Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines von beiden Eheleuten unterschriebenen Testaments

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines von Ehegatten in der Weise errichteten Testaments, dass der eine Ehegatte – in Ich-Form – seine letztwilligen Verfügungen niederschreibt und der andere Ehegatte diese – mit dem Zusatz: „Dieses Testament ist auch mein letzter Willen” – mitunterzeichnet.

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 23.07.2002; Aktenzeichen 4 T 1405/02)

AG Memmingen (Aktenzeichen VI 112/02)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des LG Memmingen vom 23.7.2002 aufgehoben.

II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Memmingen vom 27.6.2002 wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligte zu 1) hat dem Beteiligten zu 2) die diesem im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Die im Jahre 1918 geborene, am 5.1.2002 verstorbene Erblasserin hatte 1937 den Landwirt A geheiratet. Aus der Ehe stammt der Beteiligte zu 2); ein weiterer Sohn ist 1995 ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben. A wurde 1959 für tot erklärt. Danach hat die Erblasserin den am 4.9.1987 verstorbenen Hilfsarbeiter B geheiratet. Dieser Ehe entstammt die am 24.4.1961 geborene Beteiligte zu 1), die behindert ist und unter Betreuung steht. Mit notariellem Vertrag vom 11.10.1961 übergab die Erblasserin das landwirtschaftliche Anwesen, dessen Alleineigentümerin sie als alleinige Erbin von A geworden war, an den Beteiligten zu 2).

Das Nachlassgericht hat ein handschriftliches Testament vom 20.6.1977 eröffnet, dessen Text von dem zweiten Ehemann der Erblasserin geschrieben und von ihm und der Erblasserin unterzeichnet wurde. Es lautet:

Mein letzter Wille.

Ich setze meine Tochter … (die Beteiligte zu 1)) als Hauserbe ein, meine Frau … (die Erblasserin) ist berechtigt, bei meinen Tode das Erbe der … (Beteiligte zu 1)), solange zu verwalten bis, … (die Beteiligte zu 1)) es alleine kann, die Übergabe u. Zeitpunkt bestimmt meine Frau. Meine Frau … hat auf Lebzeiten eine Wohnung, nach eigener Wahl frei ohne Miete.

Bei vorzeitigen ableben meiner Tochter … kann meine Frau das Haus, nur an einen meiner Brüder Kinder, nach Ihrer Wahl und auch den Zeitpunkt übergeben.

Zu diesem letzten Willen gehört auch Geld u. Geldwerte dazu.

Das ist mein letzter Wille:

… …(B)

… (Erblasserin)

Dieses Testament ist auch mein letzter Wille.

… 20.6.1977 … (B)

… (Erblasserin)

Darunter befindet sich neben der Ortsangabe und dem Datum nochmals eine Unterschrift des zweiten Ehemannes der Erblasserin. Dieser hatte das in seinem Eigentum stehende Hausgrundstück noch unter Lebenden mit notarieller Urkunde vom 4.9.1987 seiner Tochter, der Beteiligten zu 1), überlassen. Mit Beschluss vom 26.2.1988 wurde der Beteiligten zu 1) ein Erbschein erteilt, der bezeugte, dass sie „auf Grund eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments vom 20.6.1977” ihren Vater allein beerbt habe.

Der Nachlass der Erblasserin besteht aus Bankguthaben im Wert von ca. 400.000 Euro.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben unterschiedliche Erbscheinsanträge gestellt. Die Beteiligte zu 1) ist der Meinung, auf Grund des gemeinschaftlichen Testaments vom 20.6.1977 auch Alleinerbin ihrer Mutter, der Erblasserin, geworden zu sein. Der Beteiligte zu 2) dagegen meint, dass das Testament vom 20.6.1977 keine letztwillige Verfügung der Erblasserin enthält; diese habe durch ihre Unterschrift nur kundtun wollen, dass sie mit den Verfügungen ihres Ehemannes einverstanden sei. Daher sei gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der bezeugen soll, dass sie die Erblasserin allein beerbt habe.

Der Beteiligte zu 2) hat beantragt, ihm einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, dass die Beteiligte zu 1) und er gesetzliche Erben zu je 1/2 seien.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 27.6.2002 die Erteilung eines Erbscheins gem. dem Antrag des Beteiligten zu 2) angekündigt. Auf die durch den Betreuer eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das LG diesen Vorbescheid mit Beschluss vom 23.7.2002 aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) weitere Beschwerde eingelegt.

II. Die zulässige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) (§§ 20, 21, 27, 29 FGG) hat Erfolg.

1. Während das Nachlassgericht der Meinung war, das Testament vom 20.6.1977 enthalte lediglich letztwillige Verfügungen des Ehemanns der Erblasserin und das Einverständnis der Erblasserin mit diesen Verfügungen, jedoch keine letztwillige Verfügung der Erblasserin, nimmt das LG an, auch die Erblasserin habe mit dem Testament vom 20.6.1977 die Beteiligte zu 1) als ihre Alleinerbin eingesetzt. Bei dem Testament vom 20.6.1977 handle es sich um ein formwirksames gemeinschaftliches Testament, in dem auch die Erblasserin eine eigene letztwillige Verfügung getroffen, nicht nur diejenige ihres Ehemannes gebilligt habe, obwohl es dem Wortlaut nach nur Verfügungen des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin über sein Vermögen enthalte. Für ein gemeinsc...

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