Entscheidungsstichwort (Thema)

Duldung

 

Leitsatz (amtlich)

Teilt der Vermieter dem Mieter in einem Ankündigungsschreiben über beabsichtigte Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 541b Abs. 2 Satz 1 BGB mit, daß infolge dieser Maßnahmen keine Erhöhung des Mietzinses erfolgt, muß er keine Angaben über eine theoretisch mögliche Mietzinserhöhung machen.

 

Normenkette

BGB § 541b Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 462 C 23671/99)

LG München I (Aktenzeichen 31 S 20093/99)

 

Tenor

Teilt der Vermieter dem Mieter in einem Ankündigungsschreiben über beabsichtigte Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 541b Abs. 2 Satz 1 BGB mit, daß infolge dieser Maßnahmen keine Erhöhung des Mietzinses erfolgt, muß er zusätzlich keine Angaben über eine theoretisch mögliche Mietzinserhöhung machen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin ist eine Baugenossenschaft, der Beklagte deren Mitglied und Mieter einer Wohnung in einem Anwesen der Klägerin, das zwischen 1920 und 1930 errichtet wurde. Die Klägerin beschloß 1991, sämtliche aus der Bauzeit stammende und immer noch vorhandene Kastenfenster nicht nur in diesem Anwesen, sondern in der mehrere Straßenzüge umfassenden Wohnanlage auszutauschen. Aus Gründen des Denkmalschutzes mußte der Austausch auf die hofseitige Fassade beschränkt werden, während die Straßenfront unverändert bleiben sollte. Die von dem Beklagten bewohnten Räume weisen drei hofseitige Fenster auf.

Mit Schreiben vom 11.5.1999 kündigte die Klägerin den beabsichtigten Austausch der hofseitigen Fenster in der Wohnung des Beklagten an und forderte diesen zur Duldung der Arbeiten auf. Das Schreiben enthält Angaben über Art, Umfang, Beginn und voraussichtliche Dauer der Maßnahme und führt über die zu erwartende Erhöhung des Mietzinses aus:

Der Mietzins wird durch diese Maßnahme nicht erhöht. Eine Modernisierungsumlage nach § 3 MHG ist nicht vorgesehen.

Der Beklagte widersprach der angekündigten Maßnahme. Die Klägerin erhob gegen ihn Klage auf Duldung des Austausches der hofseitigen Kastenfenster durch neue Holzfenster in dessen Wohnung. Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Mit Endurteil vom 26.10.1999 gab das Amtsgericht der Klage statt. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte form- und fristgerecht Berufung ein, mit der er seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, das Ankündigungsschreiben der Klägerin vom 11.5.1999 genüge nicht den Anforderungen des § 541b Abs. 2 BGB. Das Landgericht hat am 8.6.2000 beschlossen, wegen grundsätzlicher Bedeutung einen Rechtsentscheid zu folgender Frage einzuholen:

Muß ein Ankündigungsschreiben über beabsichtigte Modernisierungsarbeiten gemäß § 541b Abs. 2 BGB die Mitteilung einer theoretisch möglichen Mieterhöhung auch dann enthalten, wenn eine solche nach der Erklärung des Vermieters nicht beabsichtigt ist?

Dazu führt das Landgericht aus, es beabsichtige anzunehmen, daß die Ankündigung mit Schreiben vom 11.5.1999 formell nicht ordnungsgemäß sei, weil das Schreiben keine Angaben zu der objektiv möglichen Mietzinserhöhung nach Durchführung der Modernisierungsarbeiten enthalte. Auch wenn der Vermieter wegen der Modernisierungsmaßnahme ausdrücklich keine Mieterhöhung beabsichtige, gehöre zur vollständigen Mitteilung der Auswirkungen der Modernisierung gemäß § 541b Abs. 2 BGB auch die Angabe einer theoretisch möglichen Mieterhöhung, um dem Mieter eine sachgerechte Abwägung der Vor- und Nachteile der Modernisierung und ihrer Folgen sowie eine Entscheidung über die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses oder eine Fortsetzung zu den geänderten Bedingungen zu ermöglichen. Der Verzicht des Vermieters auf Mieterhöhung schließe ein diesem zuwiderlaufendes Mieterhöhungsverlangen und eine prozessuale Auseinandersetzung darüber nicht aus.

II.

1. Die Vorlage an das Bayerische Oberste Landesgericht (vgl. BayObLGZ 1991, 348/350) ist statthaft (§ 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BayObLGZ 1989, 319/321). Die Voraussetzungen für einen Rechtsentscheid sind auch im übrigen gegeben.

Bei der vorgelegten Frage (vgl. LG München I DWW 1987, 260/261) handelt es sich um eine Rechtsfrage, die den Anwendungsbereich des § 541b Abs. 2 Satz 1 BGB hinsichtlich der Angaben über die zu erwartende Erhöhung des Mietzinses betrifft. Sie ergibt sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum (§ 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Auf den von der Klägerin, einer Baugenossenschaft, mit dem Beklagten abgeschlossenen Dauernutzungsvertrag über eine Genossenschaftswohnung findet Mietrecht Anwendung; die Mitgliedschaft des Beklagten bei der Klägerin ändert nichts am Rechtscharakter des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses (h.M.; vgl. OLG Karlsruhe ZMR 1985, 122/123 f. m.w.N.).

Die Frage ist auch entscheidungserheblich, weil bei ihrer Bejahung das Ankündigungsschreiben der Klägerin als unvollständig anzusehen wäre mit der Folge, daß der Beklagte aufgrund dieser Ankündigung den Fensteraustausch nicht zu dulden hätte (vgl. Staudinger/Emmerich BGB 13. Bearb. §§ 541a, 541b Rn. 70). Das Landgericht geht offensichtlich nicht davon aus, daß e...

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