Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache. Duldung

 

Leitsatz (amtlich)

Unverschuldet in Unkenntnis über Form und Frist für die sofortige weitere Beschwerde in Wohnungseigentums Sachen ist trotz unterbliebener Rechtsmittelbelehrung in der angegriffenen Entscheidung ein Beteiligter regelmäßig nicht, wenn er bereits in einem früheren Verfahren durch das Bayerische Oberste Landesgericht ausdrücklich auf das Formerfordernis für das Rechtsmittel hingewiesen worden war.

 

Normenkette

FGG § 22 Abs. 2, § 29 Abs. 1 S. 2; WEG § 45

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 1 T 2897/01)

AG München (Aktenzeichen 481 UR II 968/00 WEG)

 

Tenor

I. Der Antrag des Antragsgegners, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die formgerechte Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 30. April 2001 zu erteilen, wird zurückgewiesen.

II. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 30. April 2001 wird verworfen.

III. Der Antragsgegner hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

IV. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller und der Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Im Jahr 1997 hatte eine Fachfirma in dieser Wohnanlage, auch in der Wohnung des Antragsgegners, Fenster- und Türelemente ausgetauscht. An den ausgewechselten Fensterelementen traten Mängel auf, die in einem vom Antragsgegner eingeleiteten Beweissicherungsverfahren festgestellt wurden. Im Zuge der Nachbesserung sollten auch in der Wohnung des Antragsgegners Arbeiten durchgeführt werden. Zu einer dazu notwendigen terminlichen Absprache mit diesem kam es trotz längeren Schriftwechsels nicht.

Auf Antrag der Antragsteller hat das Amtsgericht mit Beschluß vom 19.1.2001 den Antragsgegner verpflichtet, Mitarbeitern des Fensterbaubetriebs, nach Ankündigung durch den Verwalter mindestens eine Woche im voraus, an Werktagen zwischen 8.00 und 18.00 Uhr den Zutritt zu seiner Wohnung zu gestatten und die Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten im Bereich des Fenster-Tür-Elements zu dulden. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners hat das Landgericht durch Beschluß vom 30.4.2001 zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 12.5.2001 zugestellten, nicht mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Beschluß hat der Antragsgegner am 26.5.2001 mit eigenhändig unterzeichnetem Schreiben Rechtsmittel eingelegt. Nach gerichtlichem Hinweis auf die Formvorschriften für die sofortige weitere Beschwerde hat der Antragsgegner am 15.6.2001 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt und zugleich erklärt, er halte an der sofortigen weiteren Beschwerde fest.

II.

Das Rechtsmittel ist unzulässig. Der Antragsgegner hat nämlich die Frist zur formgerechten Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht eingehalten.

1. Das beim Landgericht (§ 29 Abs. 4 FGG i.V.m. § 21 Abs. 2 FGG) eingegangene Beschwerdeschreiben vom 26.5.2001 wahrt zwar die Frist, aber nicht die Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG. Folglich ist dieses Rechtsmittel unzulässig mit der Folge, daß es ohne Sachprüfung zu verwerfen ist (vgl. § 574 ZPO).

2. Soweit die Erklärung vom 15.6.2001 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts erneut die – nun formgerechte – Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde enthält, wahrt diese nicht die Frist des § 45 Abs. 1 WEG i.V.m. § 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG.

3. Dem Antragsgegner kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 22 Abs. 2 FGG wegen Versäumung der Frist zur formgerechten Einlegung der sofortigen weiteren Beschwerde nicht erteilt werden. Denn sein Versäumnis war nicht unverschuldet und ein Unterbleiben der Rechtsmittelbelehrung dafür nicht ursächlich.

Befindet sich ein Beteiligter im Rechtsirrtum über die Form der Beschwerdeeinlegung, so ist dieser Irrtum nach bisher herrschender Meinung im allgemeinen nicht unverschuldet (BayObLG NJW-RR 2000, 606; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 22 Rn. 23 m.w.N.), auch wenn der Beteiligte anwaltlich nicht vertreten ist (BayObLG NJW-RR 2001, 444; WuM 1994, 166/167; Keidel/Kahl aaO). Zwar wird neuerdings erwogen, im Hinblick auf den Grundsatz eines aus Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. § 20 Abs. 3 GG herzuleitenden wirkungsvollen Rechtsschutzes die Fristversäumung eines anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten, dem eine Rechtsmittelbelehrung nicht erteilt wurde, grundsätzlich als unverschuldet im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 FGG anzusehen (Keidel/Schmidt § 16 Rn. 60; Demharter FGPrax 1995, 217 und WuM 2000, 43; vgl. auch Staudinger/Wenzel WEG § 45 Rn. 18, 34). Die Fristversäumung wegen unterbliebener Wahrung der Form für die Einlegung des Rechtsmittels wäre insoweit grundsätzlich nicht anders zu behandeln. Diese Überlegung führt hier jedoch nicht zu einem Erfolg des Wiedereinsetzungsantrags. Denn der Antragsgegne...

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