Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des zuständigen Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 5 FGG setzt grundsätzlich voraus, daß das vorlegende Gericht ermittelt, wo der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

 

Normenkette

FGG § 5

 

Verfahrensgang

AG Würzburg (Aktenzeichen XVII 4078/96)

 

Tenor

Die Sache wird an das Amtsgericht Würzburg zurückgegeben.

 

Tatbestand

I.

Der Betroffene erlitt am 9.12.1995 ein schweres Schädelhirntrauma. Er befindet sich seit diesem Tag in der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg. Diese regte am 2.2.1996 beim Amtsgericht Würzburg an, für den Betroffenen einen Betreuer mit den Aufgabenkreisen „Mitwirkung bei Heilmaßnahmen” und „Aufenthaltsbestimmung” zu bestellen. Als Wohnort des Betroffenen gab die Klinik Schwäbisch Hall an. Das Amtsgericht Würzburg leitete die Anregung dem für Schwäbisch Hall zuständigen Vormundschaftsgericht Notariat I Schwäbisch Hall „zuständigkeitshalber” zu. Dieses lehnte die Übernahme der Betreuungssache ab. Das Amtsgericht Würzburg legte daraufhin die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts zu.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 5 FGG sind gegeben, da zwischen den Amtsgerichten Streit über die örtliche Zuständigkeit besteht. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung zuständig, weil an dem Streit ein bayerisches und ein außerbayerisches Gericht beteiligt sind und das bayerische Gericht zuerst mit der Sache befaßt war (§ 5 Abs. 1, § 199 Abs. 1 und 2 Satz 2 FGG, Art. 11 Abs. 3 AGGVG).

§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG, der zur Zuständigkeit des OLG Stuttgart führen würde, ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zwar kommt es für die Anwendung dieser Bestimmung nicht darauf an, daß bereits ein Betreuer bestellt ist (vgl. BayObLGZ 1992, 351). Eine Abgabe im Sinne von § 65a Abs. 2 Satz 2 FGG, der auf § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG verweist, liegt aber nur vor, wenn das Gericht, das ein Verfahren einem anderen Gericht übertragen will, bereits in der Sache selbst, also in Bezug auf die Betreuung tätig geworden ist.

2. Die Anrufung des Bestimmungsgericht bei Streit über die örtliche Zuständigkeit setzt voraus, daß das vorlegende Gericht die tatsächlichen Verhältnisse, die für die rechtliche Beurteilung maßgebend sind, abschließend geklärt hat (vgl. BayObLGZ 1987, 463/464; OLG Karlsruhe BtPrax 1995, 184; Jansen FGG 2. Aufl. § 5 Rn. 19; Keidel/Kahl FGG 13. Aufl. § 5 Rn. 22). Wenn es hieran fehlt, ist die Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht möglich. Die Sache ist dann regelmäßig an das zuerst mit der Sache befaßte Gericht zur Nachholung der erforderlichen Ermittlungen zurückzugeben (BayObLG a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.). So ist es hier.

a) Für Verrichtungen, die die Betreuung betreffen, ist nach § 65 Abs. 1 FGG grundsätzlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Betroffene zu der Zeit, zu der das Gericht mit der Angelegenheit befaßt wird, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat der Betroffene keinen gewöhnlichen Aufenthalt oder ist ein solcher nicht feststellbar, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt (§ 65 Abs. 2 FGG; BayObLGZ 1996 Nr. 6). Für Maßregeln nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 i.V.m, § 1846 BGB und einstweilige Anordnungen nach § 69f FGG ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge hervortritt (§ 65 Abs. 5 Satz 1 FGG; vgl. hierzu BayObLGZ 1996 Nr. 6).

b) Danach kann im vorliegenden Fall das Notariat I Schwäbisch Hall örtlich nur zuständig sein, wenn der Betroffene am 2.2.1996 (vgl. § 65 Abs. 1 FGG) seinen gewöhnlichen Aufenthalt, also den tatsächlichen Mittelpunkt seiner Lebensführung (BayObLG Rpfleger 1993, 63; OLG Karlsruhe a.a.O.; Damrau/Zimmermann Betreuung und Vormundschaft 2. Aufl. § 65 FGG Rn. 4), in dessen Bezirk hatte.

Das Amtsgericht Würzburg wird daher zu ermitteln haben, ob der Betroffene am 2.2.96 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Schwäbisch Hall hatte. Das ist dann nicht schon der Fall, wenn der Betroffene zu diesem Zeitpunkt dort nur noch gemeldet war (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 65 FGG Rn. 10; Damrau/Zimmermann a.a.O.).

 

Unterschriften

Karmasin, Dr. Plößl, Dr. Schreieder

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1085927

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