Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen der Feststellung der Testierunfähigkeit

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 09.01.2003; Aktenzeichen 16 T 17076/02)

AG München (Aktenzeichen 63-VI 15584/00)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 7) gegen den Beschluss des LG München I vom 9.1.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 1) und 7) haben die dem Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 480.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der am 30.11.2000 im Alter von 53 Jahren verstorbene Erblasser war unverheiratet und hinterließ keine Abkömmlinge. Die Beteiligte zu 6) ist die einzige vollblütige Schwester des Erblassers; die Beteiligten zu 1) bis 5) sind Halbgeschwister des Erblassers mütterlicherseits. Die Beteiligte zu 7) ist die Ehefrau des Beteiligten zu 1.

Der Nachlass besteht aus einem bebauten Grundstück in

Garching (Schätzwert ca. 470.000 Euro) sowie Geldvermögen (ca. 10.000 Euro).

Vom 14.12.1987 bis 20.10.1988 bestand für den Erblasser wegen eines alkoholbedingten deliranten Syndroms eine Pflegschaft mit dem Wirkungskreis Aufenthaltsbestimmung, Zuführung zur ärztlichen Behandlung und Vermögensverwaltung. Im Mai 2000 wurde für den Erblasser bei dem AG ein Betreuungsverfahren eingeleitet. Eine vom AG angeordnete Untersuchung durch den Gutachter S. am 17.8.2000 führte zu den Diagnosen: Chronischer Alkoholabusus; erhebliche Reduzierung der geistigen Leistungsfähigkeit, insb. der Kritik-, Merk-, Konzentrations- und kritischen Entscheidungsfähigkeit; mangelnde Krankheitseinsicht; Morbus Korsakow; ausgeprägte Hepatopathie; erheblich ausgeprägte Persönlichkeitsstörung. Mit Beschluss des AG vom 30.8.2000 wurde daraufhin Betreuung angeordnet, die u.a. die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Vermögenssorge umfasste.

In einem handschriftlichen Testament vom 16.9.1984 hatte der Erblasser verfügt:

"Ich ... übergebe bei meinem Ableben, (sterben - nicht mehr Erwachen der Narkose), meinen privaten und gesamten Besitz, ist gleich das Anwesen (Vorder- und Rückgebäude 738 qm) (Grund = Nutzfläche) ... an meinen Bruder ... (Beteiligter zu 2)."

Ein weiteres handschriftliches Testament des Erblassers vom 12.9.2000 enthält folgende Verfügung:

"Hiermit setze ich,... (Beteiligte zu 1) und 7) als meine Allein-Erben ein."

Die Beteiligten zu 1) und 7 beantragten, gestützt auf das Testament vom 12.9.2000, die Erteilung eines Erbscheins, wonach der Erblasser von ihnen je zur Hälfte beerbt worden ist. Der Beteiligte zu 2) machte geltend, das Testament vom 12.9.2000 sei insb. wegen Testierunfähigkeit des Erblassers bei Errichtung unwirksam, und beantragte, gestützt auf das Testament vom 16.9.1984, die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweisen sollte. Die Beteiligten zu 5) und 6) haben bei dem Nachlassgericht vorgetragen, dass beide Testamente des Erblassers unwirksam seien und daher von gesetzlicher Erbfolge auszugehen sei.

Das Nachlassgericht hat die Pflegschafts- und Betreuungsakten beigezogen, eine ärztliche Stellungnahme des behandelnden Hausarztes erholt und zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers V., einen Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin sowie für öffentliches Gesundheitswesen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Das erstellte schriftliche Gutachten vom 19.12.2001 und die hiergegen von den Beteiligten zu 1) und 7 erhobenen Einwendungen wurden in der Sitzung des Nachlassgerichts vom 24.7.2002 erörtert; in der Sitzung hat der Sachverständige sein Gutachten mündlich näher erläutert.

Mit Beschluss vom 26.8.2002 kündigte das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins an, demzufolge der Erblasser von dem Beteiligten zu 2) allein beerbt worden ist. Das Nachlassgericht stützte seine Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments vom 12.9.2000 nicht mehr testierfähig gewesen und der Beteiligte zu 2) daher auf der Grundlage des wirksam errichteten Testaments vom 16.9.1984 Alleinerbe geworden sei.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 7 wies das LG mit Beschluss vom 9.1.2003 zurück. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 1) und 7 mit ihrer weiteren Beschwerde.

II. Die nach § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 4, § 20 FGG zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG ist ebenso wie das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass der Erblasser auf Grund des Testaments vom 16.9.1984 von dem Beteiligten zu 2) allein beerbt worden sei. Dem Einwand der Beschwerdeführer, das Nachlassgericht habe seiner Entscheidung fehlerhaft Testierunfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 12.9.2000 zugrunde gelegt, ist das LG nicht gefolgt.

Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt, Testierfähigkeit setze die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet habe und welchen Inhalt die darin enthalte...

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