Entscheidungsstichwort (Thema)

Testamentsanfechtung

 

Leitsatz (redaktionell)

Gemäß § 2078 Abs. 2 BGB kann eine letztwillige Verfügung angefochten werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist. Darunter fällt jeder Motivirrtum, auch der durch arglistige Täuschung herbeigeführte.

 

Normenkette

BGB § 2078 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 26.03.2002; Aktenzeichen 8 T 2902/01)

AG Rosenheim (Aktenzeichen VI 267/96)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 10 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 26. März 2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 10 hat die den Beteiligten zu 1 bis 9 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 1 Mio. EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der 1996 im Alter von 80 Jahren verstorbene Erblasser war ledig und hinterließ keine Abkömmlinge. Die Beteiligte zu 1 ist eine Schwester des Erblassers. Die weiteren Geschwister des Erblassers sind vorverstorben; die Beteiligten zu 2 bis 9 sind deren Kinder.

Ein handschriftliches und mit dem Namen des Erblassers unterschriebenes Testament vom 1.5.1994 hat im wesentlichen folgenden Wortlaut:

„Ich … setze hiermit meine seit siebeneinhalb Jahren tätige Betreuerin B. … zu meiner Alleinerbin über mein Gesamtvermögen ein. Alle meine letztwilligen Verfügungen widerrufe ich hiermit Pflichterben habe ich keine”

Die in diesem Testament bedachte B. beantragte am 25.4.1996 einen Alleinerbschein. Die als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Beteiligten zu 4, 7 und 9 erklärten mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 21.8.1996 die Anfechtung des Testaments vom 1.5.1994 wegen Irrtums des Erblassers.

Die im Testament bedachte B. wurde zuletzt durch das Amtsgericht – Schöffengericht – mit Urteil vom 21.5.1999 wegen Betrugs u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren zwei Monaten verurteilt. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, weil B. in der wegen weiterer Ermittlungsverfahren wegen Betrugs u.a. angeordneten Untersuchungshaft am 12.10.1999 Selbstmord beging.

Für die unbekannten Erben der B. wurde mit Beschluß des Nachlaßgerichts vom 19.11.1999 Nachlaßpflegschaft angeordnet und der Beteiligte zu 10 zum Nachlaßpfleger bestellt. Der Wirkungskreis des Nachlaßpflegers umfaßt die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses der B.

B. selbst hatte noch zu Lebzeiten mit notariell beurkundetem Vertrag vom 7.5.1999 „den gesamten Nachlaß” des Erblassers an den Beteiligten zu 11 „übertragen”.

Nach umfangreicher Beweisaufnahme zur Testierfähigkeit des Erblassers, zur Echtheit des Testaments sowie zur Frage der Irrtumsanfechtung wies das Amtsgericht den Erbscheinsantrag der mittlerweile verstorbenen B. zurück. Der Beschluß ist auf die nach Auffassung des Amtsgerichts wirksame Testamentsanfechtung gestützt. Hiergegen legten die Beteiligten zu 10 und 11 je gesondert Beschwerde ein. Das Landgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 11 als unzulässig verworfen und das Rechtsmittel des Beteiligten zu 10 als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 10.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 10 ist zulässig.

a) Als Nachlaßpfleger ist der Beteiligte zu 10 gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben der B. und als solcher im vorliegenden Erbscheinsverfahren – das nicht die Erbfolge nach B. zum Gegenstand hat – zur Einlegung der Beschwerde befugt (vgl. BayObLG FamRZ 1991, 230). Außerhalb der Vertretungsmacht des Nachlaßpflegers liegt nur die Einlegung von Rechtsmitteln gegen solche Beschlüsse, die im Erbscheinsverfahren desjenigen Erblassers ergehen, für dessen unbekannte Erben der Nachlaßpfleger bestellt wurde (BayObLG aaO; Münchkomm/Leipold BGB 3. Aufl. § 1960 Rn. 57; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 20 Rn. 77); ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Beschwerdeberechtigung der unbekannten Erben der B. ergibt sich schon daraus, daß deren vom Nachlaßpfleger als gesetzlicher Vertreter erhobene Erstbeschwerde zurückgewiesen wurde.

b) Der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde steht nicht entgegen, daß kein bestimmter Antrag gestellt ist und das Rechtsmittel nicht begründet wurde (vgl. Keidel/Kahl § 29 Rn. 32). Beschwerdeziel ist ersichtlich die Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse und eine positive Entscheidung über den Erbscheinsantrag der B. Dieser Antrag kann von den Erbeserben im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt werden.

2. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg.

a) Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist der landgerichtliche Beschluß nur insoweit, als das Landgericht über die Erstbeschwerde des Beteiligten zu 10 entschieden hat. Die Verwerfung der Erstbeschwerde des Beteiligten zu 11 als unzulässig ist nicht angefochten. Die Zulässigkeit der Erstbeschwerde des Beteiligten zu 10 hat das Landgericht zutreffend bejaht.

b) Das Landger...

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