht auf die Seite des eventuellen zweiten Ehepartners fallen soll, sondern an R. mit Kindern.

1.4.1977

(Unterschriften)

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem Anwesen L., dessen Wert das LG mit 500.000 DM angenommen hat, dem ½-Anteil der Erblasserin am Anwesen U. (190.000 DM) und dem ½-Anteil der Erblasserin am Grundbesitz "Äcker, Wiesen, Wald" (252.000 DM) sowie Geldvermögen i.H.v. rund 300.000 DM. Das Anwesen L. war von den Eheleuten als Miteigentum zu je ½ erworben worden, ob der Anteil des Ehemannes bei dessen Tod auf die Erblasserin übergegangen ist und damit in den Nachlass fällt oder nicht (vgl. S. 1 des gemeinschaftlichen Testaments), ist zwischen den Beteiligten streitig. Bei dem Anwesen U. und dem Grundbesitz "Äcker, Wiesen, Wald" handelt es sich um von den Eltern ererbtes Vermögen der Erblasserin und ihrer Schwester A., der, abgesehen von zwei Ackergrundstücken, die übrigen Anteile gehören.

Die Beteiligten streiten über die Auslegung des Testaments. Während die Beteiligten B. und H. und ihre Kinder von einer Erbeinsetzung der drei Familienstämme ausgehen, ist die Beteiligte R. mit ihren Kindern der Auffassung, das Testament enthalte für den Tod des Letztversterbenden nur Vermächtnisse und keine Erbeinsetzung. Nach dieser Auffassung, die in der Folgezeit vom AG und vom LG geteilt wurde, soll gesetzliche Erbfolge eingetreten und die Schwester A. der Erblasserin gesetzliche Alleinerbin geworden sein.

Für die Vertretung der hochbetagten und unter Betreuung stehenden Schwester der Erblasserin im Nachlassverfahren wurde eine Ergänzungsbetreuerin bestellt. Es ist Nachl...

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